Opposition fordert Neuwahl
Die ÖVP-Bünde, der ÖVP-Parlamentsklub, die ÖVP-Frauen und die Parteizentrale der Volkspartei haben am Mittwoch dem scheidenden ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner für seinen Einsatz und seine politische Arbeit gedankt. Je nach politischer Heimat werden die Gründe für den Rücktritt einmal bei der SPÖ, einmal bei der ÖVP gesehen.
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„Ich bedauere zutiefst diesen Schritt, den ich aber nachvollziehen kann und respektiere“, sagte ÖVP-Generalsekretär Werner Amon. Auch ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka zollte Mitterlehner Respekt. Trotz einiger inhaltlicher Differenzen habe man konstruktiv und professionell zusammengearbeitet, so Lopatka.
Schützenhöfer sieht „Alarmsignal“
Für den steirischen ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer ist Mitterlehners Abgang ein „Alarmsignal“: „Es stimmt mich zudem nachdenklich, wenn ein Mensch, der zeit seines politischen Lebens immer den Ausgleich gesucht und das Gemeinsame vor das Trennende gestellt hat, nun das Handtuch wirft“ - mehr dazu in steiermark.ORF.at.
Seinen Dank an den gebürtigen Mühlviertler Mitterlehner sprach Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer aus. Mitterlehner habe in schwierigen Phasen Verantwortung gezeigt. Die ÖVP müsse den Schritt respektieren, er müsse in der Partei aber auch „nachdenklich machen“. Es „muss aber vor allem auch den Koalitionspartner SPÖ nachdenklich stimmen, dass es solche Schritte geben muss und dass offensichtlich der Umgang miteinander auch solche Schritte hervorbringt“, so Stelzer - mehr dazu in ooe.ORF.at.
Schwarzer Peter an SPÖ
Auch Tirols Landeshauptmann und ÖVP-Chef Günther Platter bedauerte in einer schriftlichen Stellungnahme Mitterlehners Rückzug. Menschlich sei dieser nachvollziehbar: „Ich habe angesichts der Entwicklungen der letzten Wochen durchaus Verständnis für diesen Schritt. Inszenierungen, Ultimaten und wechselseitige Angriffe und Provokationen - auch von Bundeskanzler Christian Kern - haben die Sacharbeit zuletzt völlig in den Hintergrund gedrängt und das Klima in der Koalition nachhaltig vergiftet. Eine konstruktive Arbeit war so nicht mehr möglich" - mehr dazu in tirol.ORF.at.
Ganz ähnlich machte der in der ÖVP mächtige Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbund (ÖAAB) den Koaltionspartner für den Rücktritt Mitterlehners verantwortlich. „Selbst ein ausgleichender Mann der Mitte, der für Inhalte steht, wird vom Dauerwahlkampf eines Christian Kern zu Konsequenzen gezwungen. Die SPÖ soll endlich wieder vom Wahlkampfmodus in den Arbeitsmodus zurückkehren“, so ÖAAB-Bundesobmann August Wöginger und -Generalsekretär Karl Nehammer.
Mikl-Leitner fordert rasch Klarheit
Kritik am Koalitionspartner kam auch von ÖVP-Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner. „Ich appelliere, wieder zu ergebnisorientierter Sach- und Zusammenarbeit zu finden und den Dauerwahlkampf zu beenden“, sagte Haubner.
Ähnlich formulierte es Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): Mitterlehners Rücktritt sei als persönliche Entscheidung zu respektieren. „Mitterlehner hat selbst gesagt, dass sein Rücktritt die Konsequenz daraus ist, wenn in einer Regierungsarbeit der permanente Streit im Mittelpunkt steht. Und er hat in seiner Begründung ausgeführt, dass sich die SPÖ seit Wochen im Wahlkampfmodus befindet, was die inhaltliche Arbeit für Österreich massiv belastet hat“, so Mikl-Leitner. „Jetzt heißt es intern rasch Klarheit zu schaffen, damit es für Österreich und die Volkspartei erfolgreich weitergehen kann“, fügte sie hinzu - mehr dazu in noe.ORF.at.
Die Bundesparteispitze der Volkspartei soll jetzt die Weichen für die Zukunft der Partei stellen, sagte der Salzburger ÖVP-Chef und Landeshauptmann Wilfried Haslauer. „Die ÖVP hat jedenfalls die Kraft und die Entschlossenheit, jetzt die richtigen Entscheidungen zu treffen, und das werden wir in den nächsten Tagen tun“ - mehr dazu in salzburg.ORF.at. Vorerst keine Stellungnahme gab es von Innenminister Wolfgang Sobatka (ÖVP), der mit seiner Kritik an SPÖ-Bundeskanzler Kern zuletzt auch Mitterlehner schwer verärgert hatte.
Häupl: ÖVP muss sich entscheiden
Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) hofft, dass die Volkspartei die „ausgestreckte Hand“ des Bundeskanzlers annehme. „Die ÖVP wird sich zu entscheiden haben.“ Regierung und Opposition „in einem“ zu sein sei nicht möglich, so Häupl - mehr dazu in wien.ORF.at.
Glawischnig: „Oberbrandstifter Sobotka“
Grünen-Chefin Eva Glawischnig sah die ÖVP-internen Querelen als Grund für Mitterlehners Schritt. „Mitterlehner wollte offensichtlich den Oberbrandstifter in der Koalition, Innenminister Sobotka, seines Amtes entheben und ist damit an der ÖVP Niederösterreich gescheitert. Wenn es dem schon lange als neuem ÖVP-Chef gehandelten Sebastian Kurz nicht gelingt, die Störaktionen aus den eigenen Reihen in den Griff zu bekommen, ist ein Scheitern der Koalition nur eine Frage der Zeit“, so Glawischnig.
Für NEOS-Chef Matthias Strolz hat der Rücktritt Mitterlehners gezeigt, dass das „alteingesessene System“ „am Ende“ sei. „Mitterlehner ist nur ein weiteres Opfer dieses verkrusteten Systems“, so Strolz in einem Facebook-Beitrag.
FPÖ will rasche Neuwahl
Auch aus der FPÖ gab es Reaktionen. Parteiobamnn Heinz-Christian Strache forderte baldige Neuwahlen. „Diese Regierung ist eine Zumutung“, so Strache in einer Aussendung. Für einen etwaigen fliegenden Koalitionswechsel stehe die FPÖ jedenfalls nicht zur Verfügung. „Wir haben ja jetzt schon die Situation, dass wir einen Kanzler haben, der sich bisher keiner Wahl gestellt hat. Wenn diese Regierung nicht mehr kann, dann muss man reinen Tisch machen“, sagte Strache.
Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar kritisierte ebenfalls parteiinterne Streitigkeiten und würdigte Mitterlehner als konstruktiven Politiker. „Er ist aber letztlich an seiner ÖVP mitsamt ihren Grabenkämpfen gescheitert.“
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