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Entsetzen über Gewalt an Minderheit

Nur wenige Stunden hat es am Freitag gedauert, bis Ägypten seine angekündigten Vergeltungsschläge in die Tat umsetzte: Nach dem Anschlag auf einen Bus mit koptischen Christen bombardierte die ägyptische Luftwaffe nach Angaben der Staatsmedien sechs Terroristencamps im Nachbarland Libyen.

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Ziel der Angriffe seien Ausbildungslager von Dschihadisten in der Küstenstadt Derna gewesen, meldete das Staatsfernsehen am Freitag. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi hatte kurz zuvor Vergeltungsangriffe verkündet, ohne aber Einzelheiten zu nennen. „Ägypten wird nicht zögern, Terroristencamps hierzulande oder im Ausland anzugreifen“, sagte Sisi.

Die ägyptische Luftwaffe hatte bereits im Februar 2015 Angriffe auf Stellungen der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Libyen geflogen, nachdem IS-Kämpfer ein Video veröffentlicht hatten, das die Enthauptung von 21 Christen aus Ägypten zeigte.

Eine Karte zeigt die ägyptische Ortschaft al-Minja

OSM/ORF.at

Der Anschlag zuvor hatte Bestürzung auch weit über die Landesgrenzen hinaus ausgelöst. Unbekannte hatten in der Nähe der Stadt al-Minja das Feuer auf das Fahrzeug der Minderheit eröffnet. Der Bus soll in einem kleinen Konvoi unterwegs zu einem Kloster gewesen sein. Ungefähr zehn bewaffnete Menschen eröffneten das Feuer auf den Bus, schilderten Augenzeugen. Die „New York Times“ berichtete, dass sich unter den Opfern auch Kinder befinden sollen. Der IS hat den Angriff am Samstag in Ägypten für sich reklamiert. Eine Gruppe des IS habe die koptischen Christen angegriffen, meldete das IS-Propagandasprachrohr Amak über das Internet.

US-Präsident Donald Trump verurteilte am Freitag die Tat mit drastischen Worten. „Die Terroristen führen einen Krieg gegen die Zivilisation“, hieß es in einer Mitteilung Trumps, die das Weiße Haus veröffentlichte. Alle, die das Leben wertschätzten, müssten dagegen vorgehen, forderte er. „Überall wo das Blut Unschuldiger vergossen wird, erhält die Menschheit eine Wunde.“ Die USA stünden an der Seite des ägyptischen Volkes, wenn es gelte, den gemeinsamen Feind zu besiegen. Amerika werde auch alles Nötige tun, um sein eigenes Volk zu schützen.

Auch UNO-Generalsekretär Antonio Guterres verurteilte den Angriff aufs Schärfste. „Es kann keine Rechtfertigung geben für solch furchtbare Gewalt“, sagte er. Guterres sprach den Opfern und den Hinterbliebenen sowie der Regierung und dem Volk Ägyptens sein Mitgefühl aus.

Betroffenheit in Österreich

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat den Anschlag am Freitag scharf verurteilt. „Meine aufrichtige Anteilnahme gilt den Opfern und ihren Familien. Die Versuche radikalislamistischer Gruppen, Ägypten zu destabilisieren, werden keinen Erfolg haben“, schrieb Kern auf Facebook. „Österreich und Europa stehen an der Seite des ägyptischen Volkes und der vom Terror geplagten Kopten. Die Beiträge Europas zur wirtschaftlichen Entwicklung und die gemeinsamen Maßnahmen zur Bekämpfung von Terror werden wir wie vereinbart fortsetzen.“ Kern hatte Ägypten erst am Mittwoch besucht.

„Tief betroffen und entsetzt“ über den jüngsten Anschlag zeigte sich auch Kardinal Christoph Schönborn. Sein Gebet und sein Mitgefühl seien bei den Opfern und ihren Angehörigen, so der Kardinal am Freitag gegenüber Kathpress. Jedes neue Attentat mache deutlich, dass der Hass nicht das letzte Wort haben darf, so Schönborn.

45 Tote bei Anschlag im April

Ägyptens Christen waren bereits mehrfach Ziel von Anschlägen. Anfang April starben bei einem Doppelanschlag auf Kirchen in Alexandria und in Tanta mehr als 45 Menschen. Der IS reklamierte die Taten für sich.

Anfang Mai drohten die Extremisten mit neuen Angriffen auf Christen. Muslime sollten Ansammlungen von Christen und Ausländern aus dem Westen meiden, warnte ein namentlich nicht genannter Anführer der Gruppe in einem Interview der IS-Publikation „al-Nabaa“. Er forderte Muslime auch dazu auf, Einrichtungen der ägyptischen Armee, Polizei und Regierung fernzubleiben.

Rund zehn Prozent Christen in Ägypten

Papst Franziskus äußerte sich „tief betrübt“ über die „barbarische“ Gewalttat. Er hatte Ägypten Ende April bei einem Besuch in Kairo im Kampf gegen religiösen Extremismus und Terror gegen Christen in die Pflicht genommen. Die Probleme müssten sofort angegangen werden, „um ein noch schlimmeres Abdriften in die Gewalt zu vermeiden“, sagte der Papst bei einem Treffen mit Staatspräsident Sisi. Christen machen rund zehn Prozent der mehr als 90 Millionen Ägypter aus.

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