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Schmutziger als angenommen

Moderne Diesel-Pkws überschreiten im Alltag die EU-Grenzwerte für gesundheitsschädliche Stickoxide (NOx) um ein Vielfaches. Das zeigen aktuelle Tests und Berechnungen des deutschen Umweltbundesamtes (UBA), die am Dienstag bekanntwurden.

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Für die aktuell gültige Abgasnorm Euro 6 gilt ein Grenzwert von 80 Milligramm NOx pro Kilometer für Diesel-Pkws. Wie aus den Testergebnissen hervorgeht, stoßen entsprechende Fahrzeuge jedoch im Durchschnitt mehr als das Sechsfache dieses Wertes aus. 507 Milligramm Stickoxid werden von modernen Diesel-Pkws pro Kilometer ausgestoßen. Diese enorme Abweichung von den EU-Vorgaben entsteht vor allem durch die Testbedingungen. Die per Verordnung vorgeschriebenen Grenzwerte müssen bisher nämlich nur im Labor erreicht werden.

Stärkerer NOx-Ausstoß an kühlen Tagen

Für die Ermittlung der Werte wurden laut UBA - anders als bisher - für betriebswarme Motoren Messungen bei allen in Deutschland typischen Außentemperaturen berücksichtigt. An kühlen Tagen steigt der Stickoxidausstoß stark.

Stickoxide sind Gase, die aus Stickstoff- und Sauerstoffatomen bestehen. Sie entstehen etwa in Verbrennungsmotoren und Feuerungsanlagen für Kohle, Öl, Gas, Holz und Abfälle. Die Gase können unter anderem Pflanzen vorzeitig altern lassen und tragen zur Bildung von Feinstaub und Ozon bei. Das ist auch für Menschen gefährlich. Das UBA warnte etwa vor möglichen Beeinträchtigungen der Lungenfunktion und der Begünstigung von chronischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Verpflichtender Straßentest kommt

Die Euro-6-Norm ist die strengste der Abgasnormen in der EU. Seit September 2014 gilt sie für alle neuen Pkw-Typen und seit September 2015 für alle neuen Pkws. Doch die Prüfung der Abgaswerte auf der Straße wird erst mit der neuesten Abgasnorm Euro 6d-TEMP Teil des Testverfahrens. Ab September wird schrittweise auch auf der Straße mit dem RDE-Prüfverfahren gemessen.

Grafik zu Stickoxidabgaben von Diesel-Pkws

Grafik: ORF.at; Quelle: Deutsches Umweltbundesamt

Auch wenn ältere Autotypen in die Berechnungen einbezogen werden, sind Dieselfahrzeuge laut UBA deutlich schmutziger als bisher angenommen. Bisher sei man davon ausgegangen, dass 2016 im Schnitt 575 Milligramm Stockoxide pro Kilometer aus dem Auspuff kamen. Tatsächlich waren es durchschnittlich aber 767 Milligramm. Am schmutzigsten seien bei Einberechnung der Temperaturen Euro-5-Dieselautos mit einem Stickoxidausstoß von durchschnittlich 906 Milligramm pro Kilometer - das Fünffache des EU-Grenzwerts von 180 Milligramm. Euro-4-Dieselautos, für die ein Grenzwert von 250 Milligramm gilt, stoßen laut UBA im Schnitt 674 Milligramm Stickoxide aus.

Mehr Bewusstsein seit VW-Skandal

Gemessen wurden unter anderem die Abgaswerte von 25 Diesel-Pkws der Euro-6-Norm und von 27 Euro-5-Modellen. Unter den Modellen befanden sich unterschiedliche Fahrzeuggrößen, vom Klein- bis zum Geländewagen. „Die neuen Werte bilden die Diesel-Pkw-Emissionen in Deutschland repräsentativ ab“, hieß es vom UBA. Die oft sehr großen Unterschiede zwischen Abgaswerten im Labor und auf der Straße wurden erst durch den Abgasskandal bei VW einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Umweltschützer haben schon länger auf die Diskrepanz zwischen den Werten hingewiesen.

Deutsche Umweltministerin sieht Industrie gefordert

Auch die deutsche Politik reagierte auf die jünsgten Testergbnisse des UBA. Die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks macht Druck auf die Autobranche. Die Anbieter sollten ihre Pkws auf eigene Kosten nachrüsten und so die Emissionen um mindestens die Hälfte senken, forderte die SPD-Politikerin am Dienstag in Berlin: „Die Lösungen müssen von den Herstellern kommen.“

„Alle Vorschläge, die ich unterbreitet habe, um den Kommunen Lösungswege an die Hand zu geben, wurden abgelehnt“, sagte Hendricks mit Blick auf eine „Blaue Plakette“ für relativ saubere Autos. Nun müsse Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die Industrie stärker in die Pflicht nehmen.

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