Senioren sind sozial mobiler
2007 lag die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein verheiratetes Paar scheiden lässt, bei fast 50 Prozent und erreichte damit ihren bisherigen Höhepunkt. „Seither nimmt die Scheidensrate in Summe wieder ab“, sagt Regina Fuchs von der Abteilung Bevölkerung der Statistik Austria im Gespräch mit ORF.at. „Aber wir erleben auch einen gegensätzlichen Trend.“
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Im Vergleich zu 2007 ist die Gesamtscheidungsrate in Österreich zwar um fast zehn Prozent gesunken und lag 2016 bei 40,4 Prozent. Doch immer mehr Paare, die schon sehr lange verheiratet waren, lassen sich wieder scheiden. Dadurch verlängerte sich die durchschnittliche Dauer der geschiedenen Ehen zwischen 1981 und 2016 auch um mehr als drei Jahre - von 7,7 auf 10,9 Jahre.
Laut dem Institut für Familienforschung (OIF) hat sich der Anteil der Scheidungen, die nach 25 oder mehr Ehejahren erfolgen, von 9,6 Prozent 2004 auf 13,4 Prozent 2014 erhöht. Der Anteil der Scheidungen von Ehen ab einer Dauer von 40 Jahren hat sich nach Angaben der Statistik Austria seit 1999 fast verdoppelt. Damit erlebt auch der Singlemarkt der Älteren deutliche Zugänge.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Statistik Austria
Frauen sind heute unabhängiger
Das habe mitunter mit der stärkeren Unabhängigkeit und Erwerbstätigkeit von Frauen zu tun, so Fuchs. „Wenn ich selbst ein Einkommen habe, bin ich nicht mehr auf meinen Mann angewiesen.“ Früher war der Mann das Familienoberhaupt, er war lange Zeit überhaupt der Einzige, der Rechte hatte. Diese Familienstruktur hat sich inzwischen aufgelöst. Frauen haben an Freiheit und ökonomischer Selbstständigkeit gewonnen und somit haben sich für sie auch neue Lebensoptionen eröffnet.
Laut einer Studie des OIF aus dem Jahr 2011 gibt es grundsätzlich weniger Hemmungen, eine Ehe aufzulösen. Ein überwiegender Teil der Befragten gab an, dass Kinder kein Hindernis seien, um eine unglückliche Ehe zu scheiden. Außerdem gebe es bei der Mehrheit nicht mehr die Erwartung oder Annahme, dass verheiratete Menschen im Allgemeinen glücklicher wären.
Trend auch in Großbritannien
Ein ähnlicher Trend zeichnet sich auch in Großbritannien ab, wie das Onlineportal Quartz kürzlich berichtete. Während die allgemeine Scheidungsrate in England und Wales in den vergangenen zehn Jahren um 28 Prozent gesunken ist, blieb sie bei den über 65-Jährigen relativ konstant.
Zudem ist laut dem Nationalen Statistikamt in Großbritannien (ONS) die Heiratsrate bei Personen über 65 Jahren in den vergangenen zehn Jahren um 46 Prozent angestiegen. Mehr als 90 Prozent aller Eheschließungen waren keine Erstehen. Der Anstieg war bei Männern höher als bei Frauen, weil Männer laut ONS eher dazu neigen, jüngere Frauen zu heiraten.
Mehr Ältere heiraten
Dieser Trend zeichnet sich laut Fuchs von der Statistik Austria noch nicht in diesem Ausmaß in Österreich ab. Weil aber das durchschnittliche Erstheiratsalter heute um einiges höher liegt als vor ein paar Jahrzehnten, verschiebe sich natürlich auch hierzulande das allgemeine Heiratsalter nach hinten. In absoluten Zahlen haben sich die Eheschließungen von über 65-Jährigen seit 2005 mehr als verdoppelt. Die Anzahl stieg von 442 auf 1.043 im Jahr 2016. Das älteste Brautpaar in Österreich war laut Statistik Austria 2016 ein 83-jähriger Mann, der eine 84-jährige Frau heiratete.
Mehr Datingseiten für Seniorinnen und Senioren
Neben der längeren Lebenserwartung und dem gesellschaftlichen Wandel hat diese Entwicklung laut ONS auch mit der technologischen Entwicklung zu tun. Durch die Digitalisierung wurden ältere Menschen sozial mobiler. Im Zeitalter des Onlinedating, so das Statistikamt, ist es auch für ältere Menschen einfacher, einen Partner oder eine Partnerin zu finden.
Laut dem Pew Research Center hat sich etwa das Internetdating in den USA bei den 55- bis 64-Jährigen zwischen 2013 und 2015 von drei auf sechs Prozent verdoppelt. Auch die Singlebörsen und Datingseiten im Internet speziell für ältere Menschen haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.
Älteres Heiratsalter sorgt für weniger Scheidungen
Warum die allgemeine Scheidungsrate in den vergangenen Jahren aber zurückgeht, hat laut Fuchs mit dem höheren Erstheiratsalter zu tun. Anfang der 90er lag das mittlere Erstheiratsalter bei Männern bei 26,5 Jahren, 2016 bei 32,6. Bei den Frauen stieg es im gleichen Zeitraum um sechs Jahre: von 24,3 auf 30,3 Jahre.
Die Gründe dafür sind laut Experten vielfältig. Zum einen ist die Ehe heutzutage nicht mehr zwingend nötig, um ein quasi „normales Leben“ zu führen, der gesellschaftliche Druck wurde geringer. Außerdem haben sich die Ausbildungsprozesse verlängert, und somit hat sich auch das Heiratsalter nach hinten verschoben. An das grundsätzliche Schema der Lebensplanung - zuerst seine Ausbildung abzuschließen, danach zu heiraten und im Anschluss Kinder zu bekommen - hält sich nach wie vor der überwiegende Teil der Gesellschaft.
Weil die Menschen heute weniger überstürzt heiraten würden - aufgrund einer Schwangerschaft etwa -, so Fuchs, würde auch die Scheidungsrate zurückgehen. „Wenn man erst mit 30 heiratet, hat man sich das häufig besser überlegt.“
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