„Demokratische Spielregeln verletzt“
Das Europaparlament hat Lobbyisten des US-Konzerns Monsanto die Zugangsausweise entzogen. Die Entscheidung fällten die Fraktionsvorsitzenden am Donnerstag auf Antrag der Grünen, wie deren Fraktionschef, der belgische Politiker Philippe Lamberts, mitteilte. Sie gelte bis auf Weiteres.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Hintergrund ist nach Angaben der Grünen die Weigerung des Konzerns, zu einer Anhörung im Parlament zu erscheinen. „Wer demokratische Spielregeln ignoriert, verliert auch seine Rechte als Lobbyist im Europäischen Parlament“, so Lamberts. Nach wie vor gebe es Unklarheiten bei der Beurteilung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat, das von Monsanto hergestellt wird.
Der österreichische EU-Abgeordnete Michel Reimon, einer der Delegationsleiter der Grünen im EU-Parlament, forderte Monsanto auf, sich im Skandal um geschönte Glyphosat-Studien zu erklären, wie Reimon in einer Aussendung am Donnerstag schrieb. Er forderte „unabhängige Studien von unabhängigen KrebsforscherInnen, bevor die Mitgliedsstaaten über die Zulassung von Glyphosat abstimmen“.
Erster Entzug der Zugangsberechtigung
„Monsanto muss sich den Fragen der Parlamentarier stellen und darf die Aufklärung nicht behindern“, so auch Lamberts. Es ist laut Angaben der deutschen Grünen das erste Mal, dass einem Unternehmen der Zugang zum Europaparlament entzogen wird. Der US-Agrarchemiekonzern Monsanto steht vor einer Übernahme durch den deutschen Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer. Die 66 Milliarden US-Dollar schwere Übernahme würde Bayer mit einem Schlag zur weltweiten Nummer eins bei Saatgut und Pflanzenschutzmitteln machen.
Wahlkampfthema in Österreich
Nachdem sich SPÖ-Chef Bundeskanzler Christian Kern für ein Totalverbot von Glyphosat ausgesprochen hatte, wurde das Herbizid inzwischen auch zu einem Wahlkampfthema. Die SPÖ werde im EU-Unterausschuss des Nationalrats am 3. Oktober versuchen, eine Mehrheit zu finden, um Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) dazu zu verpflichten, auf EU-Ebene gegen die Wiederzulassung zu stimmen.
Ziel sei ein EU-weites Verbot, alternativ eines in Österreich, hieß es am Dienstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz des Bundeskanzlers mit Helmut Burtscher-Schaden, Buchautor („Die Akte Glyphosat“) und Global-2000-Umweltchemiker. Er bat Kern darum, in dieser Sache Allianzen auf EU-Ebene zu suchen.
Auch FPÖ signalisiert Zustimmung
Kern selbst gab sich überzeugt, im Unterausschuss die entsprechende Mehrheit zu finden, nachdem die Grünen dieses Vorgehen im Unterausschuss ja selbst vorgeschlagen hätten und auch die FPÖ bereits ihre Zustimmung signalisiert habe. Wolfgang Pirklhuber, Landwirtschaftssprecher der Grünen, stellte per Aussendung fest, dass sich die SPÖ nach sechs Jahren stetigen Werbens für ein Verbot des Pflanzengifts „bewegt“ habe.
Rupprechter sagte, er habe kein Problem mit einer allfälligen Bindung an ein Nein zur Wiederzulassung von Glyphosat auf EU-Ebene durch den EU-Unterausschuss. Die Experten der Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) würden dem Vorschlag der EU-Kommission - „wie er derzeit vorliegt“ - ohnehin nicht zustimmen, sagte der Minister.
Schieder verweist auf WHO-Einstufung
SPÖ-Klubchef Andreas Schieder hielt diesen Weg über die AGES für „nicht vollständig“, schließlich würden die EU-Landwirtschaftsminister letztlich in einer Schlussabstimmung über die Zukunft von Glyphosat entscheiden, wo Rupprechter dann für das Totalverbot stimmen sollte. Schieder bezeichnete die Einstufung der Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der WHO, die die Substanz als wahrscheinlich krebserregend einstufte, als „sehr ernst“. Dass der österreichische Agrarsektor im Falle eines Verbots auf nationaler Ebene bei einer EU-weiten Zulassung unter Druck käme, wies Schieder mit dem Hinweis zurück, dass der Weg zum Erfolg über die Qualität der Produkte zu suchen sei.
Global 2000: Teile von Antrag abgeschrieben
Burtscher-Schaden verwies auch auf die Problematik der Studien, die zu unterschiedlichen Bewertungen des Mittels kommen. Ein Institut, die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA), das die Mittel für die EU-Kommission bewertet, habe auch teilweise vom Genehmigungsantrag, den der Agrarriese Monsanto gestellt hatte, abgeschrieben - und komme zum Schluss, dass das Mittel nicht schädlich für die Erbsubstanz sei.
Die EFSA hält den Stoff für wahrscheinlich nicht krebserregend bei Menschen. Ähnlich sieht das ein Ableger der WHO, das Joint FAO/WHO Meeting On Pesticide Residues (JMPR). Die IARC der WHO bewertete die Beweislage dafür, dass Glyphosat Krebs auslösen könnte - und nicht das Risiko, tatsächlich an Krebs zu erkranken.
Links: