Richter in die Kritik geraten
Der Flughafen Wien-Schwechat hat viele Jahre für eine dritte Piste gekämpft - ein Großprojekt, das größeren Passagierzahlen und dem Bedarf des Arbeitsmarkts Rechnung tragen sollte. Nach dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG), das dem Bau einen Riegel vorschob, meldeten sich viele Mitstreiter beider Seiten zu Wort - sogar die Richter standen plötzlich zur Disposition.
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Die dritte Start-Landepiste sollte 3.680 Meter lang und 60 Meter breit werden und im Abstand von etwa 2.400 Metern parallel zur bestehenden ersten Piste auf dem Flughafen errichtet werden. Dafür müsste etwa die B10 auf 7,5 Kilometer Länge verlegt werden. Durch die Trassenverlegung würde die Wegstrecke zwischen Schwechat und Schwadorf um etwa 1,7 Kilometer verlängert.
Mehr Passagiere wollen bewegt werden
Der Flughafen argumentierte stets mit wachsenden Flugbewegungen. Nach der Verkehrsprognose liegt der Verkehrsbedarf in Wien im Jahr 2025 bei 37 Millionen Passagieren und 415.000 Flugbewegungen. Das entspreche einem Wachstum gegenüber 2008 von 87 Prozent bei den Passagieren bei einer Wachstumsrate von durchschnittlich 3,8 Prozent pro Jahr, und 42 Prozent bei den Flugbewegungen, was eine durchschnittliche Wachstumsrate von 2,1 Prozent pro Jahr ergibt.

Grafik: ORF.at; Quelle: APA
Ein Großteil des Passagierwachstums werde zwar durch eine steigende Flugzeuggröße beziehungsweise durch eine steigende Anzahl von Passagieren pro Flug erzielt. Dennoch seien die Steigerungen bei der Anzahl der Flugbewegungen so groß, dass im Jahr 2025 ein Kapazitätsbedarf von 100 planbaren Flugbewegungen pro Stunde bestünde. Das sei mit dem bestehenden Pistensystem nicht leistbar. Zum Vergleich: 2016 wurden 23,4 Millionen Passagiere abgefertigt.
„Ackerland für zukünftige Generationen“
Für das BVwG wogen jedoch in einer Abwägung die ökologischen Gegenargumente gewichtiger. Der Dreiersenat hatte sich auf die Bundesverfassung und die niederösterreichische Landesverfassung berufen, die Umweltschutz und Klimaschutz einen besonderen Vorrang einräumen.
„Insgesamt überwiegt das öffentliche Interesse, dass es in Österreich zu keinem weiteren markanten Anstieg an Treibhausgasemissionen durch Errichtung und Betrieb der dritten Piste kommt und Österreich seine national und international eingegangenen Verpflichtungen zur Reduktion der THG-Emissionen (Treibhausgasemissionen, Anm.) einhält gegenüber den verschiedensten öffentlichen Interessen, die für die Errichtung des Vorhabens sprechen. Auch ist die Erhaltung wertvollen Ackerlands für zukünftige Generationen zur Nahrungsmittelversorgung dringend geboten“, hieß es in dem Erkenntnis.
Wirtschaftswachstum in die Verfassung
Das Erkenntnis war in der Folge heftig umstritten. Beide Seiten starteten Kampagnen, um die Öffentlichkeit für oder wider die dritte Piste zu gewinnen. Aus der Politik meldeten sich etliche Persönlichkeiten zu Wort, SPÖ und ÖVP wollten gar das Wirtschaftswachstum vorübergehend als Staatsziel in die Verfassung aufnehmen - ein Plan, der verschoben wurde. Auch der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) argumentierte im Sinne des Landes Niederösterreich und sagte, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen im Vordergrund stehen müsse. Dagegen stellten sich die Grünen, die das Erkenntnis des Gerichts unterstützten.
Zweifel an Richtern
Nationalbank-Präsident Claus Raidl fragte sich öffentlich, ob die Politik womöglich die Art und Weise der Zusammensetzung bzw. Nominierung von Richtersenaten im BVwG anschauen sollte. Als Angriff auf den Dreiersenat wollte er den Vorschlag aber nicht verstanden wissen. Doch müsse die Politik entscheiden, wie die Republik Klimaziele erreichen solle.
Der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts verteidigte das Urteil seiner Richter. „Es ist unser gesetzlicher Auftrag, unabhängig, weisungsungebunden und losgelöst von politischen Einflüssen auch inhaltlich zu entscheiden. Und diesen Auftrag haben wir erfüllt“, sagte Gerichtspräsident Harald Perl dem „Standard“ (Onlineausgabe). Die Auswahl der Richter laufe völlig ohne politische Einflussnahme. Die Richter seien hoch qualifizierte Spezialisten für Verwaltungsverfahren.
Die persönliche Kritik an den Richtern ziehe die Rechtsstaatlichkeit in Zweifel, mit dieser Argumentation könne man jedes Urteil aushebeln. Dafür vermerke Perl positiv, „dass das Thema Befangenheit in der Revision am Verwaltungsgerichtshof keine Rolle spielt“.
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