Warten auf die Zukunft
Rund 200 Mio. Dollar (183 Mio. Euro) hat die NASA in den vergangenen zehn Jahren in die Entwicklung neuer Raumanzüge gesteckt. Von einem einsatzfähigen neuen Modell ist die US-Weltraumbehörde aber noch „Jahre entfernt“, heißt es in einem internen Prüfbericht. Die bestehenden Anzüge könnten zudem bald ihr Haltbarkeitsdatum überschreiten.
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Astronautinnen und Astronauten brauchen Raumanzüge. Das weiß jedes Kind. Schließlich tragen auch die Lego-Raumfahrer allesamt Schutzanzug und Helm. Natürlich, solange die Besatzung an Bord ihrer Raumkapsel oder Station ist, kann sie darauf verzichten. Auf der Internationalen Raumstation (ISS) tragen die Crew-Mitglieder im Normalfall einfach Trainingsanzug und T-Shirt.

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Was wären Astronautinnen und Astronauten ohne Raumanzug?
Doch manchmal müssen sie ihre schützende Konservenbüchse verlassen: für wissenschaftliche Experimente oder Reparaturen zum Beispiel. Dann heißt es, Schutzschicht um Schutzsicht anlegen, klobige Handschuhe überstreifen und den Helm mit dem großen verspiegelten Visier aufsetzen. Insgesamt rund zwölf Millionen Euro kostet ein Raumanzug. Dafür schützt er den Menschen darin vor extremen Temperaturen, Mikrometeoriten, kosmischer und ultravioletter Strahlung. Und Manövrierdüsen hat er auch an Bord.
27 „signifikante“ Zwischenfälle
Wie lange die Besatzung der ISS noch Weltraumspaziergänge unternehmen kann, ist jedoch fraglich. Von den ursprünglich 18 Extravehicular Mobility Units (EMU) - so der ganz korrekte Name der Anzüge - könnten derzeit nur noch elf eingesetzt werden. Zu diesem Ergebnis kommt das Generalinspektorat der NASA in einem aktuellen Prüfbericht. Und auch bei den elf ist laut der Prüfbehörde fraglich, ob sie noch durchhalten, bis die ISS ihren Dienst einstellt. Geplant ist das Ende der Raumstation derzeit für das Jahr 2024.

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Die Raumanzüge der NASA sind fast schon kleine Raumschiffe
Neben den US-Astronautinnen und Astronauten benutzen auch die europäischen Crew-Mitglieder der ISS die Anzüge. Auf 200 Außenmissionen habe es mit dem bestehende Modell insgesamt „27 signifikante Zwischenfälle“ gegeben, heißt es in dem Bericht. Einer davon sorgte 2013 weltweit für Schlagzeilen: Im Helm des italienischen Astronauten Luca Parmitano sammelten sich große Mengen Wasser an. Der Raumfahrer drohte zu ertrinken - im Weltall.
Frage des Einsatzortes
Ein neuer Anzug ist noch nicht in Sicht. Zwar arbeitet die NASA seit zehn Jahren an einem Nachfolger für die bisherigen EMUs - und investierte dafür Hunderte Millionen Dollar. Bis eine Astronautin oder ein Astronaut aber tatsächlich in die nächste Generation der Raumanzüge schlüpft, wird es noch dauern. Das liegt auch daran, dass sich die Anforderungen an die Schutzkleidung immer wieder verändert haben.

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Ideen für die Zukunft des Raumanzuges gibt es viele. Ob sie auch Realität werden, ist eine andere Frage.
Wofür sollen die Anzüge verwendet werden? Für Außeneinsätze im Erdorbit? Einen Spaziergang auf dem Mond? Oder um die ersten Schritte auf unserem roten Nachbarplaneten zu setzen? Mond und Mars waren das Ziel des Constellation-Programms der NASA. 2004 gab der damalige US-Präsident George W. Bush die Devise aus: bis 2020 zum Mond und danach weiter zum Mars. 2007 bekam das Unternehmen Oceaneering International den Auftrag, Anzüge für den Einsatz am Mond zu entwickeln.
80 Mio. Dollar verschwendet?
Zwei Jahre später war das Constellation-Programm bereits wieder Geschichte. Bushs Nachfolger Barack Obama zog den Stecker, nachdem eine Evaluierung das Projekt als zu teuer und ineffektiv beurteilt hatte. Den Auftrag mit Oceaneering International kündigte die NASA aber nicht. Laut Generalinspektorat bekam das Unternehmen in den kommenden Jahren weitere 80 Millionen Dollar. Dabei hatte die Weltraumbehörde bereits mit der Entwicklung eines eigenen Modells begonnen.
Mittlerweile ist der Vertrag ausgelaufen, neuen Anzug gibt es aber keinen. Und auch die NASA-interne Entwicklung hat noch keine herzeigbaren Ergebnisse gebracht. Für die US-Weltraumbehörde tickt jedoch die Uhr. Denn mittlerweile ist ein bemannter Flug zum Mars wieder ganz oben auf der Agenda - und das nicht nur bei der NASA.
Weltweites Rennen zum Mars
Von einem Space-Race wie in den 60er Jahren ist die Welt zwar noch ein Stück entfernt. Aber die US-Weltraumbehörde ist mit ihrem Mars-Ziel längst nicht mehr alleine. Tesla-Gründer Elon Musk will mit seinem Unternehmen Space X in den kommenden Jahren nicht nur Touristen in die Erdumlaufbahn bringen. Vergangenen Herbst präsentierte der Unternehmer die Pläne für ein „interplanetares Transportsystem“.

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Noch ist es für die Marsprogamme Trockentraining angesagt - wie hier zum Beispiel auf Hawaii
In Russland arbeiten Ingenieure seit Jahren an einem neuartigen Kernspaltungsantrieb, der ein russisches Raumschiff zum roten Planten bringen soll. Und das chinesische Raumfahrtprogramm hat nicht nur eine große Raumstation auf der Agenda, sondern ebenso den Mars zum Ziel.
All dem will die NASA zuvorkommen: Bereits im kommenden Jahrzehnt soll in der Nähe des Mondes ein „Tor ins All“ entstehen; eine Raumstation, auf der Astronauten für zukünftige Weltraummissionen trainieren sollen. In den 2030er Jahren soll die erste dieser Missionen Realität werden: ein bemannter Flug zum Mars. Vorausgesetzt natürlich, die Raumanzüge sind bis dahin fertig.
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