Drei Jahre im Arbeitslager
Der chinesische Schriftsteller und Dissident Liu Xiaobo ist im Alter von 61 Jahren seiner schweren Krebserkrankung erlegen. Im Folgenden sein Lebenslauf:
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28. Dezember 1955: Liu wird in Changchun (Hauptstadt der Provinz Jilin) in Nordostchina geboren.
1969-73: Liu wird mit seinen Eltern in die Volkskommune Dashizhai in der zu China gehörenden Inneren Mongolei geschickt.
1977-82: Nach kurzer Tätigkeit als Arbeiter für eine Changchuner Baufirma Literaturstudium an der Universität von Jilin. Danach Wechsel an die Pekinger Pädagogische Universität.
1988: Doktortitel. Lius Institut in Peking wird eines der ideologischen Zentren der Demokratiebewegung. Der Schriftsteller, Literaturkritiker und Universitätsprofessor für Literatur, Philosophie und Geschichte arbeitet als Gastdozent in Norwegen, Hongkong und den USA. Wegen des „Pekinger Frühlings“ kehrt Liu dorthin zurück.
Frühjahr 1989: Liu, der sich für ein Ende der Einparteiendiktatur und für ein Mehrparteiensystem, Meinungsfreiheit und Marktwirtschaft ausgesprochen hat, tritt gemeinsam mit Studenten auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking in den Hungerstreik. Liu ist einer der letzten vier Hungerstreikenden, ehe der Platz bei der Niederschlagung der Demokratiebewegung am 4. Juni gewaltsam (Hunderte, wenn nicht Tausende Tote) geräumt wird.
26. Jänner 1991: Während sich die Welt auf die Golfkrise konzentriert, wird nach eineinhalb Jahre ohne Prozess in Haft über Liu sowie sieben weitere führende Dissidenten der Richterspruch wegen ihrer Rolle auf dem Platz des Himmlischen Friedens gefällt: Während gegen andere Aktivisten mehrjährige Haftstrafen verhängt werden, wird Liu nicht mit einer Strafe belegt. Er darf aber nicht mehr an staatlichen Instituten unterrichten. Seine Texte dürfen nicht mehr in China erscheinen und kommen in Hongkong oder anderen Ländern heraus. Später publiziert Liu auch auf Internetseiten, die von außerhalb Chinas betreut werden.
18. Mai 1995: Vor dem sechsten Jahrestag der Niederschlagung der Demokratiebewegung lässt das Regime mehrere ihrer Kritiker festnehmen, darunter Liu. Erst nach sieben Monaten, am 19. Jänner 1996, wird er wieder freigelassen.
8. Oktober 1996: Nach Hausdurchsuchungen, bei denen Schriften, Dokumente und Bücher des als freier Autor in Peking lebenden Liu sichergestellt werden, wird der Literaturkritiker zur „Umerziehung“ für drei Jahre ins Arbeitslager geschickt. Liu kommt erst drei Jahre später am 7. Oktober 1999 wieder frei.
Anfang Juni 2000: Vorübergehende Festnahme, als Liu zum elften Jahrestag des Tiananmen-Massakers die Regierung in einem Offenen Brief aufruft, den bevorstehenden Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation (WTO) auch für politische Reformen zu nutzen.
November 2003: Liu wird zum Präsidenten des chinesischen PEN-Clubs gewählt, dessen Gründungsmitglied er ist.
Ende Mai 2004: Vor dem 15. Jahrestag des Tiananmen-Massakers werden Liu und seine Frau vorübergehend unter Hausarrest gestellt.
Dezember 2004: Liu erhält den Menschenrechtspreis von Reporter ohne Grenzen für seinen „unermüdlichen Kampf für das universelle Ideal der Pressefreiheit“, wobei er mit seinen im Internet veröffentlichten Beiträgen hohe persönliche Risiken in Kauf nehme.
August 2007: Ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Peking fordern rund 40 prominente Intellektuelle Chinas in einem Schreiben an Staats- und Parteichef Hu Jintao, IOC-Präsident Jacques Rogge sowie die damalige UNO-Menschenrechtskommissarin Louise Arbour ein Ende der Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik, eine Amnestie für politische Gefangene, die Rückkehrerlaubnis für Exilchinesen, Pressefreiheit, gerechte Entschädigungen für Zwangsumgesiedelte, freie Gewerkschaften sowie ein unabhängiges Gremium zur Aufsicht über alle olympischen Finanzausgaben.
2008: Im Jahr der Olympischen Spiele weitere Aktionen für die Menschenrechte, inhaftierte Bürgerrechtler und einen Dialog mit dem Dalai Lama.
9. Dezember 2008: Nach Verbreitung der sogenannten Charta 08, ein von rund 300 Bürgerrechtlern zum 60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen unterzeichneter Appell für Demokratie und Freiheit in der Tradition der tschechoslowakischen Charta 77, wird Liu wegen „Untergrabung der Staatsgewalt“ festgenommen. Der Charta treten später Tausende bei.
23. Juni 2009: Gegen Liu wird Anklage erhoben, er soll sich durch Diffamierung der Regierung und Verbreitung von Gerüchten eines Umsturzversuches schuldig gemacht haben.
25. Dezember 2009: Nach nur einem Prozesstag unter Ausschluss der Öffentlichkeit wird Liu zu elf Jahren Haft verurteilt - internationale Bestürzung ist die Folge.
3. Februar 2010: Der Schriftsteller, ehemalige Dissident und spätere tschechoslowakische Präsident Vaclav Havel schlägt Liu für den Friedensnobelpreis vor.
11. Februar 2010: Nachdem Liu Berufung einlegte, bestätigt ein Gericht das elfjährige Hafturteil.
Ende September 2010: In einer Petition machen sich mehr als 120 Wissenschaftler und Autoren dafür stark, dass Liu als erstem Chinesen der Friedensnobelpreis zuerkannt wird. China interveniert beim norwegischen Nobel-Komitee und droht mit Folgen für die norwegisch-chinesischen Beziehungen, sollte Liu den Friedensnobelpreis bekommen.
8. Oktober 2010: Das norwegische Nobel-Komitee erkennt Liu den Friedensnobelpreis 2010 zu.
10. Dezember 2010: Bei der Nobelpreis-Verleihungszeremonie in Oslo wird die Medaille auf den leeren Sessel des Preisträgers gelegt.
24. Februar 2013: Mehr als 140 Nobelpreisträger fordern in einer Petition die Freilassung Lius. Sie fordern zugleich von der chinesischen Führung, den Hausarrest gegen Lius Frau Liu Xia aufzuheben. Parallel zu dem Schreiben der Nobelpreisträger werden den chinesischen Behörden Unterschriftenlisten von 400.000 Menschen aus 130 Ländern übergeben, in denen die Freilassung Lius und seiner Frau verlangt wird. Diese Forderung wird auch von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International unterstützt.
26. Juni 2017: Liu wird vom Gefängnis in die Universitätsklinik von Shenyang verlegt. Er wird dort wegen seiner fortgeschrittenen Leberkrebserkrankung behandelt und weiterhin streng bewacht. Seine Familie darf er weiterhin nicht sehen, seine Frau bleibt in Hausarrest. Internationale Appelle, den Dissidenten zur Behandlung ins Ausland reisen zu lassen, verhallen.
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