Themenüberblick

Kein Umschwenken in der ÖVP

Mit dem Beschluss der „Ehe für alle“ in Deutschland wurde auch in Österreich die Debatte über die gleichgeschlechtliche Ehe einmal mehr angefacht. Doch anders als in den meisten westeuropäischen Ländern zeichnet sich hierzulande kein Umdenken an - auch wenn die Befürworter gehofft hatten, die „neue ÖVP“ unter Sebastian Kurz könnte frischen Wind in die festgefahrenen Fronten bringen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Vor allem in den Sozialen Netzwerken gehen seit Tagen die Wogen hoch. In der Politik bewegt sich aber vergleichsweise wenig: Die SPÖ setzte vergangene Woche im Nationalrat ein Zeichen für die „Ehe für alle“ - und stimmte gemeinsam mit Grünen und NEOS gegen den Regierungspartner ÖVP. Doch die Fristsetzung zur Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Paare blieb in der Minderheit. Die FPÖ bekräftigte ihre strikte Ablehnung der Ehe für Homosexuelle, und auch in der ÖVP zeichnet sich bisher kein Umschwenken ab.

Kinder zeugen als Hauptargument

Wenn es nach Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) geht, wird Österreich nicht dem deutschen Beispiel folgen. In der ORF-„Pressestunde“ am Sonntag gab er ein klares Nein zur „Ehe für alle“ ab, nachdem am Freitag der deutsche Bundestag in einer historischen Entscheidung für die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare stimmte - und das auch unerwartet viele Abgeordnete aus den Reihen von CDU und CSU taten.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stimmte selbst zwar dagegen, hatte das Thema aber zuvor aufs Tapet gebracht und den Fraktionszwang in ihrer Partei für die Abstimmung aufgehoben. Am Freitag stimmten schlussendlich 75 Unionsabgeordnete für die „Ehe für alle“. Auch wenn die „neue Volkspartei“ unter Kurz immer wieder betont, sich „öffnen zu wollen“, ein Ja zur Homosexuellenehe scheint sie damit vorerst nicht zu meinen.

Wallner sagte am Sonntag, seine persönliche Meinung sei „völlig klar“: Es müsse einen Unterschied zwischen der Ehe und der Verpartnerung Gleichgeschlechtlicher geben. „Der Staat muss ein ureigenes Interesse daran haben, dass auch Kinder gezeugt werden können.“ Und räumte ein: „Wir treten ein für das Abschaffen von Diskriminierungstatbeständen. Da gibt es eine ganze Reihe, über die man auch reden kann.“

„Im Zentrum“: Dreikampf um den Kanzler

Der Wahlkampf war das dominierende Thema in der letzten Parlamentswoche vor dem Sommer. Beherrschende Themen waren zudem die Pflege, Universitätsfinanzierung, Frauenquoten und die „Ehe für alle“.

Köstinger würde gegen „Ehe für alle“ stimmen

Ähnlich formulierte es auch ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger in der ORF-Diskussionsendung „Im Zentrum“ am Sonntag: „Für uns entscheidend ist, dass es keine Art der Diskriminierung gibt, egal, in welchem Zusammenhang.“ In der Vergangenheit sei schon sehr vieles verbessert worden, „dort, wo es jetzt noch Verbesserungen geben muss, beispielsweise beim Namenrecht, können wir das auch gerne tun“.

Zu der zukünftigen Position der ÖVP zur gleichgeschlechtlichen Ehe wollte sie keine konkreten Angaben machen: „Wir starten nun unseren Programmprozess“, auch die „Ehe für alle“ werde Teil davon sein. Was ihre persönliche Position betrifft, war Köstinger klarer: Auch bei Aufhebung des Fraktionszwangs hätte die ÖVP-Generalsekretärin bei einer Abstimmung zur gleichgeschlechtlichen Ehe mit Nein gestimmt.

SPÖ: Mehr als „symbolische Diskriminierung“

Gesundheits- und Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) betonte am Sonntag in „Im Zentrum“, dass es nicht „rein um symbolische Diskriminierung“ gehe. Bei der Eintragung auf einem Meldezettel etwa müsse die Person angeben, dass er oder sie in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft ist - „und ist damit automatisch zum Outing verpflichtet“.

Die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Ingrid Felipe, sagte am Sonntag in Richtung Köstinger, sie finde es „sehr bedauerlich“, dass die deutsche Bundeskanzlerin Merkel die Größe habe, „die Abstimmung freizugeben und der viel jüngere ÖVP-Chef diese Größe nicht hat“.

NEOS dafür, FPÖ dagegen

Die stellvertretende Vorsitzende von NEOS, Beate Meinl-Reisinger, sagte, dass es, nachdem der Verfassungsgerichtshof das Adoptionsverbot für Homosexuelle aufgehoben hat, nun um die Frage der Zivilehe gehe, und diese müsse sich auch „die ÖVP gefallen lassen“. Es gehe darum, ob man sich gesellschaftspolitisch mehr an Deutschland orientiere oder „vielleicht an Staaten wie Ungarn“.

Die Landesparteiobfrau der FPÖ Salzburg, Marlene Svazek, blieb am Sonntag der strikt ablehnenden Position ihrer Partei zur gleichgeschlechtlichen Ehe treu. „Unser Ansatz ist ganz klar: Aus einer Ehe aus Mann und Frau entstehen Kinder, und das sollten wir fördern.“ Für sie sei das „ein Privileg, das es in der Ehe gibt“, sagte sie in „Im Zentrum“. Laut Svazek gibt es zudem „keine Diskriminierung mehr bei homosexuellen Paaren.“

Österreich bei den Schlusslichtern

Wenn es um die gleichgeschlechtliche Ehe geht, zählt Österreich unter den Ländern Westeuropas zu den Schlusslichtern. Erst seit 2010 ist hierzulande die Eintragung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften erlaubt, seit Anfang 2016 dürfen gleichgeschlechtliche Paare auch nicht-leibliche Kinder adoptieren, nachdem das Adoptionsverbot vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde.

Dabei ist die gleichgeschlechtliche Ehe in Österreich laut einer Eurobarometer-Umfrage 2015 längst mehrheitsfähig. Demnach gibt es hierzulande knapp doppelt so viele Befürworter (62 Prozent) als Gegner (32 Prozent) der Homosexuellenehe (sechs Prozent machten keine Angabe).

Grafik zeigt stilisierte Europakarte mit Ländern eingefärbt nach rechtlicher Situation gleichgeschlechtlicher Partnerschaften

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Weltweit haben rund 20 Länder bisher die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt, mit Deutschland sind es in Europa bald 14. Vorreiter waren die Niederlande als weltweit erstes Land, in dem 2001 die Eheschließung vor dem Standesamt auch Homosexuellen zugestanden wurde. Es folgten Belgien, Spanien, Norwegen, Schweden, Portugal, Island, Dänemark, Frankreich, Großbritannien (mit Ausnahme Nordirlands), Luxemburg, Irland und Finnland.

Malta vor Einführung der Ehe für Homosexuelle

In den Niederlanden, Dänemark, Schweden, Spanien, Belgien, Frankreich und Großbritannien besteht zudem ausnahmslos das Recht auf Adoption durch homosexuelle Paare. Selbst das überwiegend katholische Malta steht kurz davor, die gleichgeschlechtliche Ehe einzuführen. Der kleine Inselstaat, in dem rund 95 Prozent der 420.000 Einwohner Katholiken sind, erlaubte als letztes EU-Land erst 2011 die Ehescheidung. Wenn es um die Rechte von Homosexuellen und Transsexuellen (LGBT) geht, gilt Malta jedoch als Vorreiter.

Seit 2016 sind in Malta etwa als einzigem Land überhaupt Therapien mit dem Ziel verboten, die sexuelle Orientierung von Schwulen und Lesben zu verändern. Nach den maltesischen Parlamentswahlen Anfang Juni kündigte Ministerpräsident Joseph Muscat nun auch an, dass die Einführung der Ehe zwischen Homosexuellen eines der ersten Wahlversprechen ist, das er durch das Parlament bringen will.

Homosexuellenehe in Kanada und den USA

Kanada führte schon 2005 das Recht auf Eheschließung und Adoption für Homosexuelle ein. In vielen Provinzen wurden gleichgeschlechtliche Verbindungen aber bereits vor 2005 erlaubt. In den USA ist die Ehe zwischen homosexuellen Partnern nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs seit 2015 möglich. Bis dahin hatten noch 14 von 50 Bundesstaaten das untersagt.

In Südamerika haben bisher vier Staaten die Eheschließung zwischen homosexuellen Paaren erlaubt. Als erstes Land führte Argentinien die Homosexuellenehe im Jahr 2010 ein. Es folgten Uruguay, Brasilien und Kolumbien. In allen vier Ländern dürfen die verheirateten homosexuellen Paare zudem Kinder adoptieren.

Auch in Taiwan gilt bald „Ehe für alle“

Im Mai 2016 stimmte auch der Oberste Gerichtshof in Taiwan für die Zulassung der gleichgeschlechtlichen Ehe und schaffte damit eine Premiere in Asien. Im Nahen Osten gilt Israel als ein Vorreiter bei den Rechten für homosexuelle Paare, vor allem beim Adoptionsrecht. Die Ehe können Homosexuelle zwar in Israel selbst nicht schließen, sie wird aber anerkannt, wenn sie im Ausland geschlossen wurde.

Als erstes und bisher einziges Land auf dem afrikanischen Kontinent führte Südafrika im November 2006 die Ehe zwischen homosexuellen Partnern mit Adoptionsrecht ein, Neuseeland selbiges 2013.

Links: