Themenüberblick

CDU hält dagegen

Die bayrische CSU will nach den schweren Verlusten für die Union bei der deutschen Bundestagswahl am Sonntag einen radikalen Kurswechsel erzwingen. Vor der ersten Fraktionssitzung der Unionsparteien machte die CSU-Spitze enormen Druck auf CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel. Selbst von einer möglichen Auflösung der traditionellen Fraktionsgemeinschaft war am Montag am Rande der CSU-Vorstandssitzung die Rede.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Doch im CSU-Vorstand gab es nach einer offenen Debatte ein Bekenntnis zum Bündnis mit der Schwesterpartei. Ein CSU-Sprecher hatte zuvor Medienberichte, wonach Seehofer die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU im Bundestag infrage stelle, dementiert. Richtig sei, dass Seehofer dem Vorstand gesagt habe, man müsse auch über die Fraktionsgemeinschaft reden. Er halte nichts davon, sie aufzukündigen.

Ziel sei es, für die beabsichtigte Fortsetzung der Gemeinschaft am Dienstag die Rückendeckung des Parteivorstands zu haben, die der CSU-Vorstand dann auch gewährte. Für Merkel würde eine Auflösung der Union bedeuten, dass sie aus heutiger Sicht eine Viererkoalition bilden müsste - mit FDP, Grünen und CSU. Die SPD will in Opposition gehen, andere Varianten für eine CDU-geführte Koalition gibt es nicht.

CSU-Chef Horst Seehofer

APA/dpa/Sven Hoppe

Vorgänger Edmund Stoiber gibt Seehofer vor der CSU-Sitzung Tipps

Seehofer zufolge braucht man „die CSU zur Bildung einer Regierung in jeder Form“. Jeder Koalitionspartner wolle was, „und wir wollen natürlich auch was“, sagte Seehofer laut „Süddeutscher Zeitung“ bei einer Pressekonferenz in München zudem.

Entscheidungen erst nach Niedersachsen-Wahl

Die CDU wolle unterdessen erst nach der Landtagswahl in Niedersachsen am 15. Oktober in einer Klausurtagung „vertieft“ über die Gründe für das schlechte Abschneiden der Union beraten, wie Merkel am Montag nach den Sitzung von CDU-Präsidium und -Bundesvorstand in Berlin sagte. Auch Seehofer deutete in München an, dass größere Entscheidungen nicht mehr vor dem 15. Oktober fallen sollten. „Aber: Anschließend ist die bayerische Wahl. So wie wir Rücksicht nehmen auf Niedersachsen, wollen wir auch, dass dann die bayerischen Interessen in Berlin rücksichtsvoll behandelt werden.“

Seehofer will eigene Position sichern

Fakt ist aber auch, dass Seehofer selbst - viel mehr noch als Merkel - nach der Wahlschlappe parteiintern unter Druck geraten ist. Trotzdem hält er am Parteivorsitz fest. Er stehe für das Amt weiter zur Verfügung, bekräftigte Seehofer am Montag vor der Sitzung des Parteivorstands in München. Er forderte die übrigen Vorstandsmitglieder auf, mögliche Zweifel daran offen anzusprechen: „Wenn jemand das anders sieht, dann soll er es sagen.“

Bereits am Vorabend hatte Seehofer deutlich gemacht, dass die CSU mit jedem anderen Vorsitzenden vor derselben Herausforderung stehe, die CSU-Wahlversprechen in einer neuen Regierungskoalition durchzusetzen. „Mit etwas anderem kann kein Parteivorsitzender aus Berlin zurückkehren.“ CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer stellte gegenüber dem TV-Sender Phoenix klar: „Wir brauchen zuerst eine klare Kursorientierung.“ Er zeigte sich zugleich skeptisch gegenüber einem Jamaika-Pakt aus Union, FDP und Grünen.

Rivale Söder sieht „epochale Herausforderung“

Seehofers parteiinterner Rivale Markus Söder wollte sich zunächst nicht zu Konsequenzen aus dem historisch schlechten Ergebnis der CSU bei der Bundestagswahl äußern. Es gehe um eine „epochale Herausforderung“, aus der Konsequenzen nicht im „Hauruckverfahren“ gezogen werden dürften, sagte der bayrische Finanzminister. Zunächst müsse man „die Stimmung der Basis aufnehmen“.

Söder hat bereits wiederholt seinen Anspruch auf eine Nachfolge Seehofers als CSU-Chef und bayrischer Ministerpräsident deutlich gemacht, sich allerdings bisher nicht offiziell beworben. Mehrere CSU-Vorstandsmitglieder sagten am Montag, eine Personaldebatte sei verfehlt, da sie die Partei weiter schwächen würde.

Grafik zur deutschen Bundestagswahl 2017

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/ARD

„Geht jetzt um Maß und Mitte“

Ganz andere Töne waren dagegen naturgemäß aus der CDU zu vernehmen. Im Streit über die Neuausrichtung in der Union betonte Merkels CDU-Stellvertreterin Julia Klöckner, sie sei sich „sicher, wir brauchen keinen Ruck nach rechts“. „Wir müssen die Themen ansprechen, die die Bürger bewegen in der Mitte der Gesellschaft - nichts tabuisieren, nichts schlechtreden, aber vor allen Dingen die AfD auch stellen.“ Klöckner ist zugleich Landeschefin in Rheinland-Pfalz.

Die Berliner CDU-Landeschefin Monika Grütters lehnte ebenfalls eine stärkere konservative Ausrichtung der Union ab. „Wir haben drei Landtagswahlen verloren wegen des Ausholens nach rechts - 2016 in Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt“, sagte Grütters im RBB-Inforadio. „Und wir haben jetzt vier Wahlen in Folge gewonnen - im Saarland, in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und beim Bund - als wir die stabile Mittelpolitik von Angela Merkel verteidigt haben. Ich glaube also, es wird auch bei den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene jetzt um Maß und Mitte gehen“, sagte die Kulturstaatsministerin im Kanzleramt.

Merkel und Seehofer für Kauder?

Zumindest laut namentlich nicht genannten führenden CDU-Mitarbeitern sind sich Merkel und Seehofer bereits einig, dass Volker Kauder erneut Fraktionschef im Bundestag werden soll. Kauder führt die Fraktionsgemeinschaft der Schwesterparteien seit 2005 - so lange wie keiner vor ihm. Und er ist ein enger Vertrauter von Merkel.

Die Fraktionsgemeinschaft aus CDU und CSU muss zu Beginn jeder Legislaturperiode bestätigt werden. Zu der Sitzung am Dienstag wird deshalb auch Seehofer erwartet. Die Union hat bei der Bundestagswahl schwere Verluste erlitten, ist aber weiterhin stärkste Kraft. Vor allem die CSU verlor in Bayern kräftig Stimmen an die AfD.

Rücktrittsaufforderung aus Großhabersdorf

Aus der Ortschaft Großhabersdorf im bayerischen Mittelfranken kam am Montag unterdessen die erste Rücktrittsaufforderung für Seehofer. Der Vorsitzende des dortigen CSU-Ortsverbands, Thomas Zehmeister, forderte im Namen des Ortsvorstands in einer Erklärung Seehofer dazu auf, „mit sofortiger Wirkung sein Amt als CSU-Parteivorsitzender niederzulegen um den Weg für einen personellen Neuanfang frei zu machen“.

Seehofer habe demnach nicht nur das „historisch katastrophale Abschneiden“ der CSU persönlich zu verantworten. Der CSU-Kommunalpolitiker hielt Seehofer auch „ständige Wendungen in der Haltung zur Schwesterpartei“ vor.

Links: