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Frage nach den Ursachen

Die Kriegsmarine der USA hatte dieses Jahr bereits vier schwere Schiffsunfälle zu vermelden. Nun muss die US-Navy gegenlenken: Fundamentale Kenntnisse des Navigierens, etwa mittels Kompass, sollen wieder vermehrt zum Einsatz kommen. Aber auch genügend Freizeit und eine ausgeschlafene Crew wären wichtig - denn die Soldaten seien hoffnungslos überarbeitet, wie die „New York Times“ („NYT“) kürzlich berichtete.

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Innerhalb kürzester Zeit kam es zu zwei tödlichen Unfällen im westlichen Pazifik: Im Juni kollidierte das Kriegsschiff „USS Fitzgerald“ nahe Tokio mit einem Frachter, im August kam es in der Nähe von Singapur zu einem Zusammenstoß zwischen der „USS John S. McCain“ und einem Tanker. Insgesamt kamen dabei 17 Menschen ums Leben. Warnungen durch den Kongress und Navy-Experten, dass es den Crews generell an schifffahrtstechnischen Kenntnissen mangle, habe es genügend gegeben, so die „NYT“.

Beschädigtes  US-Kriegsschiff  USS Fitzgerald

AP/Eugene Hoshiko

Das Kriegsschiff „USS Fitzgerald“ wurde durch eine Kollision nahe Tokio im Juni schwer beschädigt

„Wie sollen wir das erklären, Admiral?“

In Zeiten nahezu unbegrenzter digitaler Möglichkeiten muss sich die Kriegsmarine der USA die Frage stellen, wieso man mit anderen scheinbar unübersehbaren, riesigen Schiffen kollidieren kann - eine Angelegenheit, die kürzlich auch den US-Senat beschäftigte. „Viele der Themen, die wir heute hier besprechen, sind den Oberbefehlshabern der Navy seit Jahren bekannt. Wie sollen wir das erklären, Admiral?“, fragte Senator John McCain den Oberbefehlshaber der Navy, Admiral John Richardson, unlängst bei einem Hearing. „Senator, es gibt keine Erklärung“, lautete Richardsons knappe Antwort.

Altmodische Werkzeuge zur sicheren Steuerung

Im August dieses Jahres wurden deshalb alle Aktionen der Flotte für 24 Stunden ausgesetzt, um grundlegende Fehlerquellen ausfindig zu machen - etwa fundamentale Wissenslücken der Matrosen und auch die unzureichende technische Beschaffenheit der Schiffe. Um die teils schlechten Zustände zu verbessern, griff Vizeoberbefehlshaber Admiral Thomas Rowden anschließend zu Maßnahmen, die an Seefahrten aus der Entdeckerzeit erinnern.

Unter anderem soll mittels Kompass, Stift und Papier potenziellen Gefahren ausgewichen werden. Matrosen müssten wieder im Stande sein, Objekte manuell zu verfolgen, die sich näher als fünf Kilometer vom Kriegsschiff entfernt befinden, so Rowdens Anordnung.

Automatische Identifikation auch für Navy

Die Schiffe der Kriegsmarine sind - und das ist militärtechnisch durchaus beabsichtigt - vor allem in der Nacht meist nur mit geschultem Auge zu erkennen. Zusätzlich sei es aber auch kompliziert, sie elektronisch zu verfolgen, so die „NYT“. Neben herkömmlichen Navigationsgeräten verfügen alle großen Schiffe über ein Automatisches Identifikationssystem (AIS). So können - zumindest in der Theorie - Informationen über Position, Kurs und Geschwindigkeit von Kriegsschiffen erfasst und versendet werden.

Doch wird laut „NYT“ das AIS häufig deaktiviert, da Marinekapitäne nicht zu viel militärische Information preisgeben wollen. Rowden will das nun ändern, zudem soll die Entscheidungsfreiheit der Kapitäne eingeschränkt werden: Welche Anweisungen die Crew zu befolgen hat, obliegt nun vor allem einem Team an Oberbefehlshabern und nicht - wie zuvor - bloß dem Kapitän.

Personalmangel und Kürzungen

Ob die neuen Richtlinien die richtigen Mittel sind, ist fraglich, denn seit Jahren hat die US-Navy mit Kürzungen und Personalmangel zu kämpfen. So wurden einige Marinesoldaten im Zuge der beiden tödlichen Schiffsunglücke entlassen, und sogar Rowden selbst kündigte kürzlich seine Frühpension an.

In dieser angespannten Lage würden sich alle Beteiligten ein genaues Bild davon machen, wer die hohen Berufsanforderungen, das harte Training und die schwere Arbeit an Bord zufriedenstellend erfüllen könne, so die „NYT“. Kleinere Crews und weniger Schiffe hätten zur Folge, dass die Einsätze länger werden. So wären manche Kriegsflotten mehr als acht Monate in einem Jahr auf hoher See - laut Experten ist das zu lang.

Offensichtliche Ursachen, einfache Lösung?

Einige grundlegende Ursachen für die Probleme der Navy scheinen also nicht von der Hand zu weisen: Die Matrosen arbeiten bis zu 108 Stunden die Woche und sind extremen physischen und psychischen Bedingungen auf den Kriegsschiffen ausgesetzt. Laut „NYT“ sind Kapitäne und Crews vor allem erschöpft und überfordert.

Eine Studie der Naval Postgraduate School empfiehlt der US-Navy deshalb, ihre Matrosen künftig nicht länger als drei Stunden am Stück Wache halten zu lassen. Neun Stunden Freizeit sollten zudem das Minimum an einem Tag sein. Darüber hinaus wird den Seemännern zu ausreichend Schlaf geraten. So könnten die Matrosen sicher und ausgeruht ihrer Arbeit nachgehen. McCain hatte dafür im Senat allerdings nur wenige Worte übrig: „Wenn wir wissen, dass jemand 100 Stunden die Woche arbeitet, dann bin ich mir nicht sicher, ob wir eine Studie brauchen.“

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