Themenüberblick

„Nichts ist zufällig“

Eigentlich hält sich das britische Könighaus zu allen politischen Fragen völlig bedeckt. Auch zum „Brexit“ war aus dem Buckingham-Palast kein Wort zu hören. Am Mittwoch stellte Queen Elizabeth II. dann traditionell das Programm der Regierung vor. Allerdings nicht ganz traditionell: Ausgerechnet bei der Vorstellung der „Brexit“-Gesetze trug sie statt der Krone eine Hut, der stark an die EU-Flagge erinnert.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Dass die Königin die neue Sitzungsperiode diesmal ohne großen Pomp eröffnete, war schon lange bekannt. Als Grund wurde die enge zeitliche Abfolge zahlreicher offizieller Termine genannt. Am Samstag stand die Militärparade „Trooping the Colour“ auf dem Programm. So kam die Queen zum ersten Mal seit 1974 per Auto statt per Kutsche und ohne Krone und Robe. Begleitet wurde die Königin von ihrem Sohn Prinz Charles. Ihr Mann, der 96 Jahre alte Prinz Philip, war vergangene Nacht ins Krankenhaus eingeliefert worden, es hieß, es handle sich um eine Vorsichtsmaßnahme.

Queen Elizabeth II. beim Einzug

APA/AP/Alastair Grant

Die Queen beim Einzug ins Parlament

Bilder machen die Runde

Schon schnell tauchten in Sozialen Netzwerken die Bilder der Queen auf: Hat sie da wirklich einen blauen Hut mit gelben Blumen auf? Ein Hut, der der blauen EU-Flagge mit den gelben Sternen kaum ähnlicher sein könnte. An einen Zufall glauben auf Facebook, Twitter und Co. die wenigsten. „Nichts ist zufällig“, und es müsse einem doch auffallen, dass man „als EU-Flagge verkleidet“ sei, während man die Gesetzespläne zum EU-Austritt verlese, hieß es etwa.

Ironischer Seitenhieb?

Die einen vermuteten eine politische Botschaft der Queen: Sie sende eine subtile Nachricht, mutmaßten die einen. Sie sei wohl bisher geheim im Lager der „Remainer“ gewesen und oute sich jetzt, hieß es etwa. Andere wiederum vermuteten eher einen ironischen Seitenhieb auf die Regierung von Theresa May.

Allerdings: Bisher war die Queen weder durch parteipolitische Statements noch durch trockenen britischen Humor aufgefallen. Vielleicht werde diese Queen’s Speech in die Geschichte eingehen, hieß es auf Twitter.

Auch einige Politiker äußerten sich: Der Labour-Abgeordnete Paul Flynn sprach von einem „Anti-Brexit-Hut“. Und der „Brexit“-Beauftragte des Europaparlaments, der liberale Belgier Guy Verhofstadt, twitterte: „Eindeutig werden einige in Großbritannien noch von der EU inspiriert.“

Gesetzesvorhaben im Hintergrund

Das Outfit der Queen lenkte die öffentliche Aufmerksamkeit auch vom Inhalt der Regierungserklärung ab. Im Mittelpunkt standen acht Gesetzesentwürfe, mit denen der Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union geregelt werden soll. Kernstück der britischen „Brexit“-Gesetze ist das Große Aufhebungsgesetz (Great Repeal Bill), das EU-Vorschriften in britisches Recht übertragen soll.

Etwa 20.000 EU-Regeln werden in einem Schwung in nationales Recht überführt. Laut dem Programm soll Großbritannien nach dem Brexit unter anderem neue Gesetze zu Zöllen, Handel und Einwanderung bekommen. Damit würde dann auch die Freizügigkeit für EU-Bürger enden, das heißt, sie können beispielsweise in Großbritannien nicht mehr ohne Arbeitserlaubnis arbeiten oder in dem Land wohnen.

Umstrittene Pläne fallen gelassen

Nach den Terroranschlägen der vergangenen drei Monate in London und Manchester plant die Regierung auch eine neue Einsatztruppe für den Katastrophenschutz sowie eine Anti-Extremismus-Kommission. Mehrere umstrittene Vorhaben, die May im Wahlkampf angekündigt hatte, ließ die Premierministerin fallen. Dazu gehören die Streichung des kostenlosen Schulessens für alle sowie eine Reform der Finanzierung von Altenpflege.

Auch die Wiedereinführung der umstrittenen Fuchsjagd taucht nicht mehr im Regierungsprogramm auf. Einige Vorhaben dürften gänzlich gestrichen worden sein, bei einigen überlegen die Konservativen Nachschärfungen. Nicht erwähnt wurde der eigentlich geplante Besuch von US-Präsident Donald Trump in Großbritannien - ein Indiz, dass dieser tatsächlich nicht stattfindet.

Noch immer keine Mehrheit

Eigentlich sollte die feierliche Parlamentseröffnung bereits am Montag stattfinden, wegen der anhaltenden Gespräche über die Regierungsbildung wurde der Termin aber um zwei Tage verschoben. Eine Regierungsmehrheit haben die Torys nach der vorgezogenen Neuwahl noch immer nicht: Die Verhandlungen mit der erzkonservativen nordirischen Democratic Unionist Party (DUP), die zehn Angeordnete als Mehrheitsbeschaffer beisteuern will, sind immer noch nicht abgeschlossen.

Abstimmung nächste Woche

Im Anschluss an die Queen’s Speech diskutiert das Parlament in der Regel mehrere Tage über ihren Inhalt und stimmt voraussichtlich Mittwoch oder Donnerstag nächster Woche ab. Diese Abstimmung über das Regierungsprogramm ist de facto eine Vertrauensabstimmung für die neue Regierung. Sollte sie scheitern, hätte die Gegenseite - also Jeremy Corbyns Labour-Partei - das Recht auf den nächsten Versuch. Derzeit ist rein rechnerisch kaum vorstellbar, wie er eine Zustimmung zu einer Minderheitsregierung im Parlament bekommen könnte. Eine zweite Neuwahl in Großbritannien in einem Jahr wäre dann wohl sicher.

Links: