Retour an Verwaltungsgericht
Der Grundsatzstreit, der zuletzt Umwelt- gegen Wirtschaftsinteressen exemplarisch gegenübergestellt hat, geht in die Verlängerung: Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hob am Donnerstag das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) gegen den Bau der dritten Piste auf dem Flughafen Wien-Schwechat auf.
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Das Höchstgericht gab damit einer Beschwerde des Flughafens und des Landes Niederösterreichs statt, die sich gegen das abschlägige Erkenntnis des BVwG gerichtet hatte. Das Bundesverwaltungsgericht hatte Anfang Februar das Verbot in einem auch international beachteten Urteil damit begründet, dass der Umweltschutz Vorrang habe - mit Hinweis auf das öffentliche Interesse, dass es in Österreich zu keinem „markanten Anstieg“ an Treibhausgasemissionen kommt. Der Dreiersenat hatte sich auf die Bundesverfassung und die Landesverfassung von Niederösterreich berufen, die Umweltschutz und Klimaschutz einen besonderen Vorrang einräumen.

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Verfahrensmängel angeführt
Die Flughafen Wien AG und Niederösterreich bekämpften diese Entscheidung - mehr dazu in noe.ORF.at. Sie argumentierten mit Verfahrensmängeln und verwiesen darauf, dass die Triebhausgasemissionen nicht dem Flughafen, sondern den Fluglinien zugerechnet werden müssten. Außerdem, so die Argumentation, seien Staatszielbestimmungen wie der Klimaschutz in der Landesverfassung ohne weitere Konkretisierung kein Hindernis für die Genehmigung eines Vorhabens.
VfGH zerpflückt voriges Erkenntnis
Das Verfassungsgericht führte als Grund für seine Entscheidung etliche Punkte an: Das BVwG habe zuvor die Rechtslage in mehrfacher Hinsicht grob verkannt. Das belaste die Entscheidung mit Willkür, es verletze die Parteien im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz.
VfGH-Präsident verkündet Entscheidung
Der oberste Verfassungsrichter Gerhart Holzinger erklärte, wieso das Gericht den Entscheid der vorigen Instanz aufhob: Das Verwaltungsgericht habe die Rechtslage grob verkannt.
Der VfGH sieht Fehler vor allem bei der Auslegung der Staatszielbestimmung des umfassenden Umweltschutzes durch das BVwG. Es sei zwar verfassungsrechtlich geboten, den Umweltschutz bei der Abwägung von Interessen für und gegen die Genehmigung eines Projekts einzubeziehen. Aber: Die im Gesetz genannten „sonstigen öffentlichen Interessen“, die bei der Abwägung gemäß Luftfahrtgesetz zu berücksichtigen sind, müssten aus dem Luftfahrtgesetz selbst ableitbar sein.
Kein Vorrang für Umwelt abzuleiten
Eine Erweiterung dieser Interessen findet durch die Staatszielbestimmung nicht statt - weder auf Klimaschutz noch auf Bodenverbrauch. Auch ist aus dem Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit kein absoluter Vorrang von Umweltschutzinteressen ableitbar.
Das Verwaltungsgericht habe zudem die mit dem Projekt verbundenen Kohlendioxidemissionen fehlerhaft berechnet. Laut Feststellung eines gerichtlich beeideten Sachverständigen wären nur die Emissionen einzurechnen, die während Start und Landung erfolgen („LTO-Emissionen“ - Landing and Take-off). Der Senat des BVwG hingegen habe in seiner Prognose für das Jahr 2025 Emissionen berücksichtigt, die während des gesamten Fluges anfallen („Cruise-Emissionen“).
Internationale Abkommen nicht anführbar
Dazu komme, dass sich das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Auswirkungen der Emissionen fälschlich auch auf Rechtsgrundlagen und internationale Abkommen wie das Kyoto-Protokoll beruft, die es in diesem Fall nicht hätte heranziehen dürfen. Auch das Klimaschutzziel in der niederösterreichischen Landesverfassung dürfe für die Auslegung des Luftfahrtgesetzes nicht herangezogen werden, weil dieses Ziel nur für den Wirkungsbereich des Landes anzuwenden sei, so der VfGH.
Damit verzögert sich ein endgültiger Beschluss weiter. Laut Flughafen-Vorstand Günther Ofner hat das Verfahren bisher 17 Jahre gedauert und für alle Beteiligten zusammen an die 100 Mio. Euro gekostet. Der Flughafen habe nur für Kopierkosten eine Million Euro ausgegeben. Für die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) habe der Flughafen zehn Tonnen Papier eingereicht, inklusive Gutachten und Stellungnahmen umfasse der Akt wohl 30.000 Seiten. Ohnehin wird die Piste, sollte sie einst endgültig genehmigt werden, frühestens 2030 fertiggestellt sein.
Flughafen hofft auf schnelle Genehmigung
Ofner freute sich am Donnerstag erwartungsgemäß über den neuen Richterspruch. „Ich glaube, das ist ein guter Tag für den Wirtschaftsstandort, aber auch für das Unternehmen Flughafen.“ Das Projekt habe damit eine neue Chance bekommen, so Ofner.
Er hoffe, dass es vor dem BVwG zu einer zügigen Entscheidung kommen wird. „Persönlich würde ich jetzt keine Gründe sehen, die einer endgültigen Genehmigung entgegenstehen“, so der Flughafen-Wien-Chef. Aber das sei Sache des Verwaltungsgerichts. Zudem sei nicht auszuschließen, dass Beschwerdeführer mit anderen Gründen kommen und wieder die Höchstgerichte anrufen. „Insofern wird es schon noch einige Jahre dauern, bis wir Rechtssicherheit erwarten dürfen“, so Ofner.
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