Themenüberblick

Senkung der Abgabenquote bekräftigt

Als vierter Chef einer im Parlament vertretenen Partei hat sich am Montag ÖVP-Obmann Sebastian Kurz im ORF-„Sommergespräch“ mit Tarek Leitner präsentiert. Kurz steht nach wie vor hinter seinen gestellten Bedingungen für die Übernahme der Volkspartei. In den vergangenen Wochen sei noch am neuen Programm gefeilt worden, auch das sei „bewusst anders“ erstellt worden.

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Das Programm sei nicht von einigen Mitarbeitern in der Parteizentrale verfasst worden, er habe dafür mit Tausenden Menschen „Österreich-Gespräche“ geführt. Nun werde das Programm 250 Seiten umfassen, es werde „gerade fertiggestellt“. Vorgestellt werde es in drei Tranchen, damit, so Kurz, nicht einige Themen medial untergingen.

Das Wahlprogramm der ÖVP

Das Vorgehen, das Wahlprogramm Stück für Stück zu präsentieren, verteidigte Kurz.

Zwölf bis 14 Milliarden für niedrigere Abgabenquote

Kurz skizzierte im Gespräch auch, wie er das Ziel realisieren will, bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode zwischen zwölf und 14 Milliarden Euro einzusparen. Er bekräftige zunächst das Vorhaben, kurzfristig die Abgabenquote und langfristig auch die Schuldenquote Österreichs zu senken.

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP)

ORF/Hans Leitner

Der ÖVP-Chef nannte drei Felder: Zunächst wolle er für ein stärkeres Wirtschaftswachstum sorgen, dass sei die beste Möglichkeit für mehr Steuereinnahmen. Zweitens sei sicherzustellen, dass die Ausgaben nicht stärker steigen als die Inflation. Bei zwei der drei Punkte gehe es also gar nicht um Einsparungen an sich, stellte Kurz fest. Tatsächliche Kürzungen sieht er dann im dritten Bereich vor, etwa bei Förderungen und bei der „Zuwanderung ins Sozialsystem“ und „Flüchtlingskosten“.

Senkung der Abgabenquote

Kurz versuchte im „Sommergespräch“ zu erklären, wie er die nötigen Milliarden zur Senkung der Abgabenquote hereinholen will.

Sparen, aber wo?

Ein bisschen unklar blieb allerdings, wo da die „großen Brocken“ sein sollen, zumal ein Großteil der 20 Milliarden Euro an Förderungen in Österreich, wie Leitner hervorstrich, indirekte Förderungen im Steuersystem sind und sich der Rest vor allem im Agrarbereich findet. Kurz verwies darauf, dass er als Integrationsminister nicht wisse, welche Förderungen in diesem Bereich von Bundesländern vergeben würden. Einmal mehr nutzte er das für einen Seitenhieb auf die Stadt Wien.

Auch beim „aufgeblähten System“ der Verwaltung solle gespart werden, sagte Kurz und verwies auf kommende Details im Programm. Experten hätten ihm jedenfalls bescheinigt, dass seine Pläne „ambitioniert, aber schaffbar“ seien. Und schließlich hätten andere Länder gezeigt, dass das möglich sei, so Kurz.

Parteispenden: Transparenz als Ein und Alles

In Sachen Parteispenden für den Wahlkampf meinte Kurz, Transparenz sei das Wichtigste: „Das Problem ist immer dann vorhanden, wenn es nicht transparent ist.“ Einen Interessenkonflikt bei Großspendern sieht der ÖVP-Chef nicht. Politische Wünsche würden jedenfalls nicht erfüllt, versprach Kurz schließlich, nachdem er mit einem Seitenhieb auf die SPÖ gemeint hatte, problematisch sei es, wenn die Regeln nicht eingehalten würden oder mit Vereinskonstruktionen umgangen werden könnten. Die Zuwendungen bei der ÖVP setzten sich jedenfalls zu 90 Prozent aus Kleinstbeträgen zusammen, alle Spenden über 3.500 Euro dürften nicht anonym sein und würden auf der Homepage veröffentlicht. Eine Spendenobergrenze könnte man vereinbaren, überhaupt könne er auch mit weniger Geld für die Parteien leben.

Regeln und Spenden für den Wahlkampf

Kurz zeigt sich gesprächsbereit bei Regeln zu Parteispenden - zunächst will er aber die geltenden Regeln einhalten.

„Internationaler Blick“ bei Flüchtlingsfrage

Angesprochen auf die christlich-sozialen Werte in der ÖVP verwies Kurz darauf, dass sich jedes Mitglied in einer Gesellschaft einbringen und seinen Beitrag leisten solle - statt „immer nur auf den Staat zu warten“. Es gehe darum, füreinander da zu sein, das gelte in der Familie, aber auch in der Gesellschaft, sagte Kurz mit Verweis auf viele Menschen, die ehrenamtliche Tätigkeiten verrichteten.

"ORF-Sommergespräche" mit Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP)

ORF/Hans Leitner

In Sachen Flüchtlinge habe er als Außenminister einen anderen Blick als jene ÖVP-Größen wie Ferry Maier, der als ehemaliger Flüchtlingskoordinator fehlende christlich-soziale Ansätze in der Volkspartei kritisiert hatte. Das sei ein „österreichlastiger“ Blick, er habe einen internationaleren Blick durch seine Tätigkeit als Außenminister. In den Krisenregionen verstärkt zu helfen sieht Kurz als christlich-sozialen und nachhaltigen Ansatz. Er verwies auf die Mittelaufstockung beim Auslandskatastrophenfond und der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit.

Kritik an Polen und Ungarn

Noch nicht konkret sind die Pläne des Außenministers für den Fall, dass die EU das Aussetzen des Schengen-Abkommens im November nicht mehr verlängert und Grenzkontrollen innerhalb der Union nicht mehr gestattet sein werden. Es brauche jedenfalls Grenzkontrollen, solange „Flüchtlingsströme“ in Bewegung seien. Die Schuld für die Entwicklung sieht Kurz bei denen, die sich für offene Grenzen eingesetzt hätten. Ein Europa ohne Grenzen sei nur mit funktionierenden Außengrenzen möglich.

Notwendigkeit von Grenzkontrollen

Grenzkontrollen sieht Kurz weiter als Notwendigkeit.

Durchaus mahnende Worte fand er für die „negativen Entwicklungen“ in Polen und Ungarn. Auf die Kritik, dass er sich zu wenig zu Wort melde, sagte Kurz, er spreche regelmäßig mit ungarischen und polnischen Kollegen und trage das nicht medial aus. Die Entwicklung in Sachen Rechtsstaatlichkeit seien „besorgniserregend“, seine Sprache dazu sei aber nicht so martialisch wie die anderer. Dass die EU hilft, auf die beiden Staaten Druck auszuüben, sei jedenfalls gut.

Keine Festlegung auf Verhältnis zur SPÖ

Zum Verhältnis zur SPÖ und zur Möglichkeit einer weiteren Zusammenarbeit wollte sich Kurz nicht festlegen. Zuerst müssten die Wähler ihre Entscheidung treffen. Im Wahlkampf habe man sich jedenfalls für einen neuen politischen Stil entschieden: „Wir greifen die anderen nicht an.“ Das Ende der Koalition sieht Kurz aber weiterhin als logischen Schritt: Er habe jahrelang nur Minimalkompromisse erlebt, in der Koalition habe man sich gegenseitig keine Erfolge gegönnt.

Kurz betonte auch, dass eine Regierungsspitze gewählt sein sollte: „Die letzten Regierungspolitiker, die in Spitzenfunktionen gewählt wurden, waren Faymann und Spindelegger.“ Und man sei ohnehin in einer Art Dauerwahlkampf gewesen. Dass die ÖVP im ersten Halbjahr mit 2,1 Millionen Euro doppelt so viel Geld für Wahlwerbung ausgegeben hat wie SPÖ und FPÖ, sieht Kurz nicht in seiner Verantwortung.

Von Mitterlehners Rücktritt „überrascht“

Dass er die Übernahme der ÖVP schon länger geplant habe, bestritt Kurz: Vom Rücktritt seines Vorgängers an der Parteispitze, Reinhold Mitterlehner, sei er überrascht worden und habe erst eine halbe Stunde vor der Pressekonferenz davon erfahren. Frühere Spekulationen der Medien, dass er die Partei übernehmen könnte, habe er beobachtet.

Vieles, was nun als neu erscheine, habe man schon länger verwendet: Etwa die Parteifarbe Türkis habe er persönlich schon im vergangenen Wahlkampf gewählt. Er habe in der ÖVP „so viel miterblebt“, dass er genau gewusst habe, was falsch läuft, so Kurz über den Obmannwechsel. Die Veränderung sei jedenfalls notwendig gewesen - und er wolle die Linie vorgeben.

Vorbereitungen auf die Liste Kurz

Die Verantwortung als Parteiobmann wollte Kurz nur unter seinen Bedingungen übernehmen.

In der ZIB2 gaben wie schon nach den „Sommergesprächen“ davor, zwei geladene Journalisten eine erste Einschätzung zum Auftritt ab. Isabelle Daniel von „Österreich“ ortete bei Kurz den Versuch, sich nicht zu wiederholen und thematisch in die Breite zu gehen. Kurz benehme sich wie ein Amtsinhaber, analysierte Andreas Koller von den „Salzburger Nachrichten“. Er bleibe aber oft im Problemaufriss stecken und bei den Lösungen unkonkret.

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