Themenüberblick

Filetierung der Airline wird verhandelt

Nach dem Insolvenzantrag der Fluglinie Air Berlin gehen die Sanierungsbemühungen für die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft weiter. Vorstandschef Thomas Winkelmann verhandelt mit der Lufthansa und weiteren Interessenten über einen Verkauf von Teilen der Airline. Der Flugbetrieb ist durch einen Kredit der deutschen Regierung noch für etwa drei Monate gesichert.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Air Berlin mit ihren rund 8.600 Beschäftigten schreibt seit Jahren Verluste und hielt sich hauptsächlich durch Finanzspritzen ihres Großaktionärs Etihad noch in der Luft. Am Freitag drehte die nationale Airline der Vereinigten Arabischen Emirate den Berlinern aber den Geldhahn zu. Deutsche Medien erwarten eine Totalzerschlagung und das Aus der Marke Air Berlin.

Auch Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann rechnet nicht damit, dass die Marke der insolventen Fluggesellschaft erhalten bleibt. „Aus heutiger Sicht ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass die Marke Air Berlin verschwindet“, sagte Winkelmann den Zeitungen „Bild“ und „B. Z.“ (Donnerstag-Ausgaben).

Verhandlungen laufen

Die Lage bei Air Berlin hatte sich seit Ende März verschärft. Mit der Umstellung auf den Sommerflugplan häuften sich Flugausfälle und Verspätungen. Man sei „zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Air Berlin PLC keine positive Fortbestehensprognose mehr besteht“, hieß es in einer Air-Berlin-Pflichtmitteilung an die Börse.

Air Berlin verhandelt nach eigenen Angaben mit der Lufthansa „und weiteren Beteiligten“ über den Verkauf von Teilen des Unternehmens. Laut Winckelmann sind zwei weitere Airlines bei den Verhandlungen um den Kauf von Air-Berlin-Teilbereichen beteiligt.

Der Unternehmenschef zeigte sich zudem optimistisch, dass der Großteil der Air-Berlin-Arbeitsplätze gerettet werden könne: „Wir kämpfen um jeden Job.“ Auch die deutsche Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) äußerten sich zuversichtlich. Lufthansa teilte mit, man wolle die Verhandlungen zu einem schnellen und positiven Ergebnis führen.

Alle Hoffnungen liegen bei Lufthansa

Um welche Unternehmen es sich bei den „weiteren Beteiligten“ handelt, wurde nicht mitgeteilt. Am Abend bekundete der Reiseveranstalter Thomas Cook mit seiner Ferienflugtochter Condor Interesse an einer „aktiven Beteiligung an der Zukunft von Air Berlin“. Ein Teil der Thomas-Cook-Reiseveranstalter-Gäste werde mit Air Berlin und ihrer Tochter Niki in den Urlaub geflogen. Niki könnte Teil von Eurowings werden, wurde am Mittwoch kolportiert.

Die Hoffnungen liegen vor allem aber auf der Lufthansa, die seit Längerem über die Übernahme von Teilen von Air Berlin verhandelt. Auch mit der Billigfluglinie easyJet gebe es Gespräche, sagte ein Insider zu Reuters.

Konkrete Aufteilungspläne

Medienberichten zufolge ist die Lufthansa bereit, große Teile von Air Berlin zu übernehmen. Damit das Kartellamt dem Deal zustimmen könne, könnte easyJet den Rest übernehmen, heißt es. Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt, dass als ausgemacht gelte, dass die Lufthansa jene 38 Maschinen nimmt, die von ihr derzeit schon geleast werden.

Um wie viele Maschinen es geht, hängt nicht nur von diesen Verhandlungen mit den Leasinggesellschaften ab, denen die Flugzeuge gehören, sondern auch von den Wettbewerbshütern. Laut „SZ“ hält die Lufthansa bis zu 80 zusätzliche Jets für genehmigungsfähig. Für easyJet würden dann noch etwa 20 bleiben. Denkbar wäre, dass es am Ende aber mehr für easyJet werden. Dem Bericht zufolge ist auch nicht ausgeschlossen, dass nicht alle Maschinen dauerhaft unterkommen werden.

Verkehrsrechte als springender Punkt

Lufthansa will sich den Berichten zufolge vor allem die Start- und Landerechte von Air Berlin auf dem Heimatflughafen in Berlin sowie in Düsseldorf sichern. „Ziel war es, Ryanair draußen zu halten“, sagte der Insider. Nach einer Insolvenz kommen üblicherweise die Verkehrsrechte (Slots) an den Flughäfen auf den Markt. Sie wären umgehend von Konkurrenten wie dem irischen Billigflieger Ryanair aufgekauft worden, mit ziemlicher Sicherheit ohne Air-Berlin-Mitarbeiter zu übernehmen, heißt es im „Handelsblatt“.

Eine Einstellung der Flüge hätte bedeutet, dass die Start- und Landerechte als praktisch einziger verbleibender Vermögenswert von Air Berlin ihren Wert verlieren. Nun sollen die Slots verkauft werden, wobei der Erlös zur Finanzierung des Übergangskredits beitragen soll. Die Start- und Landerechte gehen nach Angaben des deutschen Verkehrsministeriums in die Insolvenzmasse ein, so die „Welt“. Die Forderungen des deutschen Bundes aus dem Bürgschaftskredit sollen Vorrang bei der Befriedigung der Gläubiger erhalten. „Die Slots sind das einzig Werthaltige. Die Ideallösung wäre, das so zu filetieren, dass nichts übrig bleibt“, sagte der Insider.

Ryanair legt Kartellbeschwerde ein

Und Ryanair läuft gerade Sturm: Nach eigenen Angaben reichte man Kartellbeschwerde gegen eine mögliche Übernahme Air Berlins durch Lufthansa eint. Ryanair habe beim Bundeskartellamt und bei der EU-Wettbewerbskommission Beschwerde eingelegt - wegen des „offensichtlichen Komplotts“ zwischen der deutschen Regierung, Lufthansa und Air Berlin, teilte das Unternehmen mit.

„Diese künstlich erzeugte Insolvenz ist offensichtlich aufgesetzt worden, damit Lufthansa eine schuldenfreie Air Berlin übernehmen kann, und dies widerspricht sämtlichen Wettbewerbsregeln von Deutschland und der EU“, teilte der Billigflieger auf seiner Website mit. Auch die Bestimmungen zu staatlichen Beihilfen würden ignoriert.

Wirtschaftsministerium hat keine Bedenken

Das deutsche Wirtschaftsministerium wies die kartellrechtlichen Bedenken Ryanairs zurück. Das sei eine „abwegige These“, denn es sei nicht so, dass am Ende eine einzige Airline Air Berlin übernehmen werde, sagte Staatssekretär Matthias Machnig (SPD) im ZDF-„Morgenmagazin“. Es werde „kartellrechtlich gar nicht zulässig sein“, dass Air Berlin von nur einer anderen Fluggesellschaft übernommen werde, so Machnig.

Die EU-Kommission will sich die deutschen Staatshilfen für Air Berlin ansehen. „Wir stehen in dieser Angelegenheit im konstruktiven Kontakt mit Deutschland“, sagte ein Sprecher der Behörde am Dienstag. Die Kommission sei immer bereit, mit den Mitgliedsländern Pläne in Einklang mit den EU-Regeln zu diskutieren. Staatsbeihilfen, die den Wettbewerb in Europa verzerren, sind laut EU-Recht verboten.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte den Übergangskredit. Zehntausende Reisende im Stich zu lassen, „weil Benzin nicht bezahlt werden kann und die Tickets verfallen, das wäre, glaube ich, nicht angemessen gewesen“, sagte Merkel. Sie erwarte nicht, dass der Steuerzahler am Ende die Rettung des Unternehmens bezahlen müsse.

Buchungslage mitentscheidend

Wie lange die Airline den Betrieb mit Hilfe des deutschen Staatskredits über 150 Mio. Euro aufrechterhalten kann, hängt von der Buchungslage ab, sagte eine mit der Lage vertraute Person. „Wenn die Passagiere nicht bei der Stange bleiben, kann es sein, dass man früher den Gürtel enger schnallen muss.“

Aus insolvenzrechtlicher Sicht muss die Zukunft von Air Berlin aber bis Ende Oktober zumindest ansatzweise klar sein. Denn die deutsche Arbeitsagentur zahlt die Löhne der 7.200 Mitarbeiter in Deutschland nur im vorläufigen Insolvenzverfahren, von August bis Oktober. Für Juli hatte Air Berlin noch selbst gezahlt. Ab November müsste die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft die Personalkosten wieder selbst stemmen.

Links: