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Die sanften Tricks der Markenbindung

Dass die Creme eines bestimmten Herstellers immer so typisch nach der Marke riecht, hat einen Grund. Hier ist Duftmarketing am Werk, also eine unternehmerische Maßnahme, bei der auf die enge Verbindung zwischen Düften und Erinnerung gesetzt wird. Obwohl sich Geruchsassoziationen sehr individuell gestalten, können Konzerne davon profitieren und mit Hilfe bestimmter Duftnoten ganz gezielt schöne, aber längst vergessene Erinnerungen hervorrufen und zu ihrem Vorteil nutzen. Die Basisnote muss bei jedem neuen Produkt stimmen.

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Für die einen riecht sie nach Frische, für die anderen nach Oma - unverkennbar ist sie dennoch, die weiße Creme in der runden, blauen Dose. Jeder Kunde soll wissen, diese Creme ist von Nivea. Beim Riechen soll sie mit Pflege und Geborgenheit in Verbindung gebracht werden. Ebenso sollen die Produkte von Borotalco sofort erkennbar sein. Ein süßer und frischer Duft, der an Babypuder erinnere und - ähnlich wie bei Nivea - am ehesten mit familiärer Geborgenheit assoziiert werden soll.

Bis es so weit war, mussten unzählige Studien durchgeführt werden, es wurde jahrelang geforscht. Nur so kann sichergegangen werden, dass der Markenduft für so viele Personen wie möglich als angenehm empfunden wird - und im Idealfall den Kauf des Produktes zur Folge hat.

Farbe und Architektur als Inspiration für Duft

„Bis ein neues Produkt auf den Markt kommt, kann es ein bis fünf Jahre, selten auch mal zehn Jahre dauern, je nach Technologie“, erklärt Martina Treiblmeier von Beiersdorf. Im eigenen Hamburger Hautforschungszentrum betreibt der Konzern ein Testcenter, in dem die Produkte und deren Duftkonzepte an und mit Verbrauchern und Verbraucherinnen getestet werden.

Beiersdorf habe eine eigene Fragrance-Abteilung, die zum Teil wiederum renommierte Dufthäuser beauftrage, einen passenden Geruch zusammenzustellen. „Diese basieren in der Regel auf Consumer-Insight-Wissen bis hin zu Dufttrends“, erläutert Treiblmeier. Diese Trends seien jedoch nicht leicht zu fassen - Experten würden sich dafür von Architektur über Ernährungsveränderungen und Vorlieben für Freizeitaktivitäten bis hin zu Farbpräferenzen inspirieren lassen.

Leichte Duftnoten gefragt

Als aktuelles Beispiel nennt die PR-Managerin die Sehnsucht der Menschen nach Ruhe und Meditation - Doppelbelastungen mit Job und Familie würden ein Verlangen nach einer Balance zwischen Körper und Geist auslösen. So würden bereits in Fitnesscentern auch eigene Meditationsräume entstehen, in die man sich in der Mittagspause zurückziehen könne. Dieser Trend wäre nicht nur von der Sportbekleidungsindustrie aufgegriffen worden, sondern auch von der Kosmetik.

Darauf wird mit entsprechenden Duftnoten reagiert. Allerdings entstehen dabei kaum neue Duftstoffe - bekannte Gerüche werden dabei höchstens miteinander kombiniert und dadurch neu interpretiert. Bei Deodorants beispielsweise würden Kunden Duftnoten bevorzugen, die einen erden und auch nur einen Hauch einer Duftwolke hinterlassen. Auch der Duft der klassischen Nivea-Creme ist deutlich, aber nicht zu stechend - er vereint Bergamotte, Orange, Lavendel, Rose und Flieder.

Einer Duftnote treu bleiben

Lediglich vierzehn Produkte von Nivea sind mit diesem „Grundduft“ versehen. Im Vergleich hat nur ein kleiner Prozentsatz an Produkten diesen typischen Markenduft. Der Rest wurde individuell abgestimmt, „da nicht jeder Konsument die gleichen Duftvorlieben hat“, erklärt Treiblmeier.

Anders beim italienischen Puder- und Deohersteller Borotalco. Bevor ein neues Produkt im eigenen Parfumhaus entsteht, werden die Entwickler ganz genau gebrieft: „Es muss immer die Basisnote pudrig-vanillig eingehalten werden. Denn das ist der gemeinsame Nenner unserer Produktdüfte“, so Borotalco-Sprecher und Country Manager bei Bolton Austria, Jörg Grossauer.

Es dürften auch andere Gerüche verwendet werden, aber der Grundduft aus Bergamotte, Geranie, Iris, Vanille und Moschus müsse bleiben. Obwohl der Borotalco- wie auch der Nivea-Geruch unisex seien, gäbe es dennoch sowohl bei Männern als auch bei Frauen ähnliche Geruchsvorlieben.

Zitrone für die Frau, Farn für den Mann

Während Frauen ihren Eigengeruch am liebsten mit Blumen- und Zitrusdüften übertünchen, greifen Männer zwar auch zur Zitrone, tendieren jedoch eher zu Farnduft und hölzernen Noten, wie der Beiersdorf-Konzern in Untersuchungen herausgefunden hat. „Grundsätzlich gibt es ein paar Duftrichtungen, die Frauen und Männer gleichermaßen schätzen: Das sind Orangen- und Zitrusdüfte und eben auch Vanillekomponenten“, heißt es ebenfalls vonseiten Borotalcos.

Ebenso gibt es länderspezifische Unterschiede. So bevorzugen Männer in Großbritannien eher den Minzduft, während sich die Franzosen häufiger für fruchtige Noten entscheiden.

Aktiv mit Menthol, Urlaubsfeeling mit Orange

Aber nicht nur Kosmetika- und Parfumhersteller locken und manipulieren den Kunden mit ihrer wohlüberlegten Geruchskombinationen. Der „Corporate Scent“ wird von Fitnessstudios über Gastronomie bis hin zur Medizin eingesetzt. Denn Düfte steuern unsere Emotionen.

Der deutsche Biologe, Mediziner und Geruchsforscher Hans Hatt führte zahlreiche Studien durch, die ergaben, dass beispielsweise Schokoladenduft glücklich macht, Orange an südliche Länder erinnert, Vanille erdet und mit Heimat und Keksen verbunden wird, Menthol hingegen aktiviert, die Aufmerksamkeit steigert und sogar helfen kann, konzentrierter zu arbeiten.

Einmal abgespeichert, immer aufrufbar

Außerdem ist der Geruchssinn, die olfaktorische Wahrnehmung, bereits bei der Geburt weitgehend ausgebildet. Deshalb werden bei jeder dieser Wahrnehmungen schon früh bestimmte Eindrücke abgespeichert.

Das erklärt auch, weshalb bestimmte Gerüche oft an Kindheitserlebnisse erinnern und mit bestimmten Duftnoten angezapft werden können. „Der Vanilleduft kommt bereits in der Muttermilch vor. Das heißt, wurde man gestillt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass man diesen Vanillegeruch mag. Oder man verbindet diesen Duft noch mit seinem geliebten Eis in der Kindheit“, so Grossauer.

Folglich ist es nicht verwunderlich, dass Firmen, die mit Gerüchen arbeiten, gerne zu „Allroundern“ greifen, um weit zurückliegende, meist positive Dufterinnerungen beim Riechen eines Produktes wieder hervorzurufen.

Wenn der Nachbar übel riecht ...

Leider umgibt sich nicht jeder gerne mit duftenden Noten und verzichtet auch einmal gänzlich auf Parfum und Deodorant. Eine kürzlich von Borotalco in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass mehr als 56 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen der Meinung sind, dass Bekannte und Arbeitskollegen im Sommer stark nach Schweiß riechen.

Mehr als ein Drittel der Befragten würde sich jedoch nicht trauen, das Thema anzusprechen. Eine Dufthotline, die am offiziellen Weltdufttag, dem 27. Juni, ins Leben gerufen wurde, soll Abhilfe für solche Fälle schaffen. Dort können gratis Duftpakete für unangenehm riechende Personen bestellt werden und so einen Dialog zu diesem heiklen Thema erleichtern.

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