Themenüberblick

Blick in die Bildungspläne der Parteien

Das Thema Schule ist vielen Österreicherinnen und Österreichern ein zentrales Anliegen. Der Reformbedarf sei groß, ist oft zu hören. Der - mitunter ideologisch geführte - Bildungsstreit währt seit Jahrzehnten. Vor allem die Positionen der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP liegen weit auseinander.

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Gemeinschaftsschule versus Festhalten an der Allgemein Bildenden Höheren Schule (AHS) - an dieser Demarkationslinie trennen sich die Geister. Die gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen ist eine alte Forderung der SPÖ. Die Neue Mittelschule (NMS) sei ein wichtiger Schritt Richtung gemeinsame Schule und sorge für beste individuelle Förderung, heißt es im aktuellen Wahlprogramm. Alle Hauptschulen wurden bereits in NMS umgewandelt, wobei etliche noch letzte Klassenzüge mit dem Hauptschullehrplan führen.

Schüler

ORF.at/Carina Kainz

Die Beschulung von zehn- bis 14-jährigen Kindern ist in Österreich besonders umstritten

Die Sozialdemokraten fordern zudem einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr - dieser soll, geht es nach SPÖ-Spitzenkandidat und Kanzler Christian Kern, bis 2020 umgesetzt sein. Außerdem soll es ein zweites kostenloses Kindergartenjahr geben. Im Bereich Integration wünscht sich die SPÖ 5.000 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer. „Bildung von Anfang an“ ist ein weiteres Stichwort des SPÖ-Programms: Gefordert wird ein Qualitätsrahmen für Kindergärten mit österreichweit gleichen Öffnungszeiten und Schließtagen.

Autonomie: „Jetzt müssen Schulen lernen“

Schulen sollten zudem autonomer werden, das Autonomiepaket der im Sommer beschlossenen Bildungsreform sei ein erster Schritt. „Jetzt müssen Schulen lernen, was sie mit dieser neuen Freiheit anfangen können, sprich: moderne Unterrichtsmethoden anwenden, die mit Frontalunterricht, 50-Minuten-Einheiten, Stundentafel nichts mehr zu tun haben“, hieß es gegenüber ORF.at.

Zur Frage getrennter Deutschkurse für Kinder, die kein Deutsch können, wie es politische Mitbewerber fordern, hieß es aus der SPÖ, dass betroffene Kinder bereits jetzt bis zu elf Stunden in der Woche getrennten Deutschunterricht erhielten. Eine völlige Isolierung dieser Kinder lehnt die SPÖ ab: Kinder würden die Sprache im Austausch mit Gleichaltrigen schneller lernen und sich besser integrieren. Die SPÖ spricht sich zudem für inklusive Schulen und gegen Studiengebühren aus.

ÖVP für „Bildungspflicht statt Schulpflicht“

Die ÖVP lehnt die Gesamtschule kategorisch ab. Ihr Spitzenkandidat Sebastian Kurz bleibt in dieser Frage klar auf der bisherigen Parteilinie. Zudem fordert Kurz einen Wechsel von der Schulpflicht hin zur Bildungspflicht: Schülerinnen und Schüler sollen nach neun Jahren Schule klare Kompetenzen in Schreiben, Lesen und Rechnen vorweisen können. Sei das nicht der Fall, sollte sich die Schulpflicht bis zum 18. Lebensjahr verlängern.

Kinder müssen laut ÖVP-Programm vor Schuleintritt Deutsch können. Ansonsten müssten sie im Vorschuljahr oder in einem Deutsch-Förderungsjahr speziell unterstützt werden. Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, müsse im Kindergarten und in der Volksschule zudem ein stärkerer Fokus auf Fremdsprachen, später auch in der Digitalisierung gelegt werden. Außerdem spricht sich die ÖVP unter Kurz für eine Ganztagsschule und deren Ausbau ein. Für Universitäten fordert die ÖVP Zugangsregelungen und Studiengebühren.

Für FPÖ hat sich Schulsystem „bewährt“

„Uniforme Strukturen“ wie die Gesamtschule lehnt auch die FPÖ ab. Sie ist für die Beibehaltung des „bewährten differenzierten“ Schulsystems - mit „Hauptschulen mit Leistungsgruppen, Gymnasien, berufsbildenden mittleren und höheren Schulen“ und „Sonderschulen“, wie es im Wahlprogramm heißt. NMS werden nicht genannt. Laut FPÖ-Vorstellungen soll der Staat die Rahmenbedingungen, die Finanzierung, die grundlegenden Ziele und die Schulaufsicht festlegen. Alles Weitere sei schulautonom zu regeln.

Grafik zu Staatseinkommen durch Bildung

Grafik: ORF.at; Quelle: APA/OECD

Bildung ist lukrativ - auch für den Staat, besagt eine neue OECD-Studie vom September

Eltern sollten stärker in schulische Entscheidungsabläufe eingebunden werden wie überhaupt die „Erziehung der Kinder in Familien Vorrang vor der Erziehung durch staatliche Einrichtungen“ haben müsse. Die Ganztagsbetreuung sollte ausgebaut werden, dürfe aber kein Zwang sein. Die FPÖ ist für eine „restriktive Begrenzung des Ausländeranteils in Schulklassen“ und die Einführung einer verpflichtenden Sprachstandserhebung vor der ersten Klasse. Islamische Kindergärten sollen verboten werden.

Die FPÖ spricht sich für den freien Hochschulzugang aus. Ausländische Studierende sollen allerdings Studiengebühren bezahlen. Für sie gelte das „Herkunftslandprinzip“: Nur wenn eine Studienberechtigung im Herkunftsland vorliege, könne in Österreich ein entsprechendes Studium aufgenommen werden.

Grüne orten frühe Fehlentwicklungen

Weil sie Chancengerechtigkeit und grundlegende Reformen vermissen, wollen die Grünen das heimische Bildungssystem durch die unabhängige Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) prüfen lassen. Ein entsprechender Dringlicher Antrag wurde im Parlament vor wenigen Tagen allerdings abgelehnt. Die Fehlentwicklungen beginnen für die Grünen bereits im Kindergarten.

Gefordert wird ein Rechtsanspruch auf einen kostenlosen Kindergartenplatz ab dem ersten Geburtstag, ein zweites verpflichtendes Gratis-Kindergartenjahr und bundesweit gleiche Öffnungszeiten, Schließungstage und Betreuungsschlüssel. Die Kindergartenkompetenzen sollten ins Bildungsministerium wandern.

Die Grünen fordern zudem Ganztagsbetreuung in den Volksschulen. Das größte Problem orten sie bei der Ausbildung der Zehn- bis 14-Jährigen. Um die „frühkindliche Selektion“ zu beenden, plädieren sie für die Gesamtschule. Sprachförderung soll inklusiv - also innerhalb des Klassenverbandes - stattfinden, die Schulpflicht ausgedehnt werden. Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen zum Studium lehnen die Grünen ab.

NEOS will „Mittlere Reife“ einführen

NEOS räumt dem Thema Bildung viel Raum in seinem Wahlkampf ein. Es erarbeitete ein „Chancenpaket“ zur Bildung im Umfang von 400 Mio. Euro. Mehr in die Bildung zu investieren ist für die Kleinpartei eine Bedingung für eine Koalitionsbeteiligung. Schulen sollen laut NEOS personell, finanziell und pädagogisch vollkommen autonom sein. Die Bezahlung der Pädagoginnen und Pädagogen gehöre erhöht, die „Mittlere Reife“ als Abschluss eingeführt.

Bei den Kindergärten sei ein „Qualitätssprung“ mit einem besseren Betreuungsverhältnis und mehr Ganztagsangeboten erforderlich. Anstelle der Zweiteilung in AHS und Hauptschule bzw. NMS will NEOS eine Vielfalt an autonomen Mittelschulen – oder auch neunjährigen Grundschulen –, die auf individuellen Wegen zum gemeinsamen Ziel der „Mittleren Reife“ führen sollen. Kinder, die der Unterrichtssprache Deutsch nicht folgen können, müssten verpflichtende Deutschförderkurse in den letzten beiden Ferienwochen besuchen. NEOS ist für Studiengebühren an den Hochschulen - mehr dazu in science.ORF.at.

Pilz: Gemeinsame Schule „in sich differenziert“

„Kein Parteiprogramm“ gibt es bei der Liste Peter Pilz. „Unsere Kandidatinnen und Kandidaten sind unsere Programme“, heißt es auf der Website des ehemaligen Grünen-Politikers. Vier unter den ersten zehn auf der Bundesliste kämen aus dem Bildungsbereich, hieß es auf ORF.at-Nachfrage. Das Thema Bildung habe für die Liste „zentrale Bedeutung“. An der Gesamtschule führt laut Liste Pilz kein Weg vorbei: Der Zug sei „längst in ganz Europa“ in Richtung gemeinsamer Schule „abgefahren“, so Pilz. Kinder bis 15 Jahren „gehören dort nicht getrennt, das widerspricht allen pädagogischen Erfahrungen“.

Grafik zeigt den Anteil der Lehrer nach Alter in ausgewählten Ländern

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/OECD

In Österreich nähern sich im OECD-Vergleich überdurchschnittlich viele Lehrer dem Pensionsalter

Allerdings soll die Schule der Zukunft „in sich differenziert“ sein - „dazu gehört die Förderung der Talentiertesten und die Hilfe für die, die Schwierigkeiten in bestimmten Bereichen haben“. Pilz zählt dazu auch die Deutschförderung, die „darüber entscheidet, ob wir Integration schaffen“.

Die Liste Pilz befürwortet zudem die Ganztagsschule. Sprachförderung lebe von individueller Förderung und beginne im Kindergarten. 2.000 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer würden gebraucht. Die Liste Pilz ist für den freien Hochschulzugang. Investitionen in Bildung sind für die Liste Pilz „genauso wichtig wie Investitionen in die Sicherheit“.

KPÖ Plus will Hausübungen abschaffen

KPÖ Plus setzt sich für gemeinsame Ganztagsschulen bis zum 14. Lebensjahr ein - mit kleineren Klassen und mehr Lehrenden. Alle Pädagogen und Pädagoginnen „vom Kindergarten bis zur Oberstufe“ sollten gleich bezahlt, Hausaufgaben sollten abgeschafft werden. Mehrsprachigkeit an Schulen wird als „Chance“ betrachtet. Der Zugang zu den Universitäten sollte frei sein.

Die Freie Liste Österreich (FLÖ) spricht sich vor allem für den „qualitativen und quantitativen Ausbau der Kindergartenpädagogik ab dem vierten Lebensjahr“ aus. Die Verlängerung der Schulpflicht über das 15. Lebensjahr hinaus sei indes „nicht zielfördernd“, hieß es gegenüber ORF.at. Die Liste ist für ein differenziertes Schulsystem - also gegen die Gesamtschule. Nicht deutschsprachige Kinder sollen in eigenen Klassen unterrichtet werden.

Die Liste Gilt legte kein Bildungskonzept vor, da „unsere politische Idee darin besteht, die BürgerInnen in die Entscheidungsfindung einzubinden“, hieß es auf ORF.at-Anfrage. Das erste Bürgerparlament nach der Wahl werde sich aber dem Thema Bildung widmen. Auch die Weißen verweisen allgemein darauf, sie stünden für direktdemokratische Mitbestimmung und könnten daher keine vorgefertigten Antworten geben. Eine Reform des Bildungswesens sei aber dringend notwendig, hieß es gegenüber ORF.at.

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