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Rote Hoffnung auf Zusammenhalt

Am Montagvormittag hat Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) seine Premiere als Hauptredner des 1. Mai gefeiert. Seine Rede stand im Zeichen der Einigkeit, angesichts der vielen innerparteilichen Streitigkeiten und des kommenden Wahljahrs. Das große Ziel der SPÖ laut Kern: „den Schlüssel zum Bundeskanzleramt nicht den Blauen überantworten“.

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Vor genau einem Jahr begann beim Maiaufmarsch der Anfang vom Ende der Ära Faymann: Kerns Vorgänger an Regierungs- und Parteispitze nahm nach Pfiffen und Buhrufen am Ratshausplatz bald den Hut. Auch Kerns erster Maiaufmarsch als Kanzler stand unter keinem guten Stern. Die Zerrissenheit der Wiener SPÖ hatte am Samstag einen vorläufigen Höhepunkt gefunden, Bürgermeister Michael Häupl erhielt nur 77,4 Prozent Zustimmung - mehr dazu in wien.ORF.at.

„Ihr schaut großartig aus“

Entsprechend deutlich Kerns Appell zur Einigkeit am Montag. „Genossinnen und Genossen, ihr schaut wirklich großartig aus“, eröffnete Kern seine Rede. Man stehe gemeinsam an der Schwelle eines großen gesellschaftlichen Umbruchs, Globalisierung und Digitalisierung, aber auch Migration und Flucht führten zu einer Zeitenwende, so Kern. Die SPÖ sei erfolgreich, wenn sie nicht versuche, den Wandel zu verhindern, sondern sich an seine Spitze stelle und dafür sorge, „dass niemand unter die Räder kommt“.

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ)

APA/Herbert P. Oczeret

Am Montag feierte Kern Premiere auf dem Wiener Rathausplatz. Die Reaktionen waren freundlich.

Eine solche Zeitenwende teile die Gesellschaft in Gewinner und Verlierer, „Arbeitslosigkeit ist eine Geißel Europas geworden“, so Kern in seiner knapp halbstündigen Rede. „Unsere Aufgabe ist es, Politik für die 95 Prozent zu machen, denn wir sind die 95 Prozent.“ Vorgezogenen Neuwahlen erteilte Kern eine Absage, auch wenn die Arbeit in der Bundesregierung nicht immer ein „Wellnessaufenthalt“ sei.

Die „freche Jugendorganisation“ und Kern

Auch die Parteijugend adressierte der Bundeskanzler. Sie hatte Kern schon am Wiener Landesparteitag stark kritisiert, auch beim Maiaufmarsch gab es kritische Plakate der Sozialistischen Jugend (SJ). Auf einem Transparent stand etwa „Rote Schale, schwarzer Kern“.

„Liebe Freundinnen und Freunde von der SJ, ich diskutiere wirklich gern über den wahren Kern unserer Politik“, so Kern, der der SJ auch eine Einladung ins Bundeskanzleramt aussprach. „Wir werden niemanden ausschließen, auch keine freche Jugendorganisation.“ Denn auch er habe es in seiner Jugend nicht anders gemacht.

Rede von Bundeskanzler Kern

„Politik für die 95 Prozent“: Die gesamte Ansprache von Bundeskanzler Christian Kern zum Nachsehen.

„Am Gras festkrallen“ gegen die FPÖ

Heftige Kritik übte Kern in seiner Ansprache auch am Koalitionspartner, der regelmäßig „Nebelwände“ zur Ablenkung der Aufmerksamkeit produziere. Raumfassender beschäftigte er sich aber mit der FPÖ. „Wohin sind wir gekommen, wenn wir eine Partei haben, die ihren Funktionären beibringt, im Internet richtig zu hetzen, ohne dass ein Strafrichter sie erwischt?“ Der wahre politische Gegner der SPÖ sei nicht in den eigenen Reihen zu suchen.

„Ich kann euch versichern, wir werden um jeden Zentimeter Boden kämpfen, wir werden uns im Gras festkrallen und mit all unserer Leidenschaft und unseren Überzeugungen dafür kämpfen, um den Schlüssel zum Bundeskanzleramt nicht den Blauen zu überantworten.“ Es gehe um viel, um die Essenz sozialdemokratischer Politik. „Es lebe der 1. Mai, Freundschaft!“

Häupl: Appell zur Eintracht

Auch Häupl hatte sich in seiner Rede zuvor mit der FPÖ beschäftigt. Nachdem ÖGB-Chef Erich Foglar und SPÖ-Frauen-Chefin Renate Brauner gesprochen hatten, ergriff der Wiener Bürgermeister das Wort. Auch er schwor die SPÖ auf Einigkeit ein. „Nur wenn die Menschen wissen, wofür wir stehen, werden sie uns Vertrauen schenken und uns wählen. Darum werden wir uns bemühen.“

Wiens Bürgermeister Michael Häupl

APA/Herbert P. Oczeret

Häupl hielt seine Rede nach dem Wahldebakel am Landesparteitag. Er schwor die Genossen auf Einigkeit ein.

Es gehe nicht nur darum, zu verhindern, dass ein bestimmter Herr ins Wiener Rathaus einzieht, sondern auch darum, dass derselbe nicht am Ballhausplatz einzieht: „Aber da müssen wir sagen, warum, und was die Alternative ist. An diesem 1. Mai haben wir klar zu sagen, was wir wollen, und zwar allen und nicht nur uns selbst", so Häupl.

Rede von Bürgermeister Häupl

Ob Ballhausplatz oder Rathaus: Häupl mahnte, dafür zu sorgen, beides in den Händen der SPÖ zu behalten.

Palmwedel für Kern

Die Reaktionen auf dem Rathausplatz fielen am Montag freundlicher aus, als zuvor von SPÖ-Chef Kern befürchtet. Die Abordnung aus Wien-Ottakring hatte sogar Palmwedel mitgebracht - nachdem Kern in einem Interview erklärt hatte, dass er mit solchen am 1. Mai eher nicht rechne.

Kritik kam hingegen prompt von der angesprochenen FPÖ. Wiens Vizebürgermeister Johann Gudenus bezeichnete die Stadt-SPÖ in einer Aussendung als „g’schminkte Leich“. „Während ein durchaus vernünftiger Flügel in der SPÖ endlich bereit wäre, langjährige FPÖ-Forderungen zu diskutieren, würden alle Reformen von den Ultralinken in der Partei blockiert und alle Andersdenkenden auch in der eigenen Partei vehement bekämpft“, so Gudenus.

Am Rande des Maiaufmarschs hatte auch die Polizei zu tun. Es gab 27 Identitätsfeststellungen, bevor es zu Störaktionen kommen konnte. Laut Polizeisprecherin gab es einen Zusammenhang mit den als rechtsextrem eingestuften Identitären. Diese hatten im Vorfeld Proteste angekündigt.

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