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Der Sommer, der im Jänner begann

Im Mai 1966 hat sich Jimi Hendrix noch Jimmy James genannt und als Begleitgitarrist in seiner Heimat, den USA, gerade einmal sein Auslangen gefunden. Damals wurde in New York City der Engländer Chas Chandler auf den jungen Musiker aufmerksam und lud ihn nach London ein. Dort wurde mit der Jimi Hendrix Experience eine Band ins Leben gerufen, bei der Hendrix als Sänger, Gitarrist und Songwriter im Fokus stand.

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Chandler hatte sich gerade vom aktiven Leben als Musiker verabschiedet und mit Hendrix den ersten Künstler gefunden, den er als Manager und Plattenproduzent zu betreuen versuchte. Dabei spielte er in der Karriere des Gitarrenvirtuosen eine entscheidende Rolle. Nicht nur ermunterte Chandler ihn, selbst Songs zu schreiben, er bot ihm in London auch eine erste Unterkunft und finanzierte die erste Single der Jimi Hendrix Experience - bevor diese überhaupt einen Plattenvertrag hatte.

Kongeniale Mitmusiker

Diese erste Single war eine verlangsamte Version des Folksongs „Hey Joe“ und nach ihrer Veröffentlichung im Dezember 1966 ein unmittelbarer Erfolg. Kongenial unterstützt von den beiden Mitmusikern der Experience, Mitch Mitchell am Schlagzeug und dem Gitarristen Noel Redding am Bass, wusste Hendrix das erste Mal für ein großes Publikum mit seinem unverkennbaren Gitarrensound zu punkten. Für seine Verhältnisse war die Nummer aber nicht viel mehr als eine Fingerübung.

Plattencover von "Are You Experienced" von Jimi Hendrix Experience

Bruce Fleming

„Are You Experienced“, Hendrix’ erstes Album

Am 12. Mai 1967 wurde schließlich das Debüt „Are You Experienced“ veröffentlicht, und wie damals üblich, unterschieden sich die für den europäischen und US-amerikanischen Markt produzierten jeweiligen Versionen des Albums ein wenig voneinander in puncto Titelauswahl. Auf der auf dem alten Kontinent erhältlichen Ausgabe wurde die Platte mit dem Song „Foxy Lady“ eröffnet, die US-Version begann mit „Purple Haze“ - bis heute zwei der bekanntesten Hendrix-Songs.

Psychedelic Rock, Rhythm and Blues und Jazz

Neben Hendrix’ bis dahin ungehörtem Umgang mit der E-Gitarre und seinem souveränen Songwriting überraschte auch die Bandbreite der gebotenen Stile: von Psychedelic Rock über Rhythm and Blues und Soul bis hin zu Jazz und zurück - „Are You Experienced“ begeisterte Kritiker wie Publikum gleichermaßen. Doch Hendrix war nicht nur Musiker, sondern auch Showman, der sein Publikum live in Staunen versetzen konnte.

Dieses Talent konnte der damals 24-Jährige bereits einen Monat später in den USA vor einer breiteren Öffentlichkeit unter Beweis stellen. Beim Monterey Pop Festival in Kalifornien, zwei Jahre vor Woodstock die Blaupause aller darauffolgenden Open-Air-Festivals, trat auf, was damals Rang und Namen hatte: The Animals, Simon & Garfunkel, The Byrds, Jefferson Airplane und The Mamas and the Papas waren nur einige der Künstler, die von 16. bis 18. Juni dort live spielten.

Triumphaler Auftritt in Monterey

Janis Joplin sorgte als Sängerin von Big Brother and the Holding Company erstmals für Aufsehen, Soulsänger Otis Redding konnte nun auch ein dezidiert weißes Publikum für sich gewinnen, und die britische Band The Who empfahl sich mit ihrem Auftritt endgültig für den US-amerikanischen Markt. Eines der Highlights sollte das Konzert der Jimi Hendrix Experience werden.

Hendrix spielte seine Fender Stratocaster einhändig, hinter dem Rücken und mit den Zähnen, arbeitete mit Rückkoppelungen und dem Vibratohebel seiner Gitarre, spielte Melodie und Rhythmus gleichzeitig und fiel mit seinem Aussehen und seinen erotischen Andeutungen auf. Beim letzten Song, einer Coverversion der Troggs-Nummer „Wild Thing“, ging er schließlich aufs Ganze: Er zündete seine Gitarre an, schmetterte sie siebenmal auf den Boden und warf die Überreste ins Publikum. Die USA waren erobert.

Höhepunkt des „Summer of Love“

Das Monterey Pop Festival, an dessen Ikonisierung auch D. A. Pennebakers Film „Monterey Pop“ seinen Anteil hatte, war der Höhepunkt des „Summer of Love“. Als dessen Epizentrum gilt die nördlich von Monterey gelegene Metropole San Francisco. Der „Sommer“ begann allerdings schon im Jänner 1967 nach dem Verbot der Droge LSD mit einer Versammlung im Golden Gate Park, bei der auch LSD-Befürworter Timothy Leary, Autor Allen Ginsberg und die Band Jefferson Airplane zugegen waren.

Menschen in Haight-Ashbury 1967, San Francisco

AP

Szene aus Haight-Ashbury in San Francisco, 1967

Daraufhin zog es junge Leute aus den ganzen USA in den Stadtteil Haight-Ashbury, erstmals waren Hippies auch einer breiten Öffentlichkeit ein Begriff. Doch schon in den Jahren davor gab es mehrtägige Partys in San Francisco, nicht zuletzt als Reaktion auf den Vietnam-Krieg. Nicht zu unterschätzen ist auch der Einfluss des Songs „San Francisco (Be Sure to Wear Flowers in Your Hair)“ von Scott McKenzie, in dem die Ereignisse dieses Sommers auf den Punkt gebracht werden.

Lichtshows und Miniröcke in London

Auch in der britischen Hauptstadt London gab es ein Äquivalent zum kalifornischen „Summer of Love“. Im UFO Club in der Tottenham Court Road traten Bands zu neuartigen Lichtshows auf, allen voran eine Psychedelic-Rock-Gruppe namens Pink Floyd, deren Debütalbum „The Piper at the Gates of Dawn“ im August des Jahres herauskam. In der Nähe der Kings Road wiederum konnten sich junge Menschen einkleiden und Kaftans, Miniröcke sowie viktorianisch anmutende Kleidung erwerben.

Dem Establishment war das bunte Treiben jedoch suspekt, prominente Protagonisten wie Mick Jagger und Keith Richards von den Rolling Stones wurden wegen Drogenbesitzes verhaftet. Musikalisch tonangebend waren hingegen The Beatles. Deren im Juni veröffentlichter Longplayer „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ war wegweisend in Sachen psychedelischer Pop und gilt bis heute als Meisterwerk.

Düster, rätselhaft und pessimistisch

Zum Soundtrack dieser Monate gehörte auch die Musik einer jungen Band aus Los Angeles. The Doors hatten ihr erstes Album im Jänner, ihr zweites, „Strange Days“, bereits im September 1967 veröffentlicht. Wirkliche Hippies waren die Musiker um Sänger Jim Morrison aber nicht, dafür waren ihre Songs viel zu düster, rätselhaft und pessimistisch.

Am 6. Oktober war der „Summer of Love“ ohnehin vorbei. Unter dem Motto „The Death of the Hippie“ wurde in San Francisco ein Hippie symbolisch zu Grabe getragen. Den Initiatoren war der Zustrom an Möchtegernhippies aus dem ganzen Land zu viel geworden, sie postulierten: „Kommt nicht her, denn es ist vorbei.“ Dass die Stadt nun zum 50. Jubiläum den „Summer of Love“ mit einer Fülle von Veranstaltungen feiern will, hätte ihnen wahrscheinlich weniger gefallen.

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