„Sir“, hat TV-Komiker Stephen Colbert letzte Woche seinen Monolog gegen US-Präsident Donald Trump höflich begonnen, um dann im Stakkato fortzufahren mit Sagern wie „Gegen Sie gehen mehr Menschen auf die Straße als gegen Krebs. Sie reden wie ein Gorilla in Zeichensprache, der eins über die Rübe bekommen hat.“ Es waren noch die höflichsten Aussagen in der Tirade. Nun ermittelt die Rundfunkbehörde.
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Der inzwischen über 6,5 Millionen Mal allein auf Colberts offiziellem YouTube-Kanal angeklickte Monolog vom Monatsbeginn gipfelte in der - auf Sendung ohnehin zensierten - Äußerung, der einzige Sinn von Trumps Mund sei, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin für Oralsex zur Verfügung zu stehen. Das war zu viel für Trumps Anhänger. Schon kurz darauf sammelten sie sich im Internet unter dem Schlachtruf #firecolbert (Feuert Colbert) und sind dort nun auch für die Medienaufsicht (FCC) nicht mehr zu ignorieren.
Witze da, Nuklearcodes dort
Abgesehen von der Beschwerde bei der FCC setzen Trumps Anhänger vor allem auf wirtschaftlichen Druck. Unter Druck gesetzt werden sollen dabei jene Firmen, die in Colberts „Late Show“ TV-Werbung schalten lassen. In unzähligen Twitter-Postings wird - unter Angabe der jeweiligen Telefonnummern in den betreffenden Konzernzentralen - dazu aufgerufen, die Firmen unter größtmöglichen Druck zu setzen.
Auf eine Entschuldigung Colberts brauchen Trumps Anhänger nicht zu hoffen. Der feixte bereits unter tosendem Applaus seines Publikums auf Sendung, er sei erstaunlicherweise immer noch der Präsentator seiner Show - und legte mit einem Witz darüber nach, dass sich ein US-Präsident sicher nicht über Aufrufe zu einem Akt der Liebe empören wolle, und weiter: „Ich habe meine Witze, er hat die nuklearen Sicherheitscodes. Es ist also ein fairer Kampf.“
Satire als einziges Mittel gegen Trump?
Seit Monaten schon gehen die Late-Night-Komiker in zusehends brachiale Opposition zu Trump. Die US-Medienwissenschaftlerin Sophia McClennen sieht das auch als einzig logischen Schritt, wie sie zuletzt gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ erklärte: Zeiten von „alternativen Fakten“ - und Wählern, die sie glauben wollen, weil sie ein Vehikel für Empörung suchen - seien eher ein Fall für Satire denn für Journalismus, so McClennen.
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CBS-Innenpolitikchef John Dickerson
Dass die bisher ruppigste Attacke im Match der Komiker gegen Trump ausgerechnet von dem sonst hart, aber mit feiner Klinge austeilenden „Sir“ Colbert kam, war für viele überraschend. Grund dafür war ein Interview Trumps mit dem CBS-Innenpolitikchef John Dickerson, in dem Trump den angesehenen Politjournalisten wie einen Schulbuben behandelte und nicht einmal davor zurückscheute, dessen Interviewsendung „Face The Nation“ (Stelle Dich der Nation) reichlich kindisch in „Deface The Nation“ (Besudele die Nation) zu verballhornen.
„Alternative“ Motive
Dickerson trug die peinliche Situation mit Fassung, was Colbert auf Sendung würdigte. Er als Komiker müsse jedoch nicht so seriös sein und könne sich deshalb auf Trumps Niveau begeben, leitete Colbert seine Tirade aus Kraftausdrücken ein. Der ganze folgende Monolog war damit selbst eine Parodie, nicht unähnlich dem bewusst sinnlos derben Gedicht des deutschen Satirikers Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, das letztes Jahr für böses Blut zwischen Berlin und Ankara gesorgt hatte.
Wie im Fall der Causa Böhmermann liegt auch bei Colbert der Verdacht nahe, dass die Anhänger Trumps den Fluchmonolog bewusst missverstanden, um sich selbst das „alternative Faktum“ einer Beleidigung zu schaffen. Flankiert werden sie dabei von Trumps „Haussender“ Fox, wo dem Fall breiter Raum gegeben wird, regelmäßig versehen mit dem Rat, nicht mehr Colberts Haussender CBS, sondern stattdessen nur noch Fox zu sehen.
Es geht (auch) ums Geschäft
Dass Fox de facto zum CBS-Boykott aufruft, ist ebenso eine Pseudogeste. Dass Fox-Seher zugleich Fans von Colberts Show sein können, ist ebenso ein „alternatives Faktum“. Die Stimmungsmache gegen Colbert soll damit nicht dessen Fans umstimmen, sondern das Fox-Publikum in seiner Haltung bestätigen und damit bei der Stange halten. Doch auch CBS geht es nicht um Satire zur Förderung demokratischer Reife, sondern ums Geschäft.
In inzwischen allen großen Late-Night-Shows in den USA hat der Generationswechsel stattgefunden: Jon Stewart, Jay Leno und David Letterman sind in Pension gegangen. Als neue Zugpferde übernommen haben Colbert, Jimmy Fallon und der Brite John Oliver. Das Match um die beste Quote liefern sich seither Fallon und Colbert. Fallon setzt auf kuschelige Harmlosigkeit, Colbert auf aggressive Bissigkeit. Beide in immer höherer Dosierung. Seit seinem Fluchmonolog hat Colbert im Quotenrennen die Nase vorne.
„Etwas Außergewöhnliches“ als nächster Akt
Ruhig Blut bewahrt derzeit anscheinend einzig die FCC. Deren Präsident Ajit Pai erklärte, die Untersuchung sei nur eine von vielen. Man werde die Vorwürfe prüfen, alle Beteiligten hören und das geltende Recht anwenden. Es könnte allerdings sein, dass die FCC ohnehin noch mehr in der Causa zu tun bekommt: Für Dienstag haben sich alle früheren Kollegen der „Daily Show“ von Stewart als Gäste zu Colberts Verstärkung angekündigt.
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Jon Stewart stärkt seinem Erben Colbert den Rücken
Colberts früherer Chef Stewart, dessen Ex-Kollegin Samantha Bee und - ebenso früher in der „Daily Show“ und inzwischen mit eigenen Sendungen - die Ex-Partner John Oliver, Ed Helms und Rob Corddry wollen in einer Art Comedy-Gipfeltreffen am Dienstag mit vereinten Kräften über Trump herziehen und dafür sogar ihre eigenen Shows vernachlässigen. „Das wird etwas Außergewöhnliches“, freute sich Colbert im Vorfeld.