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Ablenkung von Doppelschlappe?

Kein Einlenken im Hymnenstreit: Ungeachtet heftiger und prominenter Gegenmeinungen von US-Sportstars hält US-Präsident Donald Trump an seiner scharfen Kritik fest, mit der er während des Abspielens der Nationalhymne aus Protest kniende Football-Spieler brandmarkt.

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Zuvor hatte Trump zwei weitere Schlappen einstecken müssen: Die vom Präsidenten und seiner Republikanischen Partei abgelehnte Krankenversicherung „Obamacare“ bleibt wegen einiger „abtrünniger Republikaner“ bestehen, und der von ihm in Alabama unterstützte Kandidat für den vakant gewordenen Senatssitz von Justizminister Jeff Sessions, Luther Strange, verlor am Dienstag gegen den von seinem ehemaligen Berater Stephen Bannon unterstützten rechten Evangelikalen Roy Moore.

Im Hymnenstreit bezog Sessions Dienstagabend (Ortszeit) dieselbe Position wie Trump. Er stimmte in die Kritik an Spielern der National Football League (NFL) ein. Die Aktionen hatten 2016 aus Protest gegen Polizeigewalt, Rassismus und soziale Ungerechtigkeit begonnen.

Trump: NFL soll Knien verbieten

Trump sagte, so viele Menschen seien im Kampf für die USA gestorben. Das nicht zu respektieren, indem man bei der Hymne niederknie, statt zu stehen, sei eine Schande. „Man darf unser Land nicht verächtlich behandeln“, sagte Trump. „Ich war beschämt von dem, was passiert ist.“ Er sei in dieser Frage alles andere als voreingenommen. „Es ist sehr wichtig, dass die NFL das Knien nicht mehr erlaubt.“

Sessions sagte in Washington, die Spieler machten mit ihren Aktionen während der Hymne einen großen Fehler. Sie hätten zwar das Recht auf freie Meinungsäußerung, sagte Sessions. Aber: „Auch wenn die Spieler nicht Gegenstand einer Anklage sind - wenn sie provozieren, müssen sie damit rechnen, verurteilt zu werden; der Präsident hat dazu das Recht, und auch ich verurteile ihre Aktionen.“ Sessions stellte sich vor Trump: Auch der Präsident habe das Recht auf freie Meinungsäußerung, so Sessions. Die Spieler schwächten mit ihren Aktionen das Bekenntnis zur Nation.

Umfragen gespalten

Jüngste Umfragen, wie der Hymnenprotest in den USA aufgenommen wird, ergeben kein klares Bild. Es gibt Erhebungen, in denen die Befragten die Aktionen mit großer Mehrheit ablehnen, weil sich so etwas im Angesicht der Flagge nicht gehöre. Andere Umfragen sehen überwiegend Zustimmung zu den Spielern, andere geben ein geteiltes Echo wieder. Oft sagten Befragte, der Protest müsse ein klareres Ziel haben, damit sie ihn besser einordnen könnten.

Sportprominenz in Aufruhr

Mit seinen provokanten Kommentaren und geharnischter Kritik am Patriotismus der Sportler via Twitter brachte Trump in den vergangenen Tagen den Großteil der US-Sportprominenz gegen sich auf. Der zweifache Super-Bowl-Gewinner Osi Umenyiora kritisierte Trump scharf. Trump sei derjenige, der die US-Flagge nicht respektiere, so Umenyiora in einem emotionalen Statement am Dienstag (Ortszeit).

Arizona Cardinals Spieler

Reuters/USA TODAY Sports/Matt Kartozian

Bei den Arizona Cardinals protestieren Spieler und Trainer Arm in Arm vor einer US-Flagge

Ikonen wie die Basketball-Superstars LeBron James und Michael Jordan und selbst Football-Star Tom Brady, der Trump nahesteht, hatten bereits zuvor den Präsidenten öffentlich kritisiert. Beim Abspielen der Nationalhymne zu Beginn der NFL-Spiele knieten zahlreiche Spieler am Wochenende und am Montag nieder, andere blieben Arm in Arm am Spielfeldrand stehen, wieder andere blieben in den Kabinen. Auch in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA, deren Saison in rund drei Wochen beginnt, regt sich erneut Kritik und Widerstand gegen Trump.

James: Die Menschen regieren das Land

Zu Beginn der gemeinsamen Vorbereitung auf die neue NBA-Saison mussten sich Spieler, Trainer und Funktionäre bei den Medienterminen ebenfalls mehr mit Politik als mit ihren sportlichen Ambitionen auseinandersetzen. Trump hatte in der Vorwoche die Einladung an die Golden State Warriors zum obligatorischen Besuch im Weißen Haus nach dem Titelgewinn zurückgezogen, nachdem die Protagonisten des NBA-Gewinners erklärt hatten, sie hätten keine Lust, Trump zu treffen.

Lebron James

APA/AFP/Getty Images/Jason Miller

LeBron James kritisiert Trump vor der Presse

LeBron James, der bei Vizemeister Cleveland Cavaliers spielt, betonte, die Menschen regierten das Land, nicht eine einzelne Person - schon gar nicht Trump. Der dreimalige NBA-Champion nannte den Präsidenten allerdings nicht beim Namen, sondern bezeichnete ihn nur als „Typ“.

Jordan: Friedliche Proteste nicht verteufeln

Trainerlegende Gregg Popovic kritisierte Trumps Verhalten scharf. „Unser Land ist eine Peinlichkeit für diese Welt“, sagte der Coach der San Antonio Spurs. Trump verhalte sich „wie ein Sechstklässler, der in seinem Hinterhof eine Party veranstalten will und feststellt, dass jemand nicht kommen will, und ihn deshalb wieder auslädt.“ Das sei „lächerlich“. Bradley Beal, der für die Washington Wizards in der US-Hauptstadt spielt, nannte Trump einen „Clown“.

Michael Jordan

APA/AFP/Getty Images/Streeter Lecka

Auch Michael Jordan kann Trumps Kritik nichts abgewinnen

Basketball-Legende Jordan, der Mehrheitseigentürmer der Charlotte Hornets, sagte am Sonntag, dass die USA eine lange Tradition von gewaltlosen, friedlichen Protesten haben. „Diejenigen, die vom Recht Gebrauch machen, sich friedlich zu äußern, sollten nicht verteufelt oder geächtet werden.“

Nike ebenfalls solidarisch

Am Montag äußerte sich auch Brady, der Star des NFL-Champions New England Patriots. „Auf keinen Fall stimme ich damit überein, was er gesagt hat. Ich glaube, es war einfach spaltend“, sagte der 40-Jährige, laut eigenen Aussagen sogar ein Freund von Trump, über die Aussagen des Staatsoberhaupts dem Radiosender WEEI aus Boston. Das US-amerikanische olympische Komitee und der Sportartikelhersteller Nike erklärten sich mit den Protesten ebenfalls solidarisch.

Widerstand regt sich auch in NASCAR

Auch in der US-Motorsportserie NASCAR, die vor allem in den Südstaaten der USA beliebt ist, werden mittlerweile Stimmen laut, die nicht mit Trump übereinstimmen. Dale Earnhardt Jr., einer der beliebtesten Fahrer der Rennserie, schrieb auf Twitter, er unterstütze das Recht auf friedliche Proteste. Earnhardts Aussage steht in klarem Kontrast zu etlichen NASCAR-Teambesitzern, die erklärten, dass sie protestierende Fahrer nicht billigen würden.

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