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„Erwarte Rückrufquote von 100 Prozent“

EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska hat laut Berichten der „Süddeutschen Zeitung“ und der „Wirtschaftswoche“ (Freitag-Ausgaben) im Dieselabgasskandal eine harte Drohung an die Verkehrsminister und Autohersteller gerichtet. Sollten manipulierte Fahrzeuge, etwa von VW, bis Ende dieses Jahres nicht umgerüstet sein, sollten diese ab 2018 nicht mehr fahren dürfen, heiße es in dem Brief.

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„Ich erwarte von Volkswagen eine Rückrufquote von 100 Prozent“, so Bienkowska. Sie forderte die Minister auf, verpflichtende Rückrufaktionen von VW anzuordnen. Die EU-Kommissarin kritisierte in ihrem Schreiben den VW-Konzern auch direkt. Sie habe Firmenchef Matthias Müller am 19. Juni geschrieben mit der Bitte, ihr „detaillierte Daten über den aktuellen Stand der Rückrufaktion zukommen zu lassen“, heißt es in dem Schreiben an die EU-Minister. „Bisher habe ich keine Antwort von Volkswagen bekommen.“

Vorwürfe an nationale Prüfbehörden

Zugleich werfe die EU-Kommission nationalen Prüfbehörden Versagen vor. So äußere sich Bienkowska bestürzt darüber, dass auch die neuen Verdachtsfälle bei Audi und Porsche nicht von den Aufsichtsbehörden entdeckt worden seien. Bei der Bekämpfung der Krise fordere die Brüsseler Behörde eine härtere Gangart. Ein Ende der Affäre sei nach ihrer Einschätzung noch immer nicht in Sicht.

Den Zeitungen zufolge warnt Bienkowska allerdings eindringlich vor den Folgen eines generellen Dieselfahrverbots. Politiker und Industrie könnten kein Interesse an einem „rasant kollabierenden Dieselmarkt infolge lokaler Fahrverbote“ haben: „Das würde der Industrie nur die Mittel entziehen, in emissionsfreie Autos zu investieren.“ Als Maßnahme zum Schutz der Bevölkerung schließe sie allerdings Fahrverbote nicht aus. Die Kriterien für diese müssten ihrer Ansicht nach aber EU-weit vereinheitlicht werden.

Millionen Fahrzeuge nicht umgerüstet

Der Brief birgt Sprengkraft, denn europaweit wurden allein im VW-Skandal Millionen Fahrzeuge noch nicht umgerüstet. Zwar hat VW angekündigt, bis Herbst dieses Jahres alle vom Dieselskandal betroffenen Modelle mit einem Softwareupdate umzurüsten. Für den Konzern verpflichtend ist das aber nur in Deutschland. Deutschlandweit wurden einem VW-Sprecher zufolge etwa drei Viertel der 2,5 Millionen manipulierten Autos bereits umgerüstet.

Während VW in den USA betroffenen Kunden teils hohe Entschädigungen zahlt, gibt es in der EU nicht die rechtliche Befugnis, das ebenfalls anzuordnen. EU-Justizkommissarin Vera Jourova sagte im Juni, die Union brauche „stärkere Instrumente, um schnell und effektiv auf die unfaire Behandlung von Verbrauchern reagieren zu können“. Auch müsse es effektivere Strafen für Unternehmen geben, die Verbraucherrechte missachten. „Wir müssen auch über bessere Möglichkeiten für Sammelklagen in der EU sprechen.“

Ende des Skandals nicht in Sicht

Aber nicht nur VW laboriert immer noch am 2015 aufgedeckten Dieselskandal, zuletzt hatte sich die Affäre erneut deutlich ausgeweitet. Anfang Juli wurde im Zuge von Ermittlungen zur Abgasaffäre bei der VW-Tochter Audi ein Manager festgenommen. Ihm werden Betrug und unlautere Werbung vorgeworfen. Er habe „Audi-Mitarbeiter angewiesen, Software zu entwickeln und einzubauen, mit der die standardmäßigen US-Abgastests getäuscht werden“. Am Freitag teilte Audi mit, dass 850.000 Fahrzeuge umgerüstet werden sollen.

Der ebenfalls unter dem Vorwurf der Abgasmanipulation stehende deutsche Autohersteller Daimler hatte kürzlich angekündigt, Dieselnachbesserungen bei über drei Millionen Fahrzeugen vorzunehmen. Diese sollen den Stickoxidausstoß der Wagen senken. Dabei geht es wohl auch darum, drohenden oder bereits bestehenden Fahrverboten in mehreren europäischen Städten zu entgehen. Daimler soll Medienberichten zufolge in Europa und den USA zwischen 2008 und 2016 mehr als eine Million Autos mit unerlaubt hohem Schadstoffausstoß verkauft haben.

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