Kosmopolitische Klangfarben
Lieder wie „Paroles, Paroles“ haben sie unsterblich gemacht: Dalida hat eine glanzvolle Weltkarriere hingelegt, ihr Privatleben war hingegen eine Katastrophe. Vor 30 Jahren beging die in Kairo geborene Diva in Paris Suizid. Jetzt widmet sich zum ersten Mal ein Kinofilm dem Leben einer Frau, die zum Mythos wurde.
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Mit dem tiefen, exotischen Timbre in der unverwechselbaren Stimme sang Dalida auf Französisch, Spanisch, Arabisch, Hebräisch, Italienisch und Deutsch - sie sprach viele Sprachen fließend. Am Ende fehlten ihr die Worte. Mit einer knappen Notiz neben ihrem Bett verabschiedete sie sich aus dieser Welt, als sie sich 1987 in ihrem Pariser Haus mit einer Überdosis Schlaftabletten das Leben nahm: „Das Leben ist mir unerträglich, vergebt mir.“
Hilfe im Krisenfall
Berichte über (mögliche) Suizide können bei Personen, die sich in einer Krise befinden, die Situation verschlimmern. Die Psychiatrische Soforthilfe bietet unter 01/313 30 rund um die Uhr Rat und Unterstützung im Krisenfall. Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen.
Die Konventionen einer Ära
Ein Leben, so rasant und tragisch, dass es Hollywood nicht dramatischer hätte erfinden können. Jetzt inszenierte Lisa Azuelos, selbst Tochter einer erfolgreichen Sängerin, das Leben des unglücklichen Superstars erstmals fürs Kino. In der Hauptrolle ist die ambitioniert agierende Sveva Alviti zu sehen.
Erzählt wird die Geschichte einer Frau, die ihrer Zeit weit voraus war. Denn, so insinuiert der Film, ihr Ungemach war auch den strengen Konventionen der Ära geschuldet, in der Dalida sozialisiert wurde. Doch wer war Dalida wirklich?

AP
Die echte Dalida
Grande Dame des Chansons
Das Schicksal nimmt im Arbeiterviertel Schuba in Kairo seinen Lauf, wo Dalida unter dem Namen Yolanda Cristina Gigliotti am 17. Jänner 1933 geboren wird. Sie ist das Kind italienischer Einwanderer zweiter Generation, ihr Vater erster Geiger an der Kairoer Oper. Als Kind besucht sie die katholische Schule, sie leidet an einer ernsten Augenkrankheit und muss eine dicke Brille tragen.
Als 1939 der Krieg ausbricht und Ägypten sich mit den Briten gegen Adolf Hitler verbündet, wird ihr Vater unter Spionageverdacht verhaftet. Aus der Haft kehrt er gebrochen zurück und verstirbt. Yolanda hilft der alleinerziehenden Mutter, arbeitet als Stenotypistin bei einer Pharmafirma, träumt jedoch von einer Hollywood-Karriere. Längst hat sich das kränkliche Mädchen zur Schönheitskönigin gemausert, erobert schließlich im Leopardenbikini mit der Nummer sieben im legendären Auberge des Pyramides den Titel Miss Ägypten und spielt einige kleine Filmrollen.
1954 geht sie nach Paris, um von dort ihre Weltkarriere als Schauspielerin zu starten. Vor allem aber wird sie als Sängerin zum Mythos. Die Franzosen nennen sie Grande Dame des Chansons, Edith Piaf adelt sie mir den Worten: „Nach mir bist du die Nächste.“ Mehr als 150 Millionen Tonträger hat Dalida bis heute verkauft.
Fazit aus über 600 Liedern: Dalida erhält elf goldene Schallplatten, sechsmal Platin und als erste Sängerin überhaupt eine Diamantschallplatte. Sie tritt in allen großen Häusern der Welt auf, vom Pariser Olympia, wo sie ihre Laufbahn begonnen hat, bis zur Carnegie Hall in New York. Ihre Karriere übersteht mehrere Jahrzehnte und Stilwechsel, selbst die Disco-Ära macht sich die Chansonniere zu eigen. Ihr Oeuvre changiert gekonnt zwischen Kunst, Kitsch und Glamour.
Ägyptens „Friedenssängerin“
Man liebt sie von Europa bis zum Nahen Osten, von Amerika bis Japan. Songs wie „Bambino“ und „Paroles, Paroles“, eine Duett mit ihrem ersten Wohnungsnachbarn in Paris, Alain Delon, werden Welthits. Mit „Am Tag, als der Regen kam“ punktet sie auf Deutsch. „Salma Ya Salama“, ein Rai-Lied auf Arabisch, bringt ihr den Ruf der „Friedenssängerin“ in Ägypten ein.
Als sie 1986 in ihrer Geburtsstadt Kairo die Premiere von „Der sechste Tag“ von Youssef Chahine präsentiert, in dem sie die Hauptrolle spielt, wird sie von den Ägyptern frenetisch gefeiert. Die Uraufführung findet in genau jenem Kino statt, in dem die junge Yolanda als Kind einst von Hollywood geträumt hat.
Nur wenige Monate später begeht sie Suizid. Denn so glanzvoll ihre Karriere ist, so katastrophal gestaltet sich ihr Privatleben. Ihre Beziehungen stehen unter einem schlechten Stern, ihre Männer begehen buchstäblich reihenweise Suizid.
Gescheiterte Beziehungen
Die erste Ehe mit ihrem Entdecker Lucien Morisse scheitert, als Dalida zum Filmfestival nach Cannes eingeladen wird und sich in einem Nachtclub auf den ersten Blick in den polnischen Maler Jean Sobieski verliebt. Trotz eines veritablen Rosenkriegs bleibt sie Morisse lebenslang verbunden, bis er sich Jahre später erschießt.
Dalida beginnt unterdessen eine heimliche Affäre mit dem Sänger Luigi Tenco. Der erschießt sich gleichfalls, als er, Dalida künstlerisch deutlich unterlegen, beim prominenten Schlagerwettbewerb von San Remo einen Misserfolg erleidet.
„Er war gerade 18 Jahr“
Die Diva wird depressiv, schockiert die Öffentlichkeit mit einem ersten Suizidversuch in einem Pariser Luxushotel, nach dem sie tagelang im Koma liegt. 1969 folgt Dalida einem Guru kurzfristig nach Indien und überlegt, ihre Karriere zu beenden. Die 70er Jahre verbringt Dalida mit dem Maler, Mimen und Sänger Richard Chanfray, im Film dargestellt von Nicolas Duvauchelle. Kurz nach der Trennung begeht auch er Suizid.
Besonders tragisch endet ihre Affäre mit einem 15 Jahre jüngeren Mann. Während ihr Lied „Er war gerade 18 Jahr“ die Hitparaden stürmt, wird sie von dem Studenten schwanger. Dalida wünscht sich nichts mehr als ein Kind - doch auch diesmal ist ihr das Glück abhold, mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden.
Neugierig auf mehr
Das Kino ist reich an tragischen Starbiografien. Umso erstaunlicher, dass Dalidas Story zunächst einmal fürs TV und erst jetzt fürs Kino adaptiert wurde. Die Regisseurin erzählt Dalidas Leben nicht linear, aber originalgetreu an den Tatsachen entlang. Der Film ist solide gefertigt und macht, was für ein Biopic Pflicht ist: neugierig auf mehr aus Leben und Werk der tragischen Schönheit. Auf emotionaler Ebene lebt das Werk vor allem von der Musik der Künstlerin.
Vendredi soir, France 3 a diffusé un documentaire sur la discographie de Dalida !
Revisionnez-le ici ➡ http://po.st/docudalida
Posted by Dalida on Montag, 15. Mai 2017
„Dalida“ zeigt, wie begrenzt der Spielraum für - vor allem weibliche - Stars noch bis vor Kurzem war. Neben heutigen Promifrauen, die deutlich jüngere Männer haben, nackt posieren oder obskuren Sekten huldigen, nimmt sich Dalidas Lifestyle bieder aus. Und doch lebte sie, aufgrund heute absurd anmutender Konventionen, in ständiger Angst, vom Boulevard als Persona non grata aussortiert zu werden. Der Film leistet so auch frauenpolitische Erinnerungsarbeit.
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