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Geduldsprobe für 65.000 Anwohner

Eine gefährliche Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg ist in Frankfurt nach stundenlanger Arbeit erfolgreich entschärft worden. Das teilte ein Sprecher der Polizei am Sonntagabend mit. Die Evakuierung der Sperrzone und die Entschärfung selbst waren jedoch komplizierter als angenommen und hatten erhebliche Zeitverzögerungen nach sich zogen.

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„Es ist geschafft“, teilte die Polizei am Sonntagabend nach einem beispiellosen Einsatz mit. Die Erleichterung unter den Bombenentschärfern sie „noch größer wie groß“, so der Leiter des Kampfmittelräumdienstes beim Regierungspräsidium Darmstadt, Dieter Schwetzler. „Es passte alles, jeder Handgriff hat gesessen.“

Wegen der starken Sprengkraft der Bombe war eine Sperrzone mit einem Radius von eineinhalb Kilometern rund um den Fundort der Bombe eingerichtet worden. Rund 65.000 Menschen waren aufgerufen, diesen Bereich vorübergehend zu verlassen. Mehrere tausend Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisation waren an Räumung und Sicherung der Sperrzone beteiligt - es war die größte Evakuierungsaktion in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Entschärfung mit Hindernissen

Die Entschärfung erwies sich dann als komplizierter als gedacht und zog sich über mehrere Stunden hin. Zwar war es den Experten zunächst gelungen, alle drei Zünder der mit 1,4 Tonnen Sprengstoff ausgestatteten Bombe zu entfernen. Aber bei zweien hätten die „Detonatoren“ nicht mitentfernt werden können - „und die sind höchst empfindlich“, so Schwetzler. Daher mussten die Sprengkapseln gesondert ausgebaut werden, wozu wiederum andere Geräte nötig gewesen seien.

Leere Straßen in Frankfurt

APA/AP/Andreas Arnold

Menschenleere Straßen rund um den Fundort der Bombe

Die Bombe wurde nach der Entschärfung an der Fundstelle im Westend auf einen Laster verladen. Sie soll nun nach Niedersachsen gebracht werden. In einem Spezialbetrieb werde sie zerlegt, erklärten die Fachleute. Die Hülle werde zersägt, der Sprengstoff verbrannt.

Die Rückkehr der Menschen in ihre Wohnungen stockte zunächst. Nachdem der unschädliche Sprengkörper zum Abtransport auf einem Lkw verladen war, brachten Rettungskräfte zunächst Kranke und Alte zurück. Parallel nahmen Busse und U-Bahnen im Sperrgebiet wieder den Betrieb auf. Nach und nach rollte auch der Verkehr auf den Straßen wieder an.

Beginn mit Verzögerungen

Die Entschärfung selbst hatte mit rund zweieinhalb Stunden Verspätung begonnen, weil sich Menschen länger als erlaubt in dem gesperrten Bereich aufhielten. Zum Teil waren noch Menschen in ihren Wohnungen. Frankfurts Feuerwehrchef Reinhard Ries sprach von einer Mischung aus „Ignoranz und Dummheit“. Rettungskräfte, die Hilfsbedürftige aus der Sicherheitszone brachten, hätten Anwohner winkend am Fenster gesehen. Das sei „unverschämt“. Eine Person musste nach Angaben von Polizeichef Gerhard Bereswill in Gewahrsam genommen werden.

Anwohnerin beim Veralssen der Evakuierungszone

APA/dpa/Boris Roessler

Eine Anwohnerin verlässt die Sperrzone

Hunderte Polizisten hatten am Sonntag über mehrere Stunden geprüft, ob sich noch jemand in der Evakuierungszone aufhielt. Die Beamten hatten dafür an allen Wohnungen geklingelt. Auch ein Hubschrauber war im Einsatz gewesen. Erst am frühen Sonntagnachmittag hatte die Polizei schließlich die erfolgreiche Evakuierung gemeldet: „Frankfurt, es geht los. Die Entschärfung der Weltkriegsbombe beginnt jetzt.“

Grafik zeigt den Evakuierungsbereich in Frankfurt am Main

Grafik: Omniscale/OSM/ORF.at; Quelle: Polizei Frankfurt

Die umfangreichen Evakuierungsmaßnahmen waren schon am Samstag angelaufen. Zwei Krankenhäuser und mehrere Altenheime mussten geräumt werden. In der Sperrzone lagen zudem das Polizeipräsidium und die Gebäude des Hessischen Rundfunks. Unter anderem in zwei großen Messehallen wurden Notunterkünfte eingerichtet. Sonderbusse fuhren Sonntagfrüh von verschiedenen Stellen in der Sperrzone dorthin. Die städtischen Museen boten betroffenen Bürgern einen kostenlosen Besuch an.

„Nebeneffekte des Baubooms“

Auf Deutschland fielen während des Zweiten Weltkriegs Millionen von Bomben, längst sind nicht alle Blindgänger gefunden. Im Gegenteil, Bombenfunde würden in Zukunft noch häufiger werden, hieß es kürzlich etwa in der deutschen „Welt“ unter dem Titel „Immer mehr gefährliche Blindgänger tauchen auf“.

Die schlichte Erklärung: „Es wird fleißig gebaut und gegraben, damit steigt auch das Risiko, auf ein Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg zu treffen.“ Die Funde seine „Nebeneffekte des Baubooms“ schrieb die „Welt“ unter Verweis auf das Beispiel Hamburg, wo der Kampfmittelbeseitigungsdienst dieses Jahr schon mehrfach hatte ausrücken müssen. Laut Einschätzung der Zeitung werden auch noch in den nächsten 100 Jahren Blindgänger auftauchen.

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