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Weitere Tote durch geschönte Abgaswerte

Die Hersteller haben getrickst, um die Abgaswerte ihrer Dieselautos zu schönen, Tausende Menschen zahlen die Zeche mit dem Leben. In Europa verursacht die dadurch erhöhte Stickoxidbelastung jährlich 5.000 vorzeitige Todesfälle, insgesamt sind es 10.000 allein durch Dieselabgase, wie ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung berechnet hat.

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Die Studie erschien im Fachmagazin „Environmental Research Letters“. In Österreich sind insgesamt 170 vorzeitige Todesfälle auf die NOx-Emissionen von Dieselfahrzeugen zurückzuführen, 80 davon gehen auf das Konto der geschönten Abgaswerte, so die Studie.

Dieselanteil bei Neuzulassungen in Prozent, 2000-2017 in Österreich und EU-15

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/ACEA/Statistik Austria

Experte sieht europäisches Problem

Aufgedeckt wurden die „Umgehungsstrategien“ bezüglich der Abgaswerte zwar erstmals in den USA, eigentlich handle es sich aber vor allem um ein europäisches Problem, so Jens Borken-Kleefeld vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien im Gespräch mit der APA.

Hier seien nämlich mit 100 Millionen Dieselfahrzeugen mehr als doppelt so viele auf den Straßen unterwegs wie im Rest der Welt zusammen. Die Zahl sei in Europa so groß, weil die Politik Diesel-Pkws seit Jahren etwa über steuerliche Begünstigungen des Treibstoffes unterstützt, sagte er: „Hauptargument ist hier meist, dass diese weniger CO2-Emissionen haben als benzinbetriebene Fahrzeuge.“

Auf Laborbetrieb eingestellt

Die Forscher um Jan Eiof Jonson vom Norwegian Meteorological Institute fanden in Modellberechnungen heraus, dass die Dieselfahrzeuge jährlich Grund für 10.000 vorzeitige Todesfälle in Europa sind. Würden die Autos die Abgaslimits nicht nur in den Testlabors, sondern auch im realen Betrieb auf der Straße einhalten, wären es 5.000 - also um die Hälfte weniger.

„Bei den allermeisten Fahrzeugen unterschiedlichster Hersteller sieht man, dass sie vor allem für den Laborbetrieb abgestimmt sind und außerhalb die Emissionsreinigung zurückgefahren wird“, so Borken-Kleefeld. Selbst bei geringer Geschwindigkeit und Beschleunigung wäre der NOx-Ausstoß auf der Straße vier- bis siebenmal höher als beim identen Prüfzyklus in Labors.

Italien am stärksten betroffen

„Das Ganze passiert zudem jährlich, solange diese Fahrzeuge im Einsatz sind, und das ist sicherlich zehn bis 15 Jahre lang der Fall“, sagte der Forscher. Am stärksten betroffen ist in diesem Zusammenhang Italien, das 1.250 vorzeitige Todesfälle jährlich durch die erhöhte Stickoxidbelastung verzeichnen muss, gefolgt von Deutschland (960) und Frankreich (680).

Todesfälle durch Dieselautos in Europa

Ein internationales Forscherteam hat berechnet, dass Dieselfahrzeuge in Europa jährlich bis zu 10.000 Todesfälle verursachen. Schuld daran ist der höhere Stickoxidausstoß von Dieselfahrzeugen gegenüber Benzinern.

Stickstoffoxide schädigen die Lunge, führen zu Bronchitis und tragen entscheidend zur Entstehung von Feinstaub sowie bodennahem Ozon bei, das ein starkes Reizmittel für die Atemwege ist. Sie erhöhen das Risiko zum Beispiel für Schlaganfälle, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenkrebs.

Wien mit „relativ guter Luftqualität“

In Österreich fahren mehr als 70 Prozent der Pkws mit Diesel. Dass das Land bei den vorzeitigen Todesfällen trotzdem nur knapp über dem europäischen Schnitt liegt, sei vor allem auf das günstige Klima zurückzuführen, so Borken-Kleefeld: „Wien etwa als größtes Ballungszentrum ist sehr windig. Deshalb haben wir hier eine relativ gute Luftqualität trotz der hohen Bevölkerungsdichte" - mehr dazu in science.ORF.at.

Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) betonte, er wolle den Verkehr „sauber“ machen, und wiederholte sein Ziel, dass ab 2030 nur noch Neuwagen, die keine Schadstoffe ausstoßen, angemeldet werden dürfen. Die grüne Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek dagegen forderte Leichtfried und die gesamte Regierung auf, den „Kuschelkurs mit der Autolobby unverzüglich zu beenden“, und nannte fünf Punkte, darunter die Nachrüstung der Hardware von Diesel-Pkws.

Schwere Kritik an deutschen Autoherstellern

Autohersteller lassen sich für Verbesserungen offenbar Zeit. In Deutschland ist die Abgasnorm Euro-6d seit Anfang September bei Dieselneuzulassungen verpflichtend. Dennoch wurde nach Informationen der Grünen im deutschen Bundestag noch kein einziges Auto dieser Norm zugelassen.

Euro-6d ist die erste Abgasnorm, bei der die Grenzwerte für Stickoxide nicht nur auf dem Prüfstand im Labor, sondern auch im Straßenverkehr erfüllt werden müssen. Die Straßentests sind seit September dieses Jahres für alle neuen Fahrzeugtypen verpflichtend - für alle neu zugelassenen Fahrzeuge dann ab dem 1. September 2019.

„Leider typisch“

„Nach meinen Informationen ist nicht eine einzige Typenzulassung für Euro-6d-Fahrzeuge beim Kraftfahrtbundesamt beantragt worden“, sagte der Vizevorsitzende der grünen Fraktion, Oliver Krischer, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Montag. „Die Automanager reden von nichts anderem als von diesen Euro-6d-Fahrzeugen. Aber man kann sie nicht kaufen, nirgendwo.“ Krischer kritisierte, das sei „leider typisch“ für die Autoindustrie. „Viele Ankündigungen, viele Versprechen - aber am Ende bleibt wenig bis gar nichts übrig.“

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