Themenüberblick

„In vielen Punkten derselben Ansicht“

Der französische Präsident Emmanuel Macron will noch vor Jahresende eine Initiative ergreifen, um „Europa neu zu gründen“. Das sagte er am Mittwoch nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) in Salzburg. Das Gespräch mit „meinem Freund, Christian“, wie Macron sagte, habe ihn darin „bestärkt“, sagte Macron, weil die beiden „in vielen Punkten derselben Ansicht waren“.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

„Wir brauchen eine Roadmap für eine Neugründung“, sagte Macron, der derzeit die Sommertage für eine kleine „Europatournee“ nutzt und erstmals Österreich besuchte. Am Donnerstag reiste er nach Bulgarien und Rumänien weiter. Auf seiner Tour will er vor allem für eine Reform der Richtlinie zur Entsendung von Arbeitnehmern werben.

Kompromiss zur Entsenderichtlinie bis Oktober

Macron und Kern einigten sich mit ihren tschechischen und slowakischen Amtskollegen Bohuslav Sobotka und Robert Fico auf einen Kompromiss zur Entsenderichtlinie bis zum EU-Gipfel im Oktober. Die derzeitige Regelung zur Entsendung von Arbeitnehmern in ein anderes EU-Land sei „Verrat am Geist Europas“, sagte Macron.

Macron-Kern: Einheitliche Positionen bei EU-Themen

Bei dem Treffen zwischen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) ging es vor allem um Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik in der EU. Beide Länder vertreten einheitliche Positionen.

Der europäische Binnenmarkt und die Personenfreizügigkeit seien nicht geschaffen worden, um jenen zu helfen, die die niedrigsten Sozialstandards haben. Das würde zudem den Populismus anheizen. „Für gleiche Arbeit soll der gleiche Lohn gezahlt werden“, sprachen sich Macron und Kern gleichzeitig gegen Lohn- und Sozialdumping aus. Die Entsendung solle nur ein Jahr lang dauern und die Kontrollen verstärkt werden. „Frankreich und Österreich sind hier ganz auf derselben Linie“, betonte der Präsident.

Für Kern geht es um „soziale Fairness“

Kern sagte, es gehe um „soziale Fairness“. Und es sei „unbefriedigend“, dass es seit März des vergangenen Jahres in der Frage der Entsenderichtlinie keine Fortschritte gebe. Er sehe die Gefahr, dass Lohnniveau und Sozialstandards in Österreich untergraben würden. Wichtig sei nun, Details zu klären: die Entsendungsdauer, die Berechnung der Entgelte und auch die Sicherstellung, dass Strafen auch exekutierbar sind.

Bundeskanzler Christian Kern und der französische Präsident Emmanuel Macron

APA/AFP/Bertrand Guay

Macron (links) sprach Kern als „mein Freund, Christian“ an

Die Zahl der Entsendungen steigt ständig. Etwa zwei Millionen sind es jährlich nach EU-Angaben. Nach Österreich gab es 2015 rund 150.000 Entsendungen, im Vorjahr waren es 166.000 und im ersten Halbjahr 2017 bereits rund 90.000. Gegen den derzeitigen Vorschlag zur Reform der EU-Entsenderichtlinie bläst Gegenwind aus osteuropäischen EU-Ländern, die eine Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt befürchten.

Sobotka und Fico sagten am Mittwoch aber unisono, dass sie gegen das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ nichts einzuwenden hätten. Allerdings müsse das reziprok gelten und das Lohnniveau in Europa angeglichen werden: Französische und österreichische Unternehmen zahlen in Tschechien „30, 40 Prozent weniger als in ihren Heimatländern“, so Sobotka. Fico wiederum erklärte, dass auch die Slowakei Gesetze gegen Sozialdumping beschließen werde, weil sie Arbeitsmigration aus Nicht-EU-Ländern fürchte.

„Europa muss seine Bürger schützen“

Macron sprach seine europapolitischen Vorschläge hinsichtlich des Kampfes gegen Sozialdumping, Steuerharmonisierung, die Notwendigkeit von besserer Kooperation, ein eigenes Budget für die Euro-Zone sowie ein Parlament für die Euro-Länder an. „Europa muss seine Bürger schützen“, betonte Macron und meinte damit unfaire Wirtschaftspraktiken ebenso wie den Schutz vor Terrorismus. Hier gäbe es die Notwendigkeit, die Kooperation zu verstärken. Die Sicherheitsdienste müssten besser zusammenarbeiten.

Robert Fico, Emmanuel Macron, Christian Kern und Bohuslav Sobotka

APA/AP/Kerstin Joensson

Bohuslav Sobotka, Christian Kern, Emmanuel Macron und Robert Fico (v. r.)

Macron will auch in der Flüchtlingspolitik Fortschritte bis Ende des Jahres sehen: beim Schutz der Außengrenzen sowie einer gemeinsamen Asylpolitik. Fico sagte zu, solidarisch sein zu wollen. Allerdings sei es „unmöglich, die Asylpolitik auf dem Fetisch der Quoten aufzubauen“. Die Slowakei lehnt verpflichtende Verteilungsquoten für Flüchtlinge ab.

„Alle sollen teilnehmen können“

Was die Neugründung Europas betrifft, so betonte Fico, dass die Slowakei Teil eines Kerneuropas sein wolle. „Die Slowakei bewirbt sich um einen Platz am Tisch“, sagte er. Sobotka erwähnte das Interesse daran, die Gräben zwischen Euro-Mitgliedern und Nicht-Euro-Ländern wie Tschechien nicht zu groß werden zu lassen. Macron antwortete: „Ich möchte, dass alle daran teilnehmen können.“ Es dürfe jedenfalls nicht sein, dass jene EU-Länder, die voranschreiten wollen, von anderen blockiert werden.

Der französische Präsident Emmanuel Macron mit Ehefrau Brigitte Macron und Bundeskanzler Christian Kern mit Ehefrau Eveline Steinberger-Kern

APA/BKA/Andy Wenzel

Bundeskanzler Christian Kern und Ehefrau Eveline Steinberger-Kern (rechts) mit ihren französischen Gästen Emmanuel und Brigitte Macron im Mirabellgarten

„Guter Vorwand“ für einen Musikliebhaber

Der französische Präsident erwähnte die Kultur, Bildung und Ausbildung. Ab September gebe es 1.200 zweisprachige Klassen in Frankreich und damit einen Rekord an französischen Schülern, die Deutsch lernen. Die Kultur war auch einer der Hauptgründe für den Besuch des französischen Präsidenten in Salzburg. Er freue sich sehr, bei den Salzburger Festspielen zu sein, sagte Macron.

„Für alle Musikliebhaber ist das ein einmaliger und guter Vorwand, hierherzukommen“, so der französische Präsident. Am Abend besuchten Macron und Kern mit ihren Ehefrauen ein Klavierkonzert mit Martha Argerich und Daniel Barenboim. Am Nachmittag waren für Brigitte Macron und Eveline Steinberger-Kern Salzburger Sehenswürdigkeiten und Mozartkugeln auf dem Programm gestanden.

Links: