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„Kultur verändert das Denken“

Viel von dem Kino, das aus Frankreich nach Österreich kommt, sind leichte Komödien: „Willkommen bei den Sch’tis“, „Ziemlich beste Freunde“, „Monsieur Claude und seine Töchter“ - und diese Filme sind unglaublich erfolgreich. Doch gerade manche dieser scheinbar unpolitischen Filme propagieren in vielen Fällen Stereotype, die verletzen. Lucas Belvaux, Regisseur von „Das ist unser Land!“, kommentiert diese Entwicklung im ORF.at-Interview.

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ORF.at: Was halten Sie von dieser Welle französischer Komödien, die auf kulturelle und ethnische Unterschiede abzielen?

Lucas Belvaux: Diese Filme stellen kein wirkliches politisches Problem dar, sie stellen keine großen Fragen, sie sind eher alberne Komödien. Aber jetzt hat Philippe de Chauveron, der auch „Monsieur Claude und seine Töchter“ gedreht hat, einen neuen Film gemacht namens „Hereinspaziert!“. Schon „Monsieur Claude“ war nicht unproblematisch, um es freundlich auszudrücken. Im neuen Film geht es um Roma, und der ist wirklich grauenvoll – und das hat auch in der Presse heftige Gegenreaktionen provoziert.

ORF.at: Der französische Filmstart war unmittelbar vor der Präsidentschaftswahl, nicht wahr?

Belvaux: Ja, und das war ein Teil des Problems. „Hereinspaziert!“ ist schlicht und einfach ein rechtsextremer Film, unter dem Deckmantel der leichten Komödie. Das Problem ist nicht nur das, was er erzählt, sondern die dahinterliegenden Ideen, die er damit normalisiert. Und es spielen hauptsächlich berühmte Schauspieler mit, Leute wie Christian Clavier, Ary Abittant und Elsa Zylberstein, die das Problem aber offenbar nicht erkannt haben, und das ist sehr enttäuschend.

ORF.at: Funktioniert Kino als politisches Instrument? Und sehen Sie Ihren Film in Opposition zu diesen vorgeblich unpolitischen Komödien?

Belvaux: Ja, absolut. Kino ist eine populäre Kunst. Durch die Fiktion können wir Menschen im Innersten berühren. Ich weiß nicht, ob mir das in meinem Film gelungen ist, aber ich hab es versucht. Ein Film kann nicht sofort etwas verändern, aber auf lange Sicht glaube ich schon, dass das Kino, und früher die Literatur, das Theater, die Menschheit ganz tiefgehend beeinflusst haben, seit Homer, der „Odyssee“, dem griechischen Theater.

ORF.at: Und das beeinflusst dann die Politik?

Belvaux: Ja, aber wenn die Politik etwas verändert, dann weil Kultur die Menschen zuvor so weit gebracht hat. Deswegen ist Kultur so fundamental wichtig, wir dürfen sie nicht einsparen. Auch wenn Kultur nicht unmittelbar zu Lösungen führt. Wir haben oft genug gesehen, gerade in der Geschichte des 20. Jahrhunderts, dass auch extrem kultivierte Menschen zu den fürchterlichsten Verbrechen fähig sind.

Der Nationalsozialismus ist im Deutschland der 30er Jahre groß geworden, in einer zivilisierten Gesellschaft, die auf Kultur großen Wert gelegt hat - und trotzdem sind die schlimmsten Schrecken begangen worden. Kultur schützt also nicht. Aber ich bin überzeugt, dass sie die Macht hat zu verändern, wie wir denken.

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