Themenüberblick

Juncker schließt Scheitern nicht aus

Am ersten Tag haben sich beim G-20-Gipfel in Hamburg bei den zentralen Streitthemen Klimaschutz und Freihandel wegen der Abschottungspolitik von US-Präsident Donald Trump kaum Fortschritte abgezeichnet. „Hier sind die Diskussionen sehr schwierig. Da will ich gar nicht drum herumreden“, sagte dazu die deutsche Kanzlerin und Gastgeberin Angela Merkel.

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Während die Staats- und Regierungschefs den ersten Tag mit einem Konzert in der Hamburger Elbphilharmonie und einem gemeinsamen Abendessen abschlossen, stand für die G-20-Unterhändler bei den beiden genannten Themen noch eine wohl schlaflose Nacht auf dem Programm. Diese werden noch länger ringen müssen, wie Merkel am Abend dazu sagte.

G20-Gipfel

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Für die G-20 standen am ersten Gipfeltag intensive Verhandlungen auf dem Programm

Sie hoffe, dass es dann am Samstag zum Abschluss des Gipfels ein „gutes Resultat“ beim Freihandel geben werde. Die allermeisten Teilnehmer seien Merkel zufolge davon überzeugt, dass „wir einen freien, aber auch fairen Handel brauchen“. Auch beim Klimaschutz hätte sich der Großteil der Teilnehmer der Gipfelrunde zum Pariser Abkommen bekannt. Sie könne aber noch nicht sagen, wie die G-20 die verschiedenen Meinungen in Sachen Klimaschutz bis Samstag sortieren würde. So wie beim Handel feile man laut Merkel auch beim Klimaschutz dennoch weiter an einer gemeinsamen Formulierung im Kommunique.

„Haben eine Erklärung“

Am Samstag hieß es laut einem EU-Vertreter, es werden jedenfalls eine gemeinsame Erklärung geben. „Wir haben eine Erklärung - nicht 19 zu 1, sondern mit allen 20“, sagte er am Samstagmorgen in Hamburg. Eine offene Frage gebe es lediglich noch beim Klimaschutz. Dagegen sei man sich beim Handel bereits völlig einig geworden. Es gebe in der Abschlusserklärung einen klares Bekenntnis gegen Protektionismus. Es würden aber auch die Reziprozität und Gegenseitigkeit in den Handelsbeziehungen betont.

Zudem soll verstärkt gegen Überkapazitäten beim Stahl vorgegangen werden. „Es ist wichtig, dass die Gegenseitigkeit beim Marktzugang unterstrichen wird“, sagte der Offizielle. Die deutsche G-20-Präsidentschaft habe eine gute Balance gefunden. Der Klimateil der Erklärung wird wie von der Nachrichtenagentur Reuters bereits berichtet drei Absätze haben: Zunächst wird von allen G-20-Staaten gemeinsam die Bedeutung unterstrichen, die Treibhausgase zu reduzieren. Dann wird festgehalten, dass die USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen wollen. Die anderen 19 bekennen sich aber dazu, an der Umsetzung des Abkommens festhalten wollen.

Aufruf zur Kompromissbereitschaft

Gleich zu Beginn des am Freitag angelaufenen Gipfeltreffens rief Merkel in diesem Zusammenhang ihre Gäste zu Kompromissbereitschaft auf. Lösungen könnten nur gefunden werden, „wenn wir aufeinander zugehen, wenn wir uns aufeinander zubewegen“, sagte sie, nachdem sie die Teilnehmer am Vormittag begrüßte.

Unterschiedliche Haltungen könnten aber zugleich benannt werden, niemand müsse sich verbiegen. Zum Ende des ersten Gipfeltages sagte die Kanzlerin dann, es werde noch harter Arbeit bedürfen, um einvernehmliche Formulierungen für die Abschlusserklärung zu finden. Hintergrund der verhärteten Fronten ist, dass US-Präsident Trump die Wirtschaft seines Landes vor ausländischer Konkurrenz besser schützen will und den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen angekündigt hat.

„Sind in gehobener Kampfesstimmung“

Mit Blick auf die offenbar starren Fronten beim Freihandel schließt unterdessen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ein Scheitern der G-20-Verhandlungen nicht aus. „Wir werden die Handelsgespräche und die Auseinandersetzung über Handelsverträge mit den Amerikanern morgen weiterführen, aber ich mache mir da nicht viel Hoffnung“, sagte er am Freitag gegenüber dem ZDF.

Merkel

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Indiens Premier Narendra Modi, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Juncker, Merkel und EU-Ratspräsident Donald Tusk (v. l. n. r.)

Zuvor hatte Juncker für den Fall neuer Strafzölle, wie sie die USA planen, rasche Gegenmaßnahmen angedroht. „Ich möchte Ihnen mitteilen, dass wir innerhalb von wenigen Tagen - da brauchen wir keine zwei Monate - mit Gegenmaßnahmen reagieren werden, in der Hoffnung, dass all dies nicht notwendig sein wird“, sagte er. „Wir sind in gehobener Kampfesstimmung.“

„Keine größeren Probleme“

Neben Handel und Klimaschutz standen am ersten Gipfeltag auch Themen wie Terrorismusbekämpfung und Energie auf der Agenda. Beim Kampf gegen Terrorismus konnte der Gipfel einen Teilerfolg verzeichnen.

Die Teilnehmer waren sich nach Merkels Worten einig, dass dieser eine „Bedrohung für uns alle ist“. Vor allem wollen die G-20-Länder nun den Informationsaustausch verbessern. Auch die Finanzierungsquellen von Terroristen sollten wirksamer ausgetrocknet werden. Daneben will man gegen terroristische Inhalte im Internet vorgehen.

Als unstrittig galten in Hamburg dagegen die Finanzthemen. „Da gibt es keine größeren Probleme“, sagte ein G-20-Teilnehmer. Die weitgehende Einigkeit gelte auch für strengere Regeln für Banken und die Finanzwirtschaft insgesamt, mit denen eine Wiederholung der Krise von 2008 ausgeschlossen werden soll.

Eigenes Programm für Trump und Putin

Obwohl eine Einigung etwa beim Thema Klima nicht zuletzt von Trump abhängt, nahm der US-Präsident am Freitag nur kurz an den Verhandlungen teil. Für Trump und Russlands Präsidenten Wladimir Putin stand vielmehr ein erstes näheres Kennenlernen auf dem Programm, und diese Möglichkeit wurde weit intensiver genutzt als ursprünglich geplant.

Trump, Putin

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Gute Stimmung beim ersten Treffen: Putin und Trump hatten in Hamburg viel zu besprechen

Anfangs für eine halbe Stunde angesetzt, dauerte der Gipfel auf dem Gipfel zwei Stunden und 16 Minuten. Trump und Putin fanden bei dem Treffen unter anderem eine Annäherung in der Syrien-Frage und einigten sich auf eine Waffenruhe im Südwesten des Bürgerkriegslandes.

Die Chemie habe gestimmt, die beiden Präsidenten hätten schnell einen Draht zueinander gefunden, sagte US-Außenminister Rex Tillerson, der mit in der kleinen Runde gesessen war. Alles sei äußerst konstruktiv gewesen, man habe sich darauf verständigt, nach vorne zu schauen, statt sich mit gegenseitigen Vorwürfen aus der Vergangenheit aufzuhalten. Auch Tillersons russischer Amtskollege Sergej Lawrow sprach von einer „konstruktiven Atmosphäre“.

Feuer bei Demo

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Auch in der Nacht auf Samstag brannten in Hamburg wieder Barrikaden

Weiter schwere Krawalle

Überschattet wurde der Gipfel von teils gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und G-20-Gegnern im Umkreis des Tagungsgeländes und in der Hamburger Innenstadt. Autos brannten, die Polizei setzte Wasserwerfer ein und beklagte Angriffe der Aktivisten auf Beamte. Merkel verurteilte die Krawalle scharf. Sie habe jedes Verständnis für friedliche Demonstrationen, nicht akzeptabel sei aber Gewalt.

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