Corbyn erstmals vor Premierministerin
Die Briten hätten einer Umfrage zufolge inzwischen lieber Oppositionsführer Jeremy Corbyn an der Regierungsspitze als Premierministerin Theresa May. Wie YouGov am Freitag im Auftrag der Zeitung „The Times“ berichtete, sprachen sich 35 Prozent der Befragten für Corbyn und 34 Prozent für May aus. Es ist das erste Mal, dass der Labour-Politiker vor der Konservativen liegt.
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May hatte bei der von ihr ausgerufenen Unterhauswahl Anfang Juni die absolute Mehrheit verloren. Auch ihr Krisenmanagement nach dem Hochhausbrand in London wurde scharf kritisiert und trug dazu bei, dass ihre Umfragewerte immer schlechter wurden.
Später Kontakt zu Opfern
Viel zu langsam habe sie auf das Unglück reagiert, so die Kritik. Bei ihrem ersten Besuch am Grenfell Tower habe sie noch nicht einmal mit den Opfern gesprochen. Offizielle Begründung waren Sicherheitsbedenken. Erst am nächsten Tag besuchte sie ein Spital, in dem einige Opfer behandelt werden. Noch schädlicher für Mays Image dürfte dabei der Kontrast zu Labour-Chef Corbyn sein. Er besuchte bereits vor ihr einige Opfer, wobei er die Politik zur Aufklärung der Tragödie aufforderte und Opfer umarmte. Und auch die Queen traf Opfer und Angehörige, bei ihr gab es offenbar keine Sicherheitsbedenken.
Kritik an Sparpolitik
Laut Beobachtern habe ihr dieser vielfach als Feigheit ausgelegte Schritt immens geschadet. Der „New Statesman“ beschrieb Mays Treffen mit den Einsatzkräften als den Moment, in dem möglicherweise ihre „Amtszeit ohne Chance auf Reparatur beschädigt“ worden sei.
Anhänger der Opposition machen die Sparpolitik der Torys für die Brandkatastrophe verantwortlich. Der „Guardian“ bezeichnete das Unglück bereits als Mays „Hurrikan Katrina“. Beide Vorfälle hätten ein Scheitern der politischen Führung und eine „furchtbare Verachtung“ für das Leben der Armen offenbart.
Die Zeitung kritisierte unter anderem, dass Verschärfungen von Sicherheitsbestimmungen von Teilen der Regierung bewusst hinausgeschoben oder als unnötig abgekanzelt worden seien. Zudem habe ein Brand im Jahr 2009 mit sechs Todesopfern, zu dem sich die lokale Verwaltungsbehörde schuldig bekannt hatte, trotz entsprechender Empfehlungen zu keinem besseren Brandschutz geführt.
Nachträgliche Entschuldigung
„Diese Tragödie ist die Folge von Fehlern und Nachlässigkeiten vonseiten der politischen Verantwortlichen, des Rathauses (im Bezirk, Anm.) sowie der Regierung“, sagte der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan. „Die Anrainer haben das Gefühl, schlecht behandelt zu werden, weil einige von ihnen arm sind“, so Khan.
Erst am Mittwoch - nach zahlreichen Protesten - räumte May ein Versagen der Behörden ein: „Der Staat hat auf lokaler und nationaler Ebene versagt, als es darum ging, Menschen in höchster Not zu helfen“, sagte May. „Als Premierministerin bitte ich für dieses Versagen um Entschuldigung.“ Besonders die Unterstützung für die betroffenen Familien sei „nicht gut genug“ gewesen, betonte May.
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