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Freiheit durch freie Zeiteinteilung

Welche Rolle spielen Designer in einer nahen durchdigitalisierten Zukunft? Wenn es nach der Ausstellung „StadtFabrik: Neue Arbeit. Neues Design“ im Wiener Museum für angewandte Kunst (MAK) geht, eine große: als Gestalter offener Innovationen für ein gutes nachbarschaftliches und nachhaltiges Zusammenleben jenseits von Gewinnlogik und Rohstoffvergeudung.

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Die „StadtFabrik“ öffnet sich im Rahmen der Vienna Biennale dem erweiterten Designbegriff: „Es werden nur mehr die Dinge gemacht, die auf schlaue Art und Weise unsere Bedürfnisse decken“, so formuliert es das Kuratorenteam vom Institute of Design Research Vienna (IDRV). Denn: „Neues Design weiß, wie viel Rohstoff und wie viel Energie für das Herstellen von Gütern gebraucht werden.“ Der dezidiert politische Anspruch der neuen Designer lautet denn auch: „Wir leben so, dass der Unterschied zwischen Arm und Reich sich aufheben kann.“

An nützlichen, schlau designten Dingen und Apparaturen stehen da so einige in der Ausstellung. Augenfällig etwa das „Air quality egg“ - ein eiförmiges mobiles Luftgütemessgerät, dessen Ergebnisse weltweit geteilt werden können und so ein Bewusstsein schaffen für das lebenswichtige Gemeingut Luft.

Kamera gegen die Wegwerfgesellschaft

Und der „Fair Cap Open Water Filter“, ein kostengünstiger Wasserfilter für die Flasche, als Open-Source-Projekt zugänglich und verbesserbar für alle Interessierten. IDRV-Kuratorin Martina Fineder betont die veränderte Autorenschaft neuen Designs: vom Ich zum Wir. Ideen beitragen für ein neues Projekt könnten erst einmal alle, später brauche es dennoch Menschen, die ein fortgeschrittenes Konzept auch realisierten.

Ausstellungshinweis

„StadtFabrik: Neue Arbeit. Neues Design.“ ist bis 1. Oktober in der Ausstellungshalle des Wiener MAK und an ausgewählten Plätzen in Wien zu sehen.

Geklärt werden müsse auch, wie offen Open-Source-Projekte wirklich sind. Fineder erläutert das am Beispiel von „Apertus Axiom“, einer professionellen Filmkamera. Derzeit werden die ersten 400 tatsächlich gebauten Kameras an die Investoren ausgeliefert, die „Apertus Axiom“ per Crowdfunding mitfinanziert haben. Braucht die Welt eine weitere Filmkamera? Wohl eher nicht. „Apertus Axiom“ versteht sich aber als Gegenentwurf zur Wegwerfgesellschaft. In der Ausstellung kann man ihren modularen Aufbau gut erkennen. Bei technischen Innovationen lässt sie sich einfach nachrüsten, ohne gleich vom Nachfolgermodell ersetzt werden zu müssen.

Bedingungsloses Grundeinkommen als Grundlage

Zum titelgegebenden Punkt „neues Design“ gehören Programmierkenntnisse ebenso wie CNC-Fräsen und 3-D-Drucker. Der Punkt „neue Arbeit“ bezieht sich auf das bedingungslose Grundeinkommen und freie Zeiteinteilung. „StadtFabrik“ zitiert hier Ideen des Sozialphilosophen Frithjof Bergmann, der in einem Interview ebenfalls in der Ausstellung auftaucht: „Wir werden einen Teil unserer Zeit weiterhin für Lohn arbeiten. Wir werden einen anderen Teil unserer Zeit dazu verwenden, für uns selbst zu sorgen. Und einen guten Teil der Zeit verbringen wir mit dem, was wir wirklich, wirklich tun wollen.“

Ausstellungsansicht VIENNA BIENNALE

MAK/Peter Kainz

Die Kuratorinnen der Schau greifen die Ideen des Sozialphilosophen Frithjof Bergmann auf

Zu sehen ist auch Christian Tods Dokumentarfilm „Free Lunch Society“, der die wechselvolle Geschichte des Grundeinkommens nachzeichnet. Das bedingungslose Grundeinkommen ist sozusagen das wirtschaftliche Fundament, auf dem sich all die menschenfreundlichen und bewusstseinsfördernden Projekte in der schönen neuen Welt der „StadtFabrik“ errichten lassen.

„BillaBank“: Abluft für Obdachlose

Eines der Projekte nennt sich „BillaBank“ und stammt vom Wiener Architekturbüro Gaupenraub +/-. „BillaBank“ biegt ein Gitter zur Abwehr Obdachloser über den Abluftschächten vor Billa-Supermärkten gestalterisch um, indem aus dem Gitter eine einladende Bank wird – Überlebenshilfe für kalte Wintermonate. „BillaBank“ dokumentiert auch die Korrespondenz mit der REWE-Gruppe, zu der die Billa-Märkte gehören. Was ist aus der Idee geworden? Auf die Ankündigung, dass sie in der „StadtFabrik“ gezeigt wird, reagierte der Konzern mit Schweigen, sagt Kuratorin Fineder.

Vorwissen gefragt

Wer sich auf die Ausstellung einlässt, sollte einiges an Vorwissen mitbringen. Oder erst einmal den einen oder anderen der „Demonstratoren“ zur Einstimmung besuchen: Zum Beispiel den Aluschmelzofen in der Grüngasse 27 in Wien. Dort werden unter dem Stichwort „Give Al. Don’t waste Al“ Aluminiumverpackungen eingeschmolzen und zu Barren gegossen.

Demonstratoren in der Stadt

eSeL.at/Lorenz Seidler

Erkundet werden neue Wege zum Recycling von Aluminium

Die stapeln sich dann im Ausstellungszeitraum in der „StadtFabrik“ als Symbol für Urban Mining, die Rückgewinnung kostbarer Ressourcen im Stadtraum. Das Ganze übrigens mit Unterstützung der Landesinnung Wien der Spengler und Kupferschmiede und der Montanuniversität Leoben. Es ist noch nicht alles digital im Konzept der „neuen Arbeit“.

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