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Kurzfristige Gewinne zweitrangig

Die Ankündigung Amazons im Juni, die US-Biomarktkette Whole Foods zu übernehmen, hat den Plan vorgegeben. Mit der Übernahme verfolgt man ein langfristiges Ziel: Onlinehandel und stationärer Handel sollen miteinander verschmelzen, eine ganzheitliche Einkaufswelt geschaffen werden. Der Expansionskurs geht auch auf Kosten von Gewinnen. Doch vermeintlich schlechte Quartalszahlen wie jene von Donnerstag kümmern das Unternehmen offenbar wenig.

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Relentless.com („unbarmherzig“) wollte Jeff Bezos sein Unternehmen ursprünglich nennen, als er es 1994 als Internetbuchgeschäft gründete. Die wieder verworfene Namensidee verweist aber auf ein Prinzip, dem Amazon seit seiner Gründung treu geblieben ist: unbarmherzige Expansion.

Investitionen fressen Gewinne

Das bekamen auch die Investoren von Amazon am Donnerstag zu spüren, der Gewinn des zweiten Quartals war um 77 Prozent niedriger ausgefallen als im Jahr davor, „nur“ 197 Mio. Dollar Gewinn wurden verzeichnet. Anleger sind das Auf und Ab gewohnt: Erst seit wenigen Jahren schreibt das Unternehmen überhaupt schwarze Zahlen. Für das dritte Quartal wurde bereits ein mögliches Minus von 400 Mio. Dollar prophezeit. Der Umsatz jedoch befindet sich auf einem Rekordhoch von 38 Mrd. Dollar im zweiten Quartal, ein Viertel mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Angesichts des konstant hohen Wachstums bleiben die Investoren ruhig, sie hoffen auf langfristige Renditen und verzichten auf den schnellen Gewinn. Das entspricht auch der Strategie von Bezos: Der kurzfristige Profit ist nachrangig, was zählt, ist der lange Atem. Diese Strategie manifestiert sich in den umfassenden Investitionen, die Amazon tätigt und die regelmäßig tiefe Löcher in das Budget reißen.

Wohin die Gewinne fließen

Der nächste Einschnitt in die Bilanz folgt noch: der 13,7 Mrd. Dollar teure Kauf von Whole Foods, das in den USA und Großbritannien 465 Filialen betreibt. Amazon selbst vertreibt schon länger Lebensmittel, auch ein Experiment mit Frischware gibt es. Der Finanzchef von Amazon, Brian Olsavsky, erklärte im Interview mit „CNBC“, dass man verschiedene Verkaufswege testen wolle, um auch im Lebensmittelhandel zu einem großen Player zu werden.

Auch in das Angebot des Streamingdienstes Amazon Prime, der alleine über eine Milliarde des jährlichen Umsatzes einspielt, wird investiert. In Zukunft soll es noch mehr Zusatzangebote wie etwa eigenproduzierte Filme und Serien geben.

Hoffnungsmarkt Indien

Doch das ist nicht das Ende der Expansion. Schon im Winter hatte das Unternehmen angekündigt, bis Ende 2018 weitere 100.000 Mitarbeiter weltweit einzustellen. Besonders in Asien expandiert Amazon rapide. Erst Ende März wurde das arabische Verkaufsportal Souq.com von Amazon geschluckt. Während in China Alibaba der dominante Onlinehändler ist, kämpft Amazon gerade um Indien, wo der Onlinehandel massiv wächst. Fünf Milliarden will Bezos in den nächsten Jahren in Indien investieren, berichtet „Bloomberg“.

Das hat gute Gründe: Indien ist ein riesiger Markt, und ein großer Teil der Bevölkerung entdeckt die globalisierte Wirtschaft und den Onlinehandel gerade erst. Um die Gunst der Käufer rittern aber auch zwei andere indische Anbieter, Flipkart Internet Pvt. und Snapdeal. In einem Interview mit „Fortune“ sagte Diego Piacentini, Amazon-Verantwortlicher in Indien, über die Möglichkeiten von Amazon in Indien: „Hier geht es nicht um Milliarden, sondern um Billionen von Dollar.“

Arbeit am Amazon-Universum

Amazons Kampf um das Wachstum findet aber nicht nur im klassischen Onlinehandel statt. Den Großteil seines Gewinns erwirtschaftete Amazon im vergangenen Quartal mit Cloud-Computing, also der Speicherung von Daten im Netz. Dort hat man angesichts aufholender Konkurrenz weiter investiert. Auch der Logistikbereich ist mittlerweile ein eigenständiger und lukrativer Geschäftszweig für das Unternehmen.

Außerdem wurden zahllose Services eingerichtet, die auf das langfristige Ziel von Amazon hindeuten: Online- und Offlinewelt sollen zusammengeführt werden und verschmelzen, zu einer Art Amazon-Universum, in dem alle Dienstleistungen von der US-amerikanischen Firma angeboten werden.

Eierlegende Onlinewollmilchsau

Einige Beispiele: Mit „Amazon Pay“, einem Vorstoß in den Bankensektor, wurde ein Bezahldienst eingerichtet, der in jedem Geschäft ein Zahlung per Smartphone möglich machen soll. Mit „Home Services“ kann man auch Elektriker, Putzkräfte oder Installateure über Amazon buchen. Mit „Amazon Chime“ wurde ein Onlinetool für Meetings entwickelt. Und über „Amazon Smile“ kann man seit letztem Jahr an karitative Einrichtungen spenden. Kolportiert wurde auch die Einrichtung eines eigenen Messenger-Dienstes („Amazon Anywhere“) a la Whatsapp, der wie ein Bindeglied alle Services bündeln würde. So könnte man jederzeit und überall auf das Amazon-Universum zugreifen.

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