Viel Familien-, wenig Frauenpolitik
Frauenpolitik sei im Wahlkampf „kein Thema“, hat Ende September der Österreichische Frauenring kritisiert. Und tatsächlich geht es großteils um die Themen Migration und Asyl. Darüber, welche Maßnahmen die Parteien hinsichtlich der Gleichstellung von Frauen und Männern setzen wollen, war bisher nur wenig zu hören.
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In den Parteiprogrammen der zehn bundesweit zur Nationalratswahl am 15. Oktober antretenden Wahllisten finden sich teils mehr, teils weniger frauenpolitische Inhalte. Ein Ausbau des Gewaltschutzes und gleicher Lohn für gleiche Arbeit sind zwei Punkte, bei denen weitgehend Einigkeit herrscht. Gerade bei letzterem Punkt gibt es allerdings große Unterschiede in den Details.
SPÖ: Lohntransparenz und Quote
Um gleichen Lohn für gleiche Arbeit durchsetzen zu können, wird im Programm der SPÖ – dem „Plan A“ – ein Lohntransparenzgesetz „nach international erprobtem Vorbild“ gefordert, durch das alle Löhne offengelegt werden sollen. Die SPÖ widmet sich in ihrem Programm der Frauenpolitik in einem eigenen Kapitel. Neben der Forderung nach Lohntransparenz bekennt sich die SPÖ darin auch zur Quote: 40 Prozent in Aufsichtsräten und Leitungsfunktionen in der Privatwirtschaft.
Gleich zu Beginn des Kapitels „Frauen“ steht die Forderung nach einem Rechtsanspruch für den Papamonat. Weitere familienpolitische Pläne thematisiert die SPÖ dann im Kapitel „Zusammenleben“, etwa jene zum Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen. Dadurch soll „vor allem für Frauen die Voraussetzung, Vollzeit zu arbeiten und ohne Nachteile durchs Berufsleben zu gehen“ geschaffen werden. Denn: Flächendeckende Kinderbetreuungseinrichtungen seien aus frauenpolitischer Sicht eine der wichtigsten Maßnahmen, um „echte Wahlfreiheit“ zu ermöglichen.
ÖVP: Forscherinnen fördern und Gendermedizin
Ähnlich klingt das im Programm der ÖVP: Nur durch entsprechende Unterstützung, wie etwa adäquate Kinderbetreuungseinrichtungen, könne gewährleistet werden, dass „vor allem die Mütter den beruflichen Anschluss nicht verlieren“. Auch die ÖVP spricht von „echter Wahlfreiheit“ für den eigenen Lebensentwurf. Ein eigenes Kapitel mit frauenpolitischen Inhalten gibt es im ÖVP-Programm nicht. Begründet wird das im Vorwort: Frauenpolitik sei „nicht nur ein weiteres Thema von vielen, sondern integraler Bestandteil in allen Bereichen des Lebens“.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/AK-Wiedereinstiegsmonitoring
Einige frauenpolitische Themen finden sich dann auch in unterschiedlichen Kapiteln des ÖVP-Programms, so soll etwa „eine erstklassige Aus- und Weiterbildung von Forscherinnen und Forschern ermöglicht werden, insbesondere mit dem Ziel, mehr Frauen zu fördern“. Und im Kapitel zum Gesundheitssystem wird eine stärkere Berücksichtigung von Gendermedizin gefordert, denn „die unterschiedlichen Anforderungen von Männern und Frauen, was Behandlungen und Medikamente betrifft, werden noch zu wenig berücksichtigt – oft zum Nachteil der Frauen“.
FPÖ gegen „Gleichmacherei“
„Unsere Frauen gleichberechtigen und sie vor Diskriminierung schützen“ lautet der Titel eines Kapitels im FPÖ-Programm. Darin wird einmal mehr gleicher Lohn für gleiche Arbeit gefordert. Und wie bei SPÖ und ÖVP taucht auch der Begriff “echte Wahlfreiheit“ auf. Für die FPÖ bedeutet diese, „dass eine Mutter ohne finanziellen Druck die Entscheidung treffen kann, ob sie bei ihren Kindern zu Hause bleiben will und sie auch selbst erzieht und betreut oder ob sie wieder – in welchem zeitlichen Ausmaß auch immer – arbeiten will.“ In diesem Zusammenhang werden „qualitätsvolle Teilzeitarbeitsplätze“ gefordert.
Die FPÖ will zudem Gleichberechtigung, aber nicht „Gleichmacherei“ von Mann und Frau und ist gegen „scheinheilige Alibiaktionen in der Frauenförderung“, ohne konkrete Beispiele zu nennen. Die Zahl der Abtreibungen wird im FPÖ-Programm als „hoch“ bezeichnet. Frauen, die vor der Entscheidung stehen, müssten durch medizinische und soziale Beratung „unterstützt“ werden.
Grüne bei „Gender Pay Gap“ konkret
Konkrete Vorschläge, wie Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern beseitigt werden können, stehen im Wahlprogramm der Grünen: Verschärfungen bei den gesetzlich vorgeschriebenen Einkommensberichten, verbindliche Aktionspläne für Unternehmen, die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns und die Kopplung öffentlicher Auftragsvergaben an die Frauenförderung in Unternehmen.
Ein eigenes Frauenministerium mit „Mitbestimmungsrechten in allen Gesetzesmaterien“ soll Frauenpolitik stärken. Die Grünen wollen zudem die Mindestlehrlingsentschädigung auf einen branchenunabhängigen Betrag anheben, damit „einige jener Berufsbereiche aufgewertet werden, in denen Frauen überproportional stark vertreten sind“. Bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sollen „strukturelle Diskriminierung von Frauen“ beseitigt werden.
Die Grenze zwischen Frauen- und Familienpolitik ist auch im Wahlprogramm der Grünen fließend. Im Kapitel zur Gleichstellung wird ein Ausbau der Kinderbetreuung und ein Rechtsanspruch auf einen bezahlten Papamonat gefordert.
NEOS: Maßnahmenpaket für Arbeitsmarkt
Damit Frauen „gleichermaßen den Arbeitsmarkt gestalten können“, bedarf es laut Programm von NEOS mehrerer Maßnahmen: Das Paket umfasst u. a. die Abschaffung der Negativsteuer, die Schaffung eines „Chancengerechtigkeitsabsetzbetrags“, der Investitionen der Eltern in Kinderbetreuung attraktiver machen soll, bis zu einer vergleichenden Analyse von Kollektivverträgen, um festzustellen, inwiefern Frauen „systematisch geringer entlohnt werden“.
Um Familienpolitik „nicht mehr als Frauenpolitik misszuverstehen“, sondern „als Verantwortung aller Beteiligten“, müssen laut NEOS zuerst mehr und bessere Kinderbetreuungseinrichtungen geschaffen werden. Gefordert wird zudem ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem zweiten Lebensjahr.
Viel Frauenpolitik bei KPÖ Plus
Für gleichen Lohn für gleiche Arbeit setzt sich auch KPÖ Plus ein. Ein eigenständiges Leben müsse für Frauen in jedem Alter möglich sein, heißt es zudem im Parteiprogramm. KPÖ Plus fordert eine 50-prozentige Frauenquote in Vorständen, Aufsichtsräten und im öffentlichen Dienst und einen „Gender-Pay-Gap-Day“ als arbeitsfreien Tag für Frauen, bis gleicher Lohn für gleiche Arbeit durchgesetzt ist.
KPÖ Plus ist neben der FPÖ die einzige Partei, die in ihrem Programm Stellung zum kontroversen Thema Abtreibung bezieht. Die Forderung: Abtreibung raus aus dem Strafrecht. Die Partei will zudem Gratisverhütungsmittel für alle, mehr genderspezifische Gesundheitsförderungen und erklärt die Forderungen des Frauenvolksbegehrens zu unterstützen.
Liste Pilz für Lohntransparenz
Den Inhalten des Frauenvolksbegehrens nahe stehen dürfte auch die Liste Pilz, die kein Parteiprogramm hat, aber auf ihrer Website erklärt, die Kandidaten und Kandidatinnen seien das Programm. Eine der Kandidatinnen ist Maria Stern, ehemalige Sprecherin des Frauenvolksbegehrens 2.0. Bei einer Pressekonferenz Ende September warb Liste-Pilz-Kandidatin Martha Bissmann zudem für ein Lohntransparenzgesetz, das in allen Unternehmen das Recht schaffen soll, Einsicht in die Lohnunterlagen von Personen zu nehmen, die im Job gleichgestellt sind.
Wenig Details bei FLÖ, Weißen und Gilt
In dem zweiseitigen Dokument, das die Freie Liste Österreich auf ihrer Website unter dem Punkt Wahlprogramm zur Verfügung stellt, finden sich keine explizit frauenpolitischen Inhalte. Gefordert wird allerdings Wahlfreiheit in der Kindererziehung und „Wer Kinder erzogen hat, darf selbst im Alter nicht arm sein“ – ohne Details zur Umsetzung. Auch im vierseitigen Programm der Weißen sucht man vergebens nach frauenpolitischen Inhalten. Die Liste Gilt sagte gegenüber ORF.at, man habe kein Programm, da man einen Systemwechsel anstrebe.
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