Themenüberblick

Parteiübernahme war „mutig“

Grünen-Chefin Ingrid Felipe hat Montagabend den diesjährigen Reigen der ORF-„Sommergespräche“ fortgesetzt. Im Containerstudio vor dem Parlament stellte sie sich den Fragen von Tarek Leitner. Hauptthema waren die Turbulenzen, in die die Partei vor dem Wahlkampf schlitterte, sowie der schwierige Weg aus der Krise.

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Felipe meinte, es sei „schon mutig“ gewesen, die Partei in der „schwierigen Phase“ zu übernehmen. Man habe „wieder fast von vorne“ starten müssen. Österreich brauche die Grünen, dafür gebe es wichtige Gründe. Auch plane Felipe, die seit 26. Juni auch offiziell an der Spitze der Bundespartei steht, nicht, Tirol zu verlassen: Sie stehe den Tirolerinnen und Tiroler im Wort, aufgrund ihrer Tätigkeit als Landeshauptmann-Stellvertreterin werde sie sich weiter dort und nicht in Wien aufhalten.

„Dann werden wir eine Aufholjagd starten müssen“

Politik werde „nicht nur in Wien gemacht“, die Auswirkungen spüre man auch „stark“ in den Bundesländern, betonte Felipe. Nach der Wahl wolle man über künftige Konstellationen nachdenken, derweil funktioniere die Konstellation mit der Spitzenkandidatin für die Nationalratswahl, Ulrike Lunacek, und Klubchef Albert Steinhauser sehr gut. Eva Glawischnig habe bei ihrem Abschied aus der Politik darauf hingewiesen, wie hoch die Belastung ist, wenn alle Funktionen von einer Person erfüllt werden.

Tarek Leitner im Gespräch mit Ingrid Felipe

ORF/Hans Leitner

Felipe bei Leitner im Containerstudio vor dem Parlament - Thema waren auch die Schwierigkeiten in der Partei

Unabhängig davon befinde sich die Partei in „schwierigen Zeiten“, darum müsse man auch jetzt eine Perspektive bieten zu zeigen, dass man „krisenfest“ sei. Felipe verwies wiederum auf die Regierungsbeteiligungen der Grünen auf Landesebene, damit sei man immer noch „die erfolgreichste Grün-Partei in ganz Europa“. Angesprochen auf die schlechten Umfragewerte meinte Felipe, man werde „eine Aufholjagd starten müssen“.

Die Grünen in der Krise

In Krisen würden Chancen stecken, man müsse sich anschauen, wie die „neuen Spielregeln“ ausschauen. Trotz aller Widrigkeiten sei man die „erfolgreichste Grün-Partei in ganz Europa“.

„Abrechnungen nicht über Soziale Netzwerke“

Angesprochen auf die bei den Grünen übliche und manchmal folgenschwere Praxis der Basisabstimmungen sprach sie „von einem wichtigen Recht für die Mitglieder“. Natürlich gebe es Nachbesserungsbedarf, die Digitalisierung habe viel verändert - hier müsse man nachjustieren.

Konkret müsse man schauen, dass „jeder besser mit Niederlagen umgehen“ könne - hier spielte sie auf Peter Pilz an, der bei der Listenwahl gescheitert war und bei der Wahl mit einer eigenen Liste antritt. „Abrechnungen sollten nicht über Soziale Netzwerke stattfinden“, so Felipe. Die von Leitner in diesem Zusammenhang ins Spiel gebrachte Bezeichnung „sanfter Maulkorb“ lehnte sie ab. Mit Pilz gebe es nach wie vor eine aufrechte Gesprächsgrundlage zur politischen Zusammenarbeit, nur mit der FPÖ sei das nicht vorstellbar.

Verhältnis zu Peter Pilz und Abgrenzung zur FPÖ

Mit der Liste Pilz und allen Parteien außer den Freiheitlichen würde „Gesprächsbereitschaft“ bestehen. Mit der FPÖ sei kein „Grundkonsens“ vorhanden.

„Wer mehr fährt, soll mehr zahlen“

Es wundere sie, dass manche sagten, ihre Forderungen seien zu „realo“, andere stellten ihre Standpunkte wiederum ins „linke, progressive“ Eck, so Felipe. In der Verkehrspolitik etwa müsse man „das fossile Denken beenden“, deshalb solle man nicht an Diesel festhalten. Die von den Grünen geforderte Abschaffung der Vignette bedeute in weiterer Folge auch eine „kilometerabhängige Maut“, so Felipe - wer mehr fährt, solle auch mehr zahlen, so die Grünen-Chefin.

Tarek Leitner im Gespräch mit Ingrid Felipe

ORF/Hans Leitner

Felipe sprach sich erneut für die Abschaffung des Dieselprivilegs aus

„Kecke und freche Bilder“

Auch bezog Felipe zur Social-Media-Sujetserie der Grünen Stellung, auf der mit verbrannten Gesichtern von SPÖ-Chef Christian Kern und ÖVP-Chef Sebastian Kurz geworben wird - in Anspielung auf die grüne Forderung nach der Notwendigkeit von erneuerbarer Energie. Es handle sich um „kecke und freche Bilder“, diese seien „manchmal notwendig“ - wenn auch „gewagt“. Generell sei es aber nicht mehr als eine „lustige Darstellung“ und „Spaß in der Politik“.

Rücksichtname auf Political Correctness mache es manchmal schwieriger, manche Dinge zur Sprache zu bringen, gestand Felipe auf entsprechende Nachfrage ein. Allerdings sei das gerade in Fragen der geschlechtergerechten Sprache absolut wichtig. Gesellschaft weiterzuentwickeln sei zentrale Aufgabe der Politik - und das funktioniere auch über Sprache, das habe man auch in der Politik schon angewendet.

Über die politisch korrekte Sprache

Bei der Frage der geschlechtergerechten Sprache gehe es darum, „Frauen im öffentlichen Raum sichtbar zu machen“. Es verändere was, wenn Frauen genannt werden und nicht immer „mitgemeint“.

„Man braucht legale Fluchtwege“

Auf die Frage, wie sie in einer Verantwortungsrolle auf die Flüchtlingskrise reagiert hätte, erklärte die Grünen-Chefin, sie hätte umgehend die wichtigsten Partner, etwa Griechenland und Deutschland, eingebunden. Man hätte schon viel früher beginnen müssen, sich mit der Frage beschäftigen, wie man die Krise hätte verhindern können. Konkret sprach sie von Waffenexporten in Länder, in denen nun Krieg geführt werde. Was man jetzt brauche, seien „legale Fluchtwege“.

Sie könne die Sorge über die Frage, wie man das Zusammenleben organisieren könne, verstehen. Man müsse sich aber gegen Pauschalurteile verwahren. Generell werde Religion für politische Zwecke instrumentalisiert, so Felipe. Ein „maßgeblicher Schlüssel zur Integration“ sei Bildung. Es sei wichtig, dass Kinder voneinander lernen. Sie könne nicht verstehe, so Felipe, warum es bei Zweitsprachen Vorbehalte gebe, wenn die Familien aus bestimmten Ländern stammen. Bei Spanisch, der Sprache von Felipes familiärem Hintergrund, sei das ja auch kein Problem.

„Tiefgreifende Reform des Bundesheeres“

Zwischenzeitlich war auch das Bundesheer Thema: Es brauche eine „tiefgreifende Reform des Bundesheeres“, diese Forderung hänge auch nicht mit dem tragischen Tod eines Rekruten zusammen, betonte Felipe. Es gehe darum, die Wehrpflicht abzuschaffen, und um eine Aufwertung des Zivildienstes, auch finanziell. „So wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen“, so die Parteichefin der Grünen.

„Keine klaren Konzepte“

Die besprochenen Themen seien nicht wirklich neu gewesen, Felipe habe aber „frisch“ gewirkt, meinte „Standard“-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid in der anschließenden Analyse in der ZIB2. Interessant sei gewesen, dass sie einige Male über ihre private Umstände gesprochen habe. Für Felipe sei es aber schwierig gewesen, Themen zu verkaufen, die im Moment nicht ihre seien, so Föderl-Schmid.

Sommergespräch mit Ingrid Felipe: Expertenanalyse

Alexandra Föderl-Schmid, Chefredakteurin des „Standard“, und Gerold Riedmann, Chefredakteur der „Vorarlberger Nachrichten“, analysieren das ORF-„Sommergespräch“ mit Grünen-Chefin Felipe.

Im „Sommergespräch“ sei „die falsche Frau“ gesessen, meinte Gerold Riedmann, Chefredakteur der „Vorarlberger Nachrichten“. Felipe sei in der Bundespolitik noch nicht angekommen. „Ich hätte mir klare Konzepte erwartet, aber das war heute nicht der Fall“, so Riedmann.

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