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Vorschusslorbeeren und schwierige Lage

Bereits in wenigen Tagen wird der gewählte französische Präsident Emmanuel Macron die deutsche Kanzlerin Angela Merkel treffen. Kurz nach der Angelobung wird er zur ersten Auslandsreise nach Berlin starten, war aus dem Umfeld Macrons zu hören. Es steht sowohl für Paris und Berlin als auch für ganz Europa viel auf dem Spiel.

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Zwar steht noch die französische Parlamentswahl im Juni an - von ihr wird entscheidend abhängen, wie viel Macron politisch bewegen kann; und im Herbst wird in Deutschland der Bundestag neu gewählt. Doch klar ist: Macron und Merkel wollen rasch eine persönliche Basis schaffen, die nötig ist, um in beiden Ländern, vor allem aber in Europa selbst etwas zu bewegen.

Es geht vor allem darum, die Fliehkräfte in Europa - außerordentlich verstärkt durch die andauernde Politkrise rund um die Flüchtlings- und Migrationsbewegung und den „Brexit“ - wieder einzudämmen. Pessimistischere Stimmen finden sogar, es gehe darum zu verhindern, dass nationalpolitisches Hickhack den europäischen Einigungsprozess gefährdet, der über Zusammenarbeit und Verzahnung von Interessen seit Jahrzehnten den Frieden in Europa sichert.

Europas Motor soll wieder auf Volltouren laufen

Seit Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl im Jahr 1950 gilt die Kooperation von Frankreich mit Deutschland, die durch die beiden Weltkriege miteinander verfeindet waren, wahlweise als „Motor“ und als „Tandem“ Europas. Der „stotternde Motor“ bei schwereren Differenzen zwischen den beiden Staaten ist weit über EU-Zirkel hinaus längst ein geflügeltes Wort.

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel wird 2012 von Frankreichs Päsidenten Francois Hollande empfangen

APA/AFP/Bertrand Langlois

Ergeht es Macron wie Hollande im Juni 2012? Beim ersten Treffen des damals neu gewählten Präsidenten mit Merkel erhielt er eine ebenso freundliche wie bestimmte Abfuhr zum Thema Euro-Bonds.

Mit dem Sozialisten Francois Hollande hatte Merkel stets ein korrektes Verhältnis, wirklich innig war es freilich nie. Am Montag begingen die beiden Politiker jedenfalls ihr letztes Treffen, bei dem Merkel Hollande laut ihrem Sprecher „für die enge Zusammenarbeit in den vergangenen fünf Jahren, für ein gutes Kapitel deutsch-französischer Freundschaft, für die sehr intensive Zusammenarbeit“, danken wollte.

Offenere Türen für Macron?

Macron muss, will er innenpolitisch Erfolge verbuchen, die sich von der Finanzkrise nur langsam erholende Wirtschaft deutlich beleben und die Arbeitslosigkeit senken. Dazu will Macron auch den traditionell starken Gewerkschaften einiges abfordern - ein Projekt, an dem Noch-Präsident Hollande rasch scheiterte.

Er wird vor allem aber wirtschaftspolitisch auch Zugeständnisse von Berlin einfordern. Da könnte Macron in Berlin durchaus auf offenere Türen stoßen als Hollande, der Ähnliches vergeblich versuchte. Denn Merkel muss Rücksicht auf die eigene CDU/CSU-Fraktion nehmen. Dem wirtschaftsliberalen Macron stehen CDU und CSU aber wohl offener gegenüber als dem Sozialisten Hollande - erst recht während des Bundestagswahlkampfs, in dem es darum gehen wird, den SPD-Spitzenkandidaten Martin Schulz auf Distanz zu halten.

Berlin zu Hilfe bereit

Auch die deutsche Regierung hat an einer engen und guten Zusammenarbeit großes Interesse. Merkel gratulierte Macron noch Sonntagabend zu seinem Wahlsieg und sicherte ihm enge Kooperation zu. „Die Bundeskanzlerin freut sich darauf, im Geist der traditionell engen deutsch-französischen Freundschaft vertrauensvoll mit dem neuen Präsidenten zusammenzuarbeiten“, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag mit.

Die von Hollande und nun von Macron gewünschten Euro-Bonds, Anleihen, für die mehrere EU-Staaten gemeinsam haften, lehnt Merkel allerdings weiter ab. Berlin fürchtet, dann direkt für die Schulden von Frankreich und anderen hoch verschuldeten Euro-Staaten zahlen zu müssen.

Milliarden für Investitionen

Realistischer ist da vielleicht der Vorstoß von SPD-Außenminister Sigmar Gabriel nach Macrons Sieg. Er schlug einen deutsch-französischen Investitionsfonds vor - vor Detailgesprächen müsse Macron zuerst seine eigenen Pläne präsentieren. CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble distanzierte sich freilich umgehend von Gabriels ohnehin vorsichtigem Vorstoß als einer „Initiative des Außenministers“. All das deutet darauf hin, dass das deutsch-französische Tandem möglicherweise erst im Oktober - nach der deutschen Bundestagswahl - überhaupt richtig in Bewegung kommt.

Macron hatte im Wahlkampf gesagt, er wolle die Staatsquote, also das Verhältnis der öffentlichen Ausgaben zum BIP, verringern. Vor allem aber will er Milliarden in die Hand nehmen, um ein öffentliches Investitionspaket zu schnüren.

Sich in Stellung bringen auf EU-Ebene

Auch auf europäischer Ebene könnte der Einzug Macrons in den Elysee-Palast einige Bewegung bringen. Noch fällt es Diplomaten und Regierungen schwer, Macron genau einzuordnen und abzuschätzen, was von ihm zu erwarten ist. Der ehemalige Finanzmanager und Wirtschaftsminister des Sozialisten Hollande wird meist als wirtschaftsliberal bezeichnet.

In Europa versuchen viele Politiker derzeit, Macron - und den Glanz seines Erfolgs - ein wenig auch für sich selbst zu vereinnahmen. So freuten sich etwa in Österreich SPÖ-Kanzler Christian Kern wie ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz über Macrons Erfolg, lasen dabei aber durchaus Unterschiedliches hinein - für Kern ist Macron ein „Verbündeter“:

Für Kurz wurde „linke Politik klar abgewählt“:

Mögliches Gegengewicht in Brüssel

Manche verbinden mit Macron die Hoffnung, dass er mit seinem im Großteil Europas als entscheidend betrachteten Wahlsieg im Rücken Deutschlands Austeritätspolitik auf EU-Ebene stärker Paroli bietet. Ein selbstbewusst auftretender französischer Präsident könnte, so dieses Kalkül, dazu führen, dass die EU-Kommission im Umgang mit den Schuldenländern und in Sachen Sozialpolitik weniger restriktiv agiert.

In all diesen Fragen muss aber nun zunächst die französische Parlamentswahl abgewartet werden: Kommt es zu einer „Cohabitation“ - also einer Parlamentsmehrheit, die in Opposition zum Präsidenten steht -, wäre Macron geschwächt, bevor er richtig in Amt und Würden ist. Und dann steht auch noch die deutsche Bundestagswahl im September an. Kurz: Nach der Wahl ist vor der Wahl.

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