Themenüberblick

Programmierter Schuss ins Leere

Geht es nach dem US-Handelsministerium, sind die USA im Kalten Krieg. Jedenfalls widmet sich das Ressort von Wilbur Ross derzeit einem Gesetz aus dem Jahr 1962 und der Frage, ob Aluminium- und Stahlimporte die „nationale Sicherheit“ gefährden. Nur zufällig passt das laut Ross zu den protektionistischen Wirtschaftsplänen von US-Präsident Donald Trump. Vor den Folgen wird auch in den USA gewarnt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Grundlage für den virtuellen Kalten Krieg ist die sperrige Section 232, Paragraf 1.862 des US-Kodex. Die erlaubt zur „Wahrung der nationalen Sicherheit“ de facto die Missachtung aller vertraglichen Verpflichtungen zum freien Handel, seien sie aus bilateralen Abkommen oder der Teilnahme an multinationalen Plattformen wie der Welthandelsorganisation (WTO). Die Ausnahmeregel greift, wenn die Abhängigkeit der USA von Exporten zur Bedrohung wird. Das untersucht Ross’ Ressort nun - mit vorhersehbarem Ergebnis.

China anvisieren und Kanada treffen

Die Untersuchung des US-Handelsministeriums soll die Frage klären, ob die USA selbst genug hochwertiges Primäraluminium und Stahl herstellen können, um im Krisenfall genug davon für Kampfjets und andere Rüstungsgüter zu haben. Die Antwort: Nein. Nur noch 700.000 Tonnen in den USA hergestelltem Primäraluminium stehen zuletzt über vier Millionen Tonnen an Importen gegenüber, vor allem aus Kanada.

Allein innerhalb des letzten Jahres schrumpfte die US-Produktion um mehr als 22 Prozent, mehrere Produktionsstätten sperrten zu. Die US-Hersteller können dem Preisdruck der Konkurrenz nicht viel entgegensetzen, auch wegen staatlicher Förderungen außerhalb der USA. Die Exportabhängigkeit von China - und damit eine allfällige Stärkung der US-Wirtschaft und die Schaffung neuer Jobs - hat damit jedoch überhaupt nichts zu tun.

Warnung vor „bösem Erwachen“ für US-Regierung

Wie auch zuletzt noch einmal von der Nachrichtenagentur Reuters recherchierte Daten der WTO ergeben, dominiert China zwar mit rund 350.000 Tonnen Aluminiumimporten den US-Markt. Dabei handelt es sich aber um Bleche, Profile und andere Rohmaterialien. Primäraluminium liefert China de facto keines an die USA. Die Sorge um die Gefährdung der nationalen Sicherheit ist damit ein klares Scheingefecht - allerdings eines mit Opfern.

Neben den Exporteuren - abseits von Kanda vor allem Russland und die Vereinigten Arabischen Emirate - würden sich vor allem die USA selbst schaden, warnte zuletzt der Chef des General-Electric-Konzerns, Jeff Immelt. Die amerikanische Öffentlichkeit nehme die Annehmlichkeiten eines Lebens im freien Handel als gegeben hin. Sobald sich das ändere, habe die Regierung ein „böses Erwachen“ vor sich.

„Kompletter Unsinn“

„Ich schwöre ihnen: Wir haben am allermeisten durch Protektionismus zu verlieren“, unterstrich Immelt in einer Rede an der Georgetown-Universität. Die protektionistischen Ideen würden nur unter Beweis stellen, dass sich amerikanische Firmen und der Gesetzgeber auf der Bühne des Welthandels nicht genug angestrengt hätten in der Vergangenheit. Man solle für neue statt für alte Technologien kämpfen.

Auch der Präsident der deutschen Metallindustrie (VDM), Thomas Reuther, warnte vor einem „globalen Handelskrieg nach der Devise Auge um Auge und Zahn und Zahn“. Strafzölle und Ähnliches würden am Ende nur den Konsumenten in allen beteiligten Ländern schaden. Aluminium als militärisch relevant einzustufen sei ohnehin „kompletter Unsinn“. Für das Militär wichtig seien höchstens Speziallegierungen, die ohnehin in den USA hergestellt würden.

China als lachender Dritter

Der eigentliche Adressat der Maßnahmen dürfte zudem zum lachenden Dritten werden: China kämpft selbst mit seiner aufgeblähten Alusparte. Längst hat das Gegensteuern gegen die Kombination aus Überkapazitäten bei gleichzeitiger staatlicher Stützung - und entsprechendem Preisverfall - begonnen: Werke wurden geschlossen oder deren Produktion zumindest heruntergefahren.

Der Lohn für das Drosseln der chinesischen Aluproduktion waren eklatante Preisanstiege, an denen auch die Produzenten aller anderen Länder mitnaschten. Musste man vor einem Jahr noch weniger als 1.600 Dollar (1.470 Euro) pro Tonne Rohaluminium zahlen, sind es nun bereits deutlich über 1.900 Dollar, Tendenz steigend, selbst ohne proklamierte Gefahr für die „nationale Sicherheit“ der USA.

Links: