Themenüberblick

„Gefahr für öffentliche Ordnung“

Der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci darf aktuell nicht nach Österreich einreisen. Es geht dabei um den Besuch der Gedenkfeiern zum Anlass des Putschversuchs in der Türkei vor einem Jahr, teilte das Außenministerium am Montag in einer Aussendung mit. Das habe Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) entschieden.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Die Entscheidung sei darin begründet, dass der türkische Minister „ausschließlich zum Zwecke eines öffentlichen Auftritts“ hierherkommen wolle: „Es besteht Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Österreich.“ Zu einem bilateralen Besuch wäre Zeybekci hingegen „natürlich willkommen“, hielt die Aussendung weiter fest.

Türkei: Österreich meint es nicht ehrlich

Der Putschversuch wurde am 15. Juli 2016 niedergeschlagen. Der Jahrestag wird in der Türkei groß gefeiert. Das türkische Außenministerium protestierte gegen den Schritt und sprach von einem „warnenden Beispiel“. Österreich meine es mit dem Schutz der demokratischen Werte nicht ehrlich, so das Ministerium weiter.

Die Reaktion des Wirtschaftsministeriums in Ankara sorgte indes für etwas Verwirrung. Es teilte mit, der Minister habe eigentlich in Wien den Außen- und Wirtschaftsminister treffen wollen, „um die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit Österreich zu vertiefen“. Dieser Wunsch sei aber der österreichischen Seite noch gar nicht mitgeteilt worden. Weiter hieß es: „Wir haben nicht beantragt, eine Veranstaltung zum 15. Juli zu organisieren.“ Die geplante Veranstaltung wird allerdings von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) Austria, einem in Österreich eingetragenen Verein, organisiert.

Mit Bundeskanzleramt akkordiert

Das Einreiseverbot des Außenministeriums war mit dem Bundeskanzleramt akkordiert. Das sagte der Sprecher von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), Nikolai Moser, der APA am Montag. „Wir müssen gegenüber der Türkei aus guten Gründen diesen Schritt setzen“, so Moser weiter. Kerns Sprecher unterstrich: „Wir werden nicht zulassen, dass innertürkische Konflikte nach Österreich getragen werden. Aber natürlich verurteilten und verurteilen wir den Putschversuch massiv.“

Kern selbst stellte sich hinter die Entscheidung. Hier geh es darum, dass die türkische Regierung und ihr Präsident (Recep Tayyip Erdogan, Anm.) politischen Einfluss in Österreich ausüben wollen, so der Kanzler im Ö1-Mittagsjournal. „Das geht nicht, das werden wir nicht zulassen“, sagte Kern - Audio dazu in oe1.ORF.at.

„Nicht innenpolitische Konflikte“ weitertragen

Das Außenministerium betonte weiters, dass Kurz den Putschversuch in der Türkei vom 15. Juli 2016 „sofort klar verurteilt (hat, Anm.) und das weiterhin (tut, Anm.)“. Er verurteile gleichzeitig aber auch die Menschenrechtssituation in der Türkei, etwa „die massive Verhaftungs- und Entlassungswelle nach dem Putschversuch“ bzw. die „massiven Einschränkungen der Meinungs- und Medienfreiheit“. Man wolle „nicht, dass innenpolitische Konflikte in der Türkei nach Österreich getragen werden“, sagte Ministeriumssprecher Thomas Schnöll der APA. Allerdings sei Österreich „absolut an einer wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit mit der Türkei interessiert“.

Kurz sagte dazu gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal am Montag, dass er nicht wolle, dass die „aufgeheizte Stimmung“ in der Türkei nach Österreich gebracht wird. „Wenn diese Spannungen nach Österreich hereingetragen werden, dann ist das etwas, was ich klar ablehnen muss“, so Kurz - Audio dazu in oe1.ORF.at.

Sorge um „Sicherheit Österreichs“

Das Außenministerium verweigert dem türkischen Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci die Einreise nach Österreich. Er wollte an einer Gedenkfeier anlässlich des niedergeschlagenen Putschversuchs teilnehmen.

AKP-naher Verein: Populistische Haltung von Kurz

Als „undemokratisch“ bezeichnete die UETD in Österreich das Einreiseverbot. „Das ist eine rein populistische Haltung von Außenminister Sebastian Kurz“, sagte UETD-Austria-Sprecher Ramazan Aktas der APA am Montag auf Anfrage.

Die in mehreren europäischen Ländern vertretene UETD steht der islamisch-konservativen türkischen Regierungspartei AKP nahe. Zeybekci sollte am Sonntag im Rahmen einer von UETD Austria ausgerichteten Veranstaltung in Wien-Liesing über den Putschversuch vor einem Jahr in der Türkei sprechen. Der Minister habe den Putsch damals im Parlamentsgebäude in Ankara selbst miterlebt, sagte der Sprecher.

„Zweierlei Maß“

Mit der Gedenkveranstaltung „wollen wir zeigen, wie demokratisch die türkische Bevölkerung ist“, so Aktas. Seit Monaten höre man nämlich in den hiesigen Medien, dass Erdogan ein „Diktator“ sei und dass die Türken bei dem Verfassungsreferendum im April für eine „Diktatur“ gestimmt hätten.

Der Sprecher beklagte auch zweierlei Maß Österreichs im Umgang mit den politischen Kräften der Türkei: „Die Stände der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans, Anm.), dieser Terrororganisation, sieht man auf jeder Straße. Diese bekommen eine Erlaubnis - aber Menschen, die für die Demokratie sind, bekommen keine Zusage, mit ihrem Minister zusammen zu sein.“

Türkischer Politiker will in Deutschland sprechen

Ein türkischer Politiker beantragte indes zum Jahrestag der Niederschlagung des Putschversuchs einen Auftritt in Deutschland. Ein Sprecher des deutschen Auswärtigen Amtes gab am Montag bekannt, dass ein entsprechender Antrag vorliege. „Es handelt sich nicht um ein Regierungsmitglied“, fügte er hinzu. Weitere Details zu der Person nannte er nicht. Auch zu einem möglichen Verbot äußerte sich der Sprecher nicht. Der Antrag werde geprüft, sagte er lediglich.

Auftrittsverbot für Erdogan

Erst am Freitag hatten die Niederlande den türkischen Vizeregierungschef Tugrul Türkes, der auch zu einer Gedenkveranstaltung zum Putschversuch reisen will, zur unerwünschten Person erklärt. Auch die deutsche Bundesregierung hatte jüngst einen Auftritt Erdogans verboten. Er wollte vor Landsleuten in Deutschland während seiner Reise zum G-20-Gipfel sprechen. Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte gesagt, „dass ein solcher Auftritt angesichts der Konfliktlage, die es mit der Türkei gibt, nicht angemessen wäre und derzeit nicht in die politische Landschaft passt“.

Heftige Debatte Mitte April

Türkische Minister hatten vor dem türkischen Verfassungsreferendum Mitte April in einigen EU-Ländern vor ihre dort lebenden Landsleute treten und für Zustimmung werben wollen. Damit hatten sie für eine heftige Debatte gesorgt. Diese Auftritte waren etwa in Österreich, der Schweiz und in deutschen Gemeinden abgesagt worden.

Links: