Bürgermeister von Le Havre
Der konservative Politiker Edouard Philippe wird neuer französischer Premierminister. Staatschef Emmanuel Macron ernannte den 46-jährigen Abgeordneten und Bürgermeister der nordfranzösischen Hafenstadt Le Havre am Montag zum Regierungschef, wie der Präsidentenpalast mitteilte.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Philippe wurde 2012 in die französische Nationalversammlung gewählt und ist seit 2010 Bürgermeister. Der langjährige Vertraute des früheren Premierministers und Mitte-rechts-Politikers Alain Juppe war der breiteren Öffentlichkeit bisher unbekannt, genießt aber in Le Havre gute Beliebtheitswerte und gilt als modern. Philippe löst den Sozialisten Bernard Cazeneuve als Premierminister ab.
Blick auf Parlamentswahl
Es ist in Frankreich höchst ungewöhnlich, dass ein Präsident aus freien Stücken einen Politiker aus einem anderen politischen Lager zum Regierungschef macht. Die Personalie hat große Bedeutung mit Blick auf die Parlamentswahl im Juni. Macron muss bei der Wahl zur Nationalversammlung am 11. und 18. Juni eine Mehrheit erringen, um seine Reformagenda umsetzen zu können. Ansonsten würde sein Handlungsspielraum stark eingeschränkt.

APA/AFP/Loic Venance
Philippe, hier gemeinsam mit Macron auf einem Bild aus dem Vorjahr, gilt politisch als aufgeschlossen
Mit Philippes Ernennung sendet Staatschef Macron ein klares Signal an das konservative Lager. Die Ernennung Philippes werde „die Rechte zerbrechen“, verlautete es gar aus Macrons Umfeld. Der Präsident will möglichst viele Politiker anderer Parteien dazu bewegen, mit ihm zusammenzuarbeiten. Das dürfte sich auch in der Zusammensetzung des Kabinetts widerspiegeln. Die Vorstellung der vorläufigen Regierungsmannschaft wird für Dienstag erwartet.
Gemeinsamkeiten mit Macron
Der künftige Regierungschef gilt als Politiker, der nur wenige Berührungsängste mit anderen politischen Lagern hat. Mit Macron hat er mehrere Gemeinsamkeiten: Beide sind Absolventen der Elitehochschulen Sciences Po und ENA, beide sammelten vor ihrer politischen Karriere Erfahrungen im privaten Sektor. Macron arbeitete bei der Investmentbank Rothschild, Philippe bei einer Anwaltskanzlei und dem französischen Atomkonzern Areva.
Zuvor, zwischen 2002 und 2004, war Philippe unter Juppe Generaldirektor der neugegründeten Partei UMP, die später in Republikaner umbenannt wurde. Er gilt als Vertreter des liberalen Flügels seiner Partei. Notiz am Rande: Gemeinsam mit seinem Parteikollegen Gilles Boyer schrieb Philippe zudem zwei Politthriller. Mit 46 Jahren wird Philippe der jüngste französische Premier seit mehr als 30 Jahren.
Konservative bestreiten Vereinbarung mit Macron
Die Konservativen haben nach Philippes Ernennung betont, dass es keine politische Vereinbarung mit Macron gebe. Der Parteichef der bürgerlichen Republikaner, Bernard Accoyer, bezeichnete den Eintritt von Philippe in die Regierung als „individuelle Entscheidung“.
„Wird dieser neue Premierminister die Kandidaten von En Marche unterstützen - oder die Kandidaten der Republikaner, die Kandidaten seiner eigenen politischen Familie?“, so Accoyer. Auf Nachfrage betonte er aber, ein Parteiausschluss komme nicht in Betracht. Der konservative Senator Francois Baroin hatte zuvor gewarnt, wer sich Macron annähere, werde aus der Partei ausgeschlossen.
Andere wiederum plädieren für eine Annäherung an Macron. So sprachen sich am Montag rund 20 Abgeordnete der Konservativen und der verbündeten Zentrumspartei UDI dafür aus, „die ausgestreckte Hand“ Macrons anzunehmen. Auch Juppe deutete indes an, dass er Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit Macron sieht. Falls die bürgerliche Rechte keine Mehrheit in der Nationalversammlung bekomme, „würde das Land es nicht verstehen, wenn wir eine systematische Opposition betreiben“, sagte er.
Erster Auslandsbesuch bei Merkel
Am Nachmittag kam Macron zu seinem Antrittsbesuch in Berlin an. Begrüßt wurde vor dem deutschen Kanzleramt mit militärischen Ehren. Bei dem Gespräch mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel sollten europapolitische Fragen und die deutsch-französische Zusammenarbeit im Mittelpunkt stehen.
Unmittelbar vor Macrons Besuch sprach sich Merkel gegen das Aufstellen von Tabus in der EU-Zusammenarbeit aus und warnte vor einer „Besserwissermentalität“ gegenüber Frankreich. Vor dem Kanzleramt in Berlin demonstrierten mehrere hundert Anhänger der Organisation „Pulse of Europe“ mit Europafahnen. „Im Namen der Freundschaft“ war auf Transparenten zu lesen.
Gespräche über Reform der Euro-Zone
Macron wirbt für einen Euro-Haushalt, einen eigenen EU-Finanzminister und ein Parlament für die Euro-Zone. Zu dem Extrahaushalt der Euro-Zone sagte Regierungssprecher Steffen Seibert, Merkel habe schon 2013 vorgeschlagen, über ein solches Budget Länder der Euro-Zone bei ihren Reformen zu unterstützen. Auch am Montag werde eine Reform der Euro-Zone Thema sein.
Große Teile der deutschen Regierung stehen diesen Reformvorschlägen aber ablehnend gegenüber: Finanzminister Wolfgang Schäuble etwa äußerte Vorbehalte gegen Macrons Ideen zur Schaffung eines gemeinsamen europäischen Finanzministers und eines gemeinsamen Budgets. EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) nannte die Forderungen „eher Träume“, unterstützte aber dessen Forderungen nach einer Stärkung der Währungsunion.
Gabriel für schnellen Schulterschluss
Ein Sprecher des deutschen Außenministers Sigmar Gabriel schlug eine gemeinsame deutsch-französische Kabinettssitzung unverzüglich nach der Parlamentswahl in Frankreich Mitte Juni vor. Es komme jetzt darauf an, „sehr schnell“ konkrete Vereinbarungen zu treffen. Auf EU-Ebene gebe es viele institutionelle Fragen zu klären.
Er bestätigte zugleich, dass vom Außenministerium ein Vorschlag für einen deutsch-französischen Pakt für die Zukunft Europas ausgearbeitet wurde. Darin geht es um eine gemeinsame Initiative für Zukunftsinvestitionen, die auf Wachstum und Arbeitsplätze abzielen. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hatte am Wochenende Auszüge aus einem Papier Gabriels veröffentlicht.
Le Pen wieder FN-Vorsitzende
Indes ist Marine Le Pen, Macrons Konkurrentin im Wahlkampf, wieder zurück an die Spitze des Front National (FN) gerückt. Das teilte der FN-Interimsvorsitzende Steeve Briois am Montag über den Kurzbotschaftendienst Twitter mit. „Kurs auf die Parlamentswahl“, schrieb der Europaabgeordnete und Bürgermeister der FN-Hochburg Henin-Beaumont. Sie hatte den FN-Vorsitz nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahl vorübergehend niedergelegt. Sie wollte nach eigenen Angaben „über den Parteiinteressen“ stehen.
Links: