Reisen durch die Jahrzehnte
Das Österreichische Verkehrsbüro feiert heuer sein 100. Jubiläum. 1917 als „Propagandabüro“ für den Fremdenverkehr der k. u. k. Monarchie gegründet, ist die mittlerweile privatisierte Verkehrsbüro Group bis heute Österreichs größter Tourismuskonzern.
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Der Erste Weltkrieg im Gründungsjahr war noch voll im Gange, und doch hatte der Staat bereits den Tourismus nach Kriegsende im Visier. Beim „Verkehrsbureau“, das schließlich am 29. Dezember 1917 final eröffnet wurde, sollten die Fäden zusammenlaufen - Aufgabe war vor allem die Bewerbung des österreichischen Fremdenverkehrs, aber auch die Organisation von Fahrten, der Verkauf von Tickets für Bus- und Zugsreisen sowie der Betrieb von Reisebüros.
Jähes Ende für frühen Boom
Das Geschäft mit der Sommerfrische erwies sich als einträglich. 1921 wurden bereits 3,7 Millionen Tickets ausgestellt. 1923 wurde enorm expandiert: Neben 363 Auslandsvertretungen eröffnete das Verkehrsbüro auch das Grand Hotel St. Wolfgang und beteiligte sich an der Gründung der Österreichische Luftverkehrs AG (ÖLAG), der ersten Linienfluggesellschaft Österreichs nach dem Krieg. Aufgrund des florierenden Geschäfts ließ sich das Verkehrsbüro 1923 in der Friedrichstraße in Wien von den Otto-Wagner-Schülern Hermann Aichinger und Heinrich Schmid ein opulentes Hauptquartier neben der Secession errichten - das heutige Novomatic Forum.

Verkehrsbüro Group
Das heutige Novomatic Forum war bis 2007 Zentrale des Verkehrsbüros
Dieser Hochkonjunktur wurde durch die Weltwirtschaftskrise ab 1929 und die 1933 vom Deutschen Reich verhängte „Tausend-Mark-Sperre“ ein jähes Ende bereitet. Bei letzterer handelte es sich um eine Sanktion, laut der deutsche Staatsbürger fortan beim Grenzübertritt nach Österreich dem Deutschen Reich eine Gebühr von 1.000 Reichsmark zahlen mussten. Ziel war die Schwächung der Wirtschaft des Ständestaats, der vor allem von Deutschen bereist wurde. Nach dem „Anschluss“ Österreichs wurde das Verkehrsbüro liquidiert und in das „Mitteleuropäische Reisebüro“ eingegliedert.
265 Tourismusbetriebe nach Krieg zerstört
Nach Kriegsende waren Wirtschaft und Tourismus am Boden und die Infrastruktur erheblich zerstört. 265 Tourismusbetriebe mit fast 7.000 Betten waren nicht oder kaum nutzbar. Dazu kamen Not und Versorgungsprobleme sowie die verminderte Bewegungsfreiheit aufgrund der Besatzungszonen.
In den unmittelbaren Nachkriegsjahren organisierte das neu gegründete Verkehrsbüro vor allem Heimkehrertransporte, Kinderverschickungen, Reisen hochrangiger Persönlichkeiten und Sportmannschaften sowie kurze Fahrten innerhalb Österreichs. Die Nachfrage nach Reisen brach aber nicht ein: Während im Juni 1937 nur 35.000 Personen vom Verkehrsbüro abgefertigt wurden, waren es im Juni 1946 48.000 Personen - davon reisten aber nur 400 ins Ausland.
Reisen erobert den Massenmarkt
In den 1950er Jahren brach schließlich auch für das Verkehrsbüro die goldene Zeit des einsetzenden Tourismusbooms an. Im Laufe der Jahre wurde das Land wiederaufgebaut und für Touristen aus dem Ausland geöffnet. Sozialer, technischer und wirtschaftlicher Fortschritt ermöglichte es immer mehr Menschen zu verreisen. Mit dem BIB-Programm („billig, ideale Erholung, bequem“) wurden finanzierbare Angebote für die breite Masse geschaffen - die Reisen gingen zunehmend auch ins Ausland.

Verkehrsbüro Group
Bis in die 1950er Jahre dominierten Fahrten in die Bundesländer das Angebot des Verkehrsbüros
„In den 50er Jahren entwickelte sich so das Verkehrsbüro vom Reisebüro für Touristen in Österreich zum wichtigsten Reiseveranstalter für Auslandsreisen“, so Verkehrsbüro-Vorstandsdirektorin Helga Freund. Die Übernachtungen im Ausland stiegen 1955 innerhalb eines Jahres um 29,6 Prozent. 1961 machte das Verkehrsbüro einen Rekordumsatz von 520 Millionen Schilling. Damit wurden die Einnahmen innerhalb von zehn Jahren verfünffacht.
Expansion in die Krise
Danach ging es steil bergauf, und das Verkehrsbüro expandierte enorm. 1974 war das Unternehmen, das mittlerweile mehrheitlich der Republik gehörte, bereits ein Großkonzern mit 17 Beteiligungen und einem Reisebüro- und Hotelnetz über ganz Österreich. Der starke Ausbau vor dem Hintergrund des Ölpreisschocks und seiner Folgen stürzte das Unternehmen aber in die größte Krise seiner bisherigen Existenz: Aus einem Gewinn von 1,6 Millionen Schilling wurde ein Verlust von minus 66,9 Millionen.
1990 wurde das Verkehrsbüro schließlich privatisiert, es folgte eine Reihe von Zukäufen. Die Fusion mit Austropa Hotels und Austria Trend Hotels machte es etwa zu dem größten Hotelkonzern Österreichs mit 30 Häusern. Der größte Schritt folgte 2004: Damals gab die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) grünes Licht für eine Fusion des Verkehrsbüros mit der Reisebürokette RUEFA, neben der TUI-Gruppe und ihren Franchises der einzig relevante Konkurrent auf dem Markt. Heute firmieren alle Reisebüros des Konzerns unter dem Namen RUEFA. Der Kauf soll für knapp 20 Millionen Euro über die Bühne gegangen sein.
Wandel durch Onlinebuchungen und Politik
Der Wandel im Reiseverhalten - als Stichwörter seien nur Airbnb und Onlinebuchungen genannt - bringt auch das rund 2.800 Mitarbeiter zählende Unternehmen in Bewegung. Terror und instabile politische Lagen in klassischen Reiseländern wie der Türkei und nordafrikanischen Staaten beeinflussen das Geschäft ebenfalls.
Im vergangenen Jahr habe das Reisegeschäft des Unternehmens vor allem stark unter dem Umsatzausfall der Türkei gelitten. Nun erwarte man für heuer eine steigende Ergebnisentwicklung. Bis dato hätten vor allem Fernreisen und Kreuzfahrten zugelegt. 2016 machte der Konzern rund 870 Millionen Euro Umsatz, der Gewinn lag bei 12,3 Millionen Euro.
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