„Nachfrage wächst täglich“
Für Bioprodukte sollen ab Mitte 2020 in der Europäischen Union neue Regeln gelten. Vorgesehen sind einheitlichere Standards für Anbau und Import und schärfere Kontrollen, um Etikettenschwindel mit Ökoprodukten zu unterbinden. Auf die neue Verordnung einigten sich Unterhändler der EU-Institutionen am Mittwochabend nach jahrelangem Streit. Parlament und Rat müssen noch zustimmen.
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Den Entwurf der Verordnung mit Regeln zum Anbau und zur Kennzeichnung von Produkten aus der ökologischen Landwirtschaft hatte die EU-Kommission schon Anfang 2014 vorgelegt. Doch rangen die Unterhändler der Mitgliedsländer, der Kommission und des EU-Parlaments seit Oktober 2015 um Details. Die nunmehrige Einigung wird von den Unterhändlern aller drei Seiten mitgetragen, weshalb der derzeitige maltesische Ratsvorsitz auf einen problemlosen Beschluss hofft.
Weniger „Hürden“ und mehr Sicherheit zugleich
„Die Menschen wollen grüneres und gesünderes Essen auf ihrem Teller, und die Nachfrage nach ökologisch angebauten Produkten wächst in der EU täglich“, sagte der zuständige maltesische Staatssekretär Clint Camilleri. „Wir sind stolz, eine Einigung zu verkünden, die das Potenzial des Ökolandbaus heben, Bauern unterstützen und das Vertrauen der Verbraucher stärken wird.“
Auch Malta hatte sich vor den Verhandlungen am Mittwoch im Hinblick auf eine Einigung noch skeptisch gezeigt. Umso größer war die Erleichterung danach, auch bei Landwirtschaftskommissar Phil Hogan, der die erschöpften Verhandler nach der Einigung ablichtete und das Foto im Kurznachrichtendienst Twitter teilte. In einer Presseerklärung zeigte er sich erfreut über den Wegfall von Hürden für die Produzenten und die künftig höhere Sicherheit für Konsumenten gleichermaßen.
Vereinbart wurde unter anderem eine Vereinheitlichung und Vereinfachung von Produktionsregeln. Ausnahmen und Sonderregeln sollen abgebaut werden. Das Kontrollsystem werde gestärkt, hieß es. Spezielle Kontrollen des Anbaus würden ergänzt durch Inspektionen entlang der gesamten Produktionskette. Auch Überprüfungen bei Händlern würden eingeführt. Zudem sollen EU-Standards künftig auch für Importware gelten.
Erleichterungen für kleine Produzenten
Der deutsche Grünen-Abgeordnete Martin Häusling zeigte sich als Unterhändler des Parlaments erleichtert, dass nun endlich ein Durchbruch gelang. Er nannte als wichtigen Punkt auch die Einigung auf den Umgang mit Verunreinigungen durch Pestiziden. Bauern müssten Vorsorge treffen, um solche Verunreinigungen zu vermeiden. Sollten nicht für Bioprodukte erlaubte Pflanzenschutzmittel oder Dünger festgestellt werden, sollen Produkte drei Jahre kein Biosiegel mehr tragen dürfen.
Bei absichtlichen Verunreinigungen oder mangelnder Vorsorge durch Bioproduzenten kann das Ökosiegel auch auf Dauer aberkannt werden. Die Pestizidregel ist ein Beispiel von vielen für künftig strengere Rahmenbedingungen in der Produktion. Zugleich sollen sie aber einfacher werden. Kleinere Produzenten etwa können sich laut der Einigung künftig für Sammelgenehmigungen zusammentun und so den Aufwand für sich selbst reduzieren.
Auch Importeure kommen an Kandare
Zusätzlich werden Rechtslücken geschlossen. Für viele Produkte - von Salz über Bienenwachs bis zu Mate - gab es bisher gar keine Regeln, und Konsumenten mussten im Wesentlichen den Angaben der Hersteller vertrauen. Sehr dünn waren die Regeln bis jetzt in Teilbereichen der Viehwirtschaft, etwa bei Rotwild, vor allem aber bei Geflügel. Auch hier soll nachgeschärft werden. Die neuen Regeln sollen aber zum Vorteil europäischer Produzenten auch für Importe gelten.
Das Importargument dürfte auch zur Einigung nach dem jahrelangen Tauziehen beigetragen haben: Der Rat erinnerte sich selbst daran, dass sich Umsätze mit Biolebensmitteln allein in den letzten zehn Jahren vervierfachten und inzwischen 20 Milliarden Euro pro Jahr betragen. Nicht nur überlasse man das Geschäft durch zu wenig Angebot den Importeuren - sondern den „mit dem ökologischen/biologischen Landbau verbundenen ökologischen Nutzen“ für Europa noch dazu.
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