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Nur 44 Prozent Wahlbeteiligung

Das Lager des französischen Präsidenten Emmanuel Macron hat in der zweiten Wahlrunde eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung gewonnen, könnte aber schwächer abschneiden als erwartet. Nach Hochrechnungen verschiedener Institute kamen Macrons Partei La Republique en Marche und ihre Verbündeten im zweiten Wahlgang auf 361 der 577 Sitze.

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Macrons Partei kam zusammen mit der verbündeten Zentrumspartei MoDem auf deutlich mehr als die 289 Sitze, die für eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung nötig sind. Meinungsforscher hatten allerdings mit einer noch größeren Mehrheit von bis zu 470 Mandaten gerechnet.

Sozialisten und Konservative schwer geschlagen

Für Sozialisten und Konservative setzte es wie erwartet schwere Verluste. Das konservative Lager erzielte den Hochrechnungen zufolge zwischen 125 und 130 Abgeordnetenmandate. Der neue Oppositionsführer Francois Baroin von den konservativen Republikanern sagte, seine Fraktion werde trotz deutlicher Verluste ihre „Werte verteidigen“.

Die Sozialisten von Ex-Staatschef Francois Hollande und verbündete linke Parteien kamen demnach sogar nur auf 45 bis 49 Sitze in der Nationalversammlung. Sozialistenchef Jean-Christophe Cambadelis nannte das Wählervotum „unmissverständlich“ und kündigte seinen Rücktritt an.

Grafik zur ersten Hochrechnung der französischen Parlamentswahl

Grafik: APA/ORF.at

Allerdings: Für beide Parteien war nach der ersten Wahlrunde ein noch schlechteres Abschneiden prognostiziert worden. Die Appelle der beiden Parteien zur Schadensminimierung, dass mit einem Erdrutschsieg Macrons die Opposition quasi abgeschafft werde, dürften also zumindest ein wenig gefruchtet haben.

Le Pen holt Mandat

Linkspartei und Kommunisten gewannen rund 25 Mandate, der rechtsextreme Front National (FN) von Marine Le Pen acht Sitze. Parteichefin Le Pen selbst gewann in ihrem Wahlkreis in Nordfrankreich und zieht damit erstmals in die Nationalversammlung ein. Allerdings verfehlt sie die für eine Fraktionsbildung nötigen 15 Sitze klar.

Am Sonntag wurde noch in 573 Wahlkreisen gewählt: Vier Kandidaten hatten es bereits vor einer Woche geschafft, in ihrem Wahlkreis die absolute Mehrheit zu erobern. In allen anderen durften jene Kandidaten antreten, die im ersten Wahlgang mehr als 12,5 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnten. Im zweiten Durchgang reichte nun die relative Mehrheit.

Wahlmüde und politikverdrossen

Die Wahlbeteiligung erreichte einen historischen Tiefpunkt und lag bei knapp 44 Prozent, noch deutlich unter der Beteiligung am vergangenen Sonntag. Die Wahlbeteiligung bei der Parlamentswahl ist in Frankreich traditionell deutlich niedriger als bei der Wahl des mächtigen Staatschefs. Schon vergangene Woche hieß es, die Menschen seien nach einem monatelangen Marathon mit Vorwahlen und Präsidentenkür ermüdet.

Erste Hochrechnung aus Frankreich

ORF-Korrespondentin Eva Twaroch mit der ersten offiziellen Hochrechnung, wonach Macrons Partei mit 360 Sitzen weit weniger siegreich wäre als angekündigt.

Beobachter meinen zudem, dass das Fernbleiben von den Wahlzellen dieselbe Politikverdrossenheit zeige, die auch für die Abwahl der traditionellen Parteien sorgt. Manche Wähler wiederum meinten, die Mehrheit für Macrons Partei sei ohnehin so deutlich, dass ihre Stimme nichts bewirken werde. Und schließlich sorgte auch das sommerliche Wetter dafür, dass viele Franzosen den Tag anders nutzen wollten als mit der Ausübung ihrer demokratischen Rechte.

Macron will schnell Reformen umsetzen

Macron war vor sechs Wochen als jüngster französischer Präsident aller Zeiten in den Elyseepalast gewählt worden. Der 39-Jährige will noch in diesem Monat eine umstrittene Lockerung des Arbeitsrechts und ein neues Anti-Terror-Gesetz auf den Weg bringen. Außerdem strebt er in der vom angekündigten Austritt Großbritanniens verunsicherten Europäischen Union weitreichende Reformen an und hofft dabei auf eine enge Zusammenarbeit mit Deutschland. Schon zum am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel wollen Macron und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel einen gemeinsamen Beitrag leisten.

Emmanuel Macron im Wahllokal

AP/Christophe Archambault

Macron bei der Stimmabgabe

Freie Hand für den Präsidenten

Mit der klaren Mehrheit in der Nationalversammlung hat Macron nun weitgehend freie Hand für seine Gesetzespläne. Bremsen könnte allenfalls der Senat, die zweite Parlamentskammer wird von der bürgerlichen Rechten dominiert. Allerdings sitzt die Nationalversammlung bei der Verabschiedung von Gesetzen am längeren Hebel. Vor allem bei der geplanten Arbeitsmarktreform sind außerdem Protestkundgebungen von Gewerkschaften zu erwarten.

Nach der Wahl könnten Macron und sein Premierminister Edouard Philippe wie in Frankreich üblich ihre Regierungsmannschaft nachjustieren. Eine größere Kabinettsumbildung gilt angesichts des Ergebnisses allerdings als unwahrscheinlich.

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