Mit seinem seichten Animationsstreifen „Emoji - Der Film“ versucht Sony Productions auf den Hype um die teils herzigen Bildsymbole aufzuspringen. Dabei wird ungehemmt Werbung für Apps betrieben, Zielgruppe: die jüngsten Smartphone-Benutzer. Schade, denn der Werdegang der Gelbgesichter würde viel guten Stoff bieten.
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Ein Leben lang nur ein einziger Gefühlsausdruck: Umso blöder, wenn man wie das gelbe Maxerl Gene in „Emoji - Der Film“ nur ein Grantlergesicht ausgefasst hat. Wer das Emoji namens Gene verschickt, kommuniziert „Meh“, was so viel wie Frust, Überdruss und Langeweile bedeutet. Aber das wahre Problem des Animationshelden liegt woanders: Er beherrscht nicht nur Mundwinkel-Nieder, sondern zeigt sich auch überrascht, happy oder neugierig, kurzum: Er ist eine Fehlfunktion.
Nachdem die Hauptfigur von Tony Leondis’ Film bei seinem ersten „Meh“-Einsatz schmählich versagt, folgt eine rasante Flucht von seiner Heimatstadt Textopolis durch bunte App-Welten wie Spotify, das Puzzlespiel „Candy Crush“ und den Tanzspaß „Just Dance Now“, Ziel: durch die „Drop Box“ in Richtung „Cloud“. Produktplatzierung passiert hier nicht mehr verschämt, sondern ist die Grundlage des jetzt schon von der Kritik unisono verrissenen Films.
In Wahrheit ist „Emoji“ ein billiger Abklatsch des charmanten Pixar-Films „Alles steht Kopf“. Ging es dort um das turbulente Gefühlsleben eines Mädchens, in dessen Schaltzentrale verschiedene Figuren wie „Freude“ und „Wut“ am Werk sind, so läuft der „Emoji“-Selbstfindungstrip nach einem altbekannten Strickmuster ab. Zu den wenigen witzigen Einfällen zählt der in den Keller des Teenagerhandys verbannte Looser-Club nie gebrauchter Emojis, wo einander Melanzani und Hydrant gute Nacht sagen.
Ecstasy und Pager
Emojis und Kommerz sind freilich nicht voneinander zu trennen. Im Jahr 1963 zeichnete der US-Grafiker Harvey Ball für eine Werbekampagne ein rundes Lachgesicht auf gelbes Papier. Zehn Jahre später begannen tüchtige Geschäftsleute aus Philadelphia das ungeschützte Icon mit dem Spruch „Have a nice day“ auf Shirts und Tassen zu drucken. Maximale Bekanntheit erreichte das Smiley durch die Mode der von Ecstasy beflügelten Acid-House-Szene. Damals entfernten viele Kaufhäuser Smiley-Produkte aus dem Angebot.
Während Emoticons, also aus Satzzeichen zusammengesetzte Gesichter und Gefühlsausdrücke, bereits im 19. Jahrhundert entwickelt wurden, stammen Emojis aus Japan. In der Heimat von Kalligrafie und Manga entwickelte Shigetaka Kurita Ende der 1990er Jahre für einen Mobilfunkanbieter die ersten 176 pixeligen Piktogramme wie Sonne, Herz und Fußball, die mit dem Pager verschickt werden konnten. Letztes Jahr hat das New Yorker Museum of Modern Art diese „Ur“-Emojis sogar in seine Sammlung aufgenommen.
Endlich auch zum Kotzen
Seit 2010 wird die rapid wachsende Zahl der Emojis weltweit vom Unicode-Konsortium geregelt – einer Arbeitsgemeinschaft, die die digitale Darstellung von Schriftsystemen vereinheitlicht und über Neuzugänge bestimmt. Diesen Juli sind wieder 56 Emojis dazugekommen, darunter eine stillende Frau, ein Zombie, ein Steak, eine Rodel und ein UFO. Ob die Welt durch das heftig eingeforderte Kotz-Emoji (ekelhaft grüner Schleim) eine bessere wird, sei dahingestellt.
So einfach die omnipräsenten Verschickbildchen wirken, bergen sie doch viel Zündstoff für Kulturkämpfe. Nach langen Debatten zählen heutzutage fünf verschiedene Hautfarben ebenso zum Repertoire wie ein Frauenkopf mit Schleier. Hautfarben und Gewaltsymbole werden in „Emoji“ nicht thematisiert, jedoch der Gender-Aspekt. Die hilfsbereite Hackerin namens Jailbreak verbirgt unter ihrer coolen Haube ein Krönchen - sie ist in Wahrheit ein Prinzessinnenemoji auf der Flucht vor dem Klischee.
Brauner Haufen als Maskottchen
Auf dem Plakat wirbt übrigens auch ein brauner Haufen namens Boop für den Film. Er trägt ein weißes Mascherl um den Hals. „Schau einmal Mama, ein Kacka!“ lautete der begeisterte Ausruf eines kleinen Buben vor der Premiere von „Emoji“. Im Film besucht Boop mit seinem Sohn das Klo - gibt es tatsächlich bereits einen großen und einen kleinen Haufen in der Emoji-Welt?
„Heute so geschmeidig“, lautet ein Kompliment an den gut gelaunten Shitcharakter. „Ich mache jetzt Trennkost“, quittiert dieser das Kompliment. „Wenn’s läuft, dann läuft’s.“ Ein Motto, das bestens zu dem schlichten Filmchen passt, der allen miesen Kritiken zum Trotz in den USA schon am ersten Wochenende passable Besucherzahlen hatte.