Die französische Leinwanddiva Jeanne Moreau ist tot. Die Schauspielerin starb im Alter von 89 Jahren in Paris, wie die AFP am Montag unter Berufung auf Moreaus Agenten meldete. Die für ihre rauchige Stimme bekannte Französin hatte in ihrer mehr als 50-jährigen Karriere in mehr als 125 Filmen gespielt.
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Wenn Moreau vor der Kamera stand, dann gab der Star mit der heiseren Stimme alles: Körper, Gedanken und Gefühle. „Ich lebe in den Filmen, in denen ich spiele. Die Rollen bewohnen mich“, erklärte Moreau vor einigen Jahren gegenüber der dpa den Erfolg ihrer einzigartigen Karriere.
Die Comedie Francaise, Frankreichs Nationaltheater, war vor Jean Vilars Theatre National Populaire die erste künstlerische Station der 1928 in Paris geborenen Tochter eines französischen Hotelbesitzers und einer Revuetänzerin aus Großbritannien. Schauspielunterricht hatte sie heimlich mit Wissen ihrer Mutter genommen. Ihr Vater wünschte sich für sie den Beruf der Englischlehrerin. Zur Muse der Nouvelle Vague machte sie 1957 der Regisseur Louis Malle mit „Fahrstuhl zum Schafott“. In die Filmgeschichte ging sie 1961 mit ihrem unwiderstehlichen Lachen in Francois Truffauts „Jules et Jim“ ein.
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Der britsche Schauspieler Albert Finney und Moreau im Jahr 1962
„Wie ein Tier“
Auch im hohen Alter war Moreau noch schauspielerisch aktiv, etwa 2005 in Francois Ozons „Die Zeit die bleibt“. Wenn Moreau spielte, dann handelte sie aus einer Art Instinkt heraus, wie sie selbst sagte, „wie ein Tier. Wer sein Leben der Kunst widmet, legt alles in sie hinein.“ Joseph Losey, einer ihrer zahlreichen Regisseure, nannte ihre Verwandlungsfähigkeit ein „Wunder“. „Sie ist eine Frau, die sich einer Unzahl von Hindernissen gegenüber sieht und sie überwindet, indem sie all ihre Fähigkeiten einsetzt.“ Der Amerikaner drehte einst mit ihr den Film „Eva“, in dem Moreau eine sexuell hörige Frau verkörpert.
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Moreau in „Mata Hari, Agent H-21“ (1964)
Entsprechend ihrer Vielseitigkeit konnte Moreau als melancholisch, unnahbar, verführerisch, unabhängig, lebensfroh, verletzlich, gerissen oder heimtückisch wahrgenommen werden - je nach Film und Drehbuch. Das Klischee der „Femme fatale“, von der Truffaut sagte, sie habe alle Attribute einer Frau und auch alle Vorzüge eines Mannes, hing jahrzehntelang an ihr. So spielte Moreau neben Louis Malle auch für Luis Bunuel, Roger Vadim, Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders, Peter Brook und Orson Welles die starke, unabhängige und verführerische Frau.
„Freiheit ist nur ein Wort“
Über ihre Rolle als Frau reflektierte Moreau stets. Während der Hochblüte ihrer Karriere sei der Blick auf die Frauen sehr männlich gewesen und habe dem Emanzipationsdiskurs der 60er und 70er Jahre entsprochen. „Die Welt um uns herum färbt auf uns ab. Velazquez hätte ‚Las Meninas‘ anders gemalt, wenn seine Welt eine andere gewesen wäre“, sagte Moreau, die sich für keine Frauenrechtlerin hielt. Sie habe vor mehr als 40 Jahren zwar das „manifeste des salopes“ (Manifest der Schlampen) unterzeichnet, sehe sich jedoch nicht als Feministin.
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Moreau 2008 bei den Filmfestspielen von Cannes
„Ich lebe auf meine Weise, ich bin unabhängig, aber nicht frei. Freiheit ist nur ein Wort, niemand ist frei. Wir sind alle Staatsbürger, es gibt Gesetze. Und wir gehorchen unserem Gesetz. Die damaligen Abtreibungsgesetze waren ein Skandal. Viele Frauen starben an den Folgen illegaler Eingriffe. Ich hätte selbst zum Opfer werden können, ich hatte zwei Abtreibungen hinter mir“, sagte Moreau.
Schauspielerin bis zuletzt
Moreau führte mitunter ein turbulentes Privatleben. So war sie u. a. mit Malle, Pierre Cardin und Peter Handke liiert. Sie habe Liebhaber gehabt wie viele andere auch, sagte sie. Die Darstellerin mit dem unvergänglichen Sex-Appeal und Charme fügte hinzu: „Die Hauptsache ist zu leben. Je mehr die Jahre vergehen, umso besser.“
Neben der Auszeichnung als beste Darstellerin in Cannes verlieh ihr das Festival 2004 auch die Goldene Palme für ihr Lebenswerk. Ein Leben ohne die Schauspielerei konnte sich Moreau nicht vorstellen. „Ich höre erst auf, wenn ich tot bin“, sagte Moreau einst in einem Interview.
Abschiedsworte von Bardot und Macron
„Jeanne war vor allem eine schöne, intelligente, verführerische Frau mit einer außergewöhnlichen Stimme und Persönlichkeit, die aus ihr eine Schauspielerin mit zahlreichen Facetten gemacht haben“, sagte Filmlegende Brigitte Bardot am Montag. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron sagte, Moreau habe das Kino in seiner „Komplexität“ und seinem „Anspruch“ verkörpert. Sie habe sich stets ihre Freiheit bewahrt und „gegen die etablierte Ordnung und die Routine rebelliert“.