„Chancen nicht mehr sehr hoch“
Trotz der großangelegten Suchaktion nach acht Vermissten - darunter ein steirisches Ehepaar - nach dem großen Bergsturz im Bündner Bondasca-Tal in der Schweiz schwinden die Hoffnungen, die Wanderer lebend zu finden - insbesondere, weil sich Freitagnachmittag ein weiterer Erdrutsch ereignete.
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Die Erdmassen erreichten am Freitagnachmittag Teile des Dorfes Bondo im Südosten der Schweiz, wie die Kantonspolizei von Graubünden mitteilte. Die Hoffnung auf eine Rettung der vermissten Wanderer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz schwanden dadurch. Zwei Tage nach einem ersten Erdrutsch waren etwa 120 Rettungskräfte seit der Früh mit Hubschraubern, Infrarotkameras, Handyortungsgeräten und Suchhunden im Einsatz. In der Nacht war die Suche zunächst aus Sicherheitsgründen unterbrochen worden.
Staubwolke über dem Berg
Am Freitagnachmittag hätten sich erneut Erd- und Gesteinsmassen gelöst und Teile von Bondo erreicht, erklärte die Kantonspolizei. Nach dem ersten Bergrutsch zurückgekehrte Einwohner seien daher aus Sicherheitsgründen erneut fortgebracht worden.
Wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP schilderte, stieg am Freitag plötzlich eine Staubwolke über dem Berg auf. „Minuten später sah ich einen Fluss aus Matsch auf das Dorf niedergehen.“ Danach reichten die Erdmassen bei einigen Häusern bis zum Dach.
Sowohl der Sprecher der Kantonspolizei, Roman Rüegg, als auch die Schweizer Präsidentin Doris Leuthard, zeigten sich pessimistisch, noch Überlebende zu finden. „Mit jeder Stunde steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die acht vermissten Personen tot sind“, sagte Leuthard bereits am Donnerstag.

APA/AFP/Miguel Medina
Die Retter sind mit Hubschrauber und Hund unterwegs
Weitere Felsstürze nicht ausgeschlossen
Das Unglück hatte sich Mittwochfrüh in der Region Val Bondasca im Kanton Graubünden ereignet. Vom Berg Piz Cengalo stürzten Gesteinsmassen in ein Tal hinter dem Dorf Bondo. Dadurch wurden Erdmassen bis zu der Ortschaft geschoben. Die Ortschaft wurde evakuiert, etwa hundert Menschen wurden in Sicherheit gebracht. Experten schlossen weitere kleinere Felsstürze im Bondasca-Tal nicht aus. Noch immer seien eine Million Kubikmeter des Piz Cengalo in Bewegung.
Weniger als eine Stunde vor Bergsturz aufgebrochen
Die Vermissten stammen aus Deutschland, der Schweiz und eben auch aus Österreich. Sie waren nach Angaben schweizerischer Medien am frühen Mittwochvormittag von der Sciora-Hütte in 2.118 Metern Seehöhe aufgebrochen. Die Hütte befindet sich an einem Hang am Fuß der Sciora-Gruppe, zu der auch der Piz Cengalo gehört. Zwei der Wanderer wollten zur Hütte Sasc Fura, die anderen ins Tal und nach Hause, sagte Hüttenwart Reto Salis schweizerischen Medien. Das war weniger als eine Stunde bevor sich eine Bergspitze vom Cengalo-Massiv löste.
Suche nach Vermissten
Am Freitag ist die Suche nach den acht Vermissten weitergegangen. Das vermisste österreichische Ehepaar stammt aus der Steiermark. Sechs Wanderer aus Deutschland und der Schweiz sind ebenfalls noch abgängig.
Wanderwege waren als gefährlich eingestuft
Die ersten Bewohner konnten unterdessen am Freitag wieder in ihre Häuser zurückkehren. Teile des Orts seien aber nach wie vor gesperrt, sagte Gemeindepräsidentin Anna Giacometti. Die betroffenen Einwohner könnten daher erst in den kommenden Tagen oder Wochen wieder in ihre Häuser einziehen.
Die Wanderwege in der Region waren laut Giacometti bereits Mitte August als gefährlich eingestuft worden. „Wir haben viersprachige Tafeln im Dorf aufgestellt“, sagte sie der Zeitung „Blick“. Auch am Eingang des Tales sei auf die Gefahren hingewiesen worden.

APA/Keystone/Gian Ehrenzeller
Vier Millionen Kubikmeter Schlamm und Gestein schoben sich an Bondo vorbei
„Das war der größte Bergsturz der letzten Jahrzehnte“, sagte Martin Keiser vom Amt für Wald und Naturgefahren. Rund vier Millionen Kubikmeter Gestein hatten sich am Mittwoch vom 3.369 Meter hohen Piz Cengalo gelöst und waren zu Tal gedonnert. Die Gesteinsmenge entspricht fast zwei Cheops-Pyramiden. Erst im Laufe des Mittwochabends wurde das ganze Ausmaß des Unglücks erkannt.
Riesige Staubwolke stieg zuerst auf
Über dem Bergdorf Bondo stieg zunächst eine riesige Staubwolken auf. Anschließend schoben sich Geröll- und Schlammmassen direkt auf den Ort am Talschluss zu. Nach Angaben der Polizei wurden zwölf landwirtschaftliche Gebäude, darunter Scheunen und Ställe, zerstört oder beschädigt. Allein die Druckwelle der Gerölllawine knickte viele Bäume um.

APA/Keystone/Giancarlo Cattaneo
Die graue Geröllmasse reichte bis zu den Häusern
Der Bergsturz am Piz Cengalo war so gewaltig, dass die Erdbebenwarte in Zürich Erschütterungen der Stärke drei auf der Richterskala registrierte. „Man kann sich vorstellen, was es da für Kräfte braucht, um ein solches Erdbebenszenario auszulösen“, so Mittner.
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