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Floridas Kampf gegen das Wasser

Küstenregionen weltweit sind durch den steigenden Meeresspiegel bedroht - bis zu 700 Millionen Menschen sind direkt von der Überschwemmungsgefahr betroffen. Doch keine Region wird wohl einen höheren Preis für den Klimawandel zahlen als der Süden Floridas.

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Seit den 90er Jahren steigt der Meeresspiegel weltweit durchschnittlich um etwas mehr als drei Millimeter pro Jahr. Das liegt daran, dass die Ozeane wärmer werden und sich dabei ausdehnen. Zusätzlich gelangt mehr Wasser aus schmelzenden Gletschern und den Polen in die Meere.

An der Küste Floridas steigt der Meeresspiegel besonders schnell. Laut einer Studie der US-Wetter- und -Ozeanografiebehörde (NOAA) stieg das Wasser im Süden von Miami Beach in der vergangenen Dekade jährlich um neun Millimeter.

Nirgendwo wird der Klimawandel teurer

In keinem US-Bundesstaat sind mehr Einwohner durch die Folgen des Klimawandels gefährdet als in Florida. Und nirgendwo weltweit kommt der Klimawandel teurer als hier. Rund 13 Millionen Menschen leben an der Küste, sie erbringen vier Fünftel der Wirtschaftsleistung des Bundesstaates.

Strand und Skyline von Miami Beach

Getty Images/egdigital

Miami könnte aufgrund des Meeresspiegelanstiegs bis 2070 3,5 Milliarden US-Dollar Schäden erleiden

Die Infrastruktur an der 2.170 Kilometer langen Küste wurde laut einem Bericht des Magazins „National Geographic“ im Jahr 2010 auf einen Wert von zwei Billionen Dollar geschätzt. Viele der reichsten Menschen der USA residieren in Florida, darunter 40 Milliardäre auf der „Forbes“-Liste der 400 wohlhabendsten Menschen in Amerika.

Überschwemmungen nehmen zu

In Miami Beach gab es zwischen 1998 und 2005 16 Überschwemmungen, geht aus einer Studie der University of Miami hervor. Von 2006 bis 2013 waren es mit 33 mehr als doppelt so viele. Obwohl die Prognosen sagen, dass es in den kommenden Jahren immer häufiger zu Hochwasser kommen und bis zum Jahr 2100 ein großer Teil der Küstenregion überflutet sein wird, bauen viele weiterhin für Milliarden US-Dollar Wolkenkratzer.

Miami könnte bis 2070 aufgrund des Klimawandels 3,5 Milliarden US-Dollar an Schäden erleiden, schätzt die US-Umweltschutzorganisation National Wildlife Federation in einem Bericht zum steigenden Meeresspiegel. Keine Stadt der Welt würde einen höheren Preis für den Klimawandel zahlen.

Wie das Wasser steigt

Laut einer Studie der Southeast Florida Climate Change Compact, einer regionalpolitischen Arbeitsgruppe zum Klimawandel, soll der Meeresspiegel an der Küste Floridas 2030 um 15 bis 25 Zentimeter höher liegen als 1992, bis 2100 zwischen 79 Zentimeter und eineinhalb Meter. Floridas Entwässerungssysteme und Uferdämme sind dem nicht gewachsen. Ganze Landstriche drohen im Wasser zu versinken.

„Wir werden neu erfinden müssen, wie Unternehmen funktionieren und wie Städte geplant werden“, sagte Daniel Kreeger von der NGO Climate Change Officers kürzlich der BBC. „Alles wird sich verändern, vor allem in Küstenregionen.“ Viele Uferdämme in Florida sind zu niedrig, bereits jetzt laufen Abflusskanäle über, immer häufiger dringt Salzwasser in die Süßwasserbrunnen, wie die BBC in einem Artikel zusammenfasst. Der Anstieg des Meeresspiegel bedeutet eine Herausforderung für die gesamte Infrastruktur. Nicht nur Uferdämme, auch Straßen und Gebäude müssten angehoben werden.

Das Problem mit dem Entwässerungssystem

Das Hauptproblem von Städten im Süden Floridas wie Fort Lauderdale und Miami Beach ist ihr Entwässerungssystem. Sie sind so geplant, dass sie das Wasser bei Regenstürmen in den Ozean ableiten. Weil Häuser und Gärten höher liegen als Straßen, werden diese zuerst überflutet. Das Wasser läuft in das Ableitungssystem und wird dann in den Ozean gepumpt - zumindest sollte das so funktionieren.

Ein Bus fährt in Miami Beach auf einer überschwemmter Straße

APA/AFP/Getty Imgaes/Joe Raedle

Überflutete Straßen in Miami Beach im September 2015

Aufgrund des höheren Meeresspiegels läuft immer häufiger Salzwasser in das System - und in die Straßen der Küstenstädte. Steigt das Wasser weiter, könnte es Uferdämme niederreißen und Gärten und Häuser dauerhaft überfluten.

Zu niedrige Uferdämme

Bis vor Kurzem gab es keine verpflichtende Mindesthöhe für die Uferdämme in Florida, nur eine definierte Maximalhöhe - aus ästhetischen Gründen. Obwohl es nun in manchen Regionen eine Mindesthöhe gibt, bleibt die Umsetzung schwierig, wie die BBC kürzlich berichtete.

Der Uferdamm eines durchschnittlichen Hausbewohners an der Küste Floridas ist 23 bis 30 Meter lang. Ein neuer Schutzdamm kostet pro Meter zwischen 2.000 und 6.400 US-Dollar. „Wie kannst du jeden dazu zwingen, dafür Geld zu investieren?“, sagte Nancy Gassman, eine Meeresbiologin aus Florida mit Schwerpunkt auf Küstenregionen, gegenüber der BBC.

Kein Geld für Schutzdämme

Erst vergangenes Jahr machte die Stadt Fort Lauderdale den Vorschlag, dass jeder Hausbesitzer seine Uferdämme bis 2035 auf eine gewisse Höhe anheben soll. Die Bewohner wehrten sich - und der Vorschlag scheiterte. Wenn es in dieser relativ wohlhabenden Region an den Kosten scheitert, befürchten Experten, dann werde es auch in ärmeren Regionen Floridas nicht funktionieren.

Es gibt zahlreiche Initiativen und lokale Entscheidungsträger, die Vorkehrungen treffen und sich für die Folgen des Klimawandels wappnen wollen. Doch ihre finanziellen Ressourcen sind begrenzt. Und auch von der Bundespolitik ist zurzeit wenig zu erwarten.

Die Klimawandelskeptiker

Floridas Gouverneur, der Republikaner Rick Scott, ist ein Klimawandelskeptiker, der neue Direktor der US-Umweltbehörde, Scott Pruitt, zweifelt die Rolle von Kohlendioxid im Klimawandel an, und US-Präsident Donald Trump kürzt unterdessen die Budgets der Umweltschutzbehörden und will etwa die Umweltauflagen für die Autobranche lockern. Diese Umstände machen es für lokale Entscheidungsträger umso schwerer.

Aber selbst Präsident Trump, der den Klimawandel auch schon „als Erfindung Chinas“ bezeichnete, ist nicht immun gegen seine Folgen - oder zumindest seine Nachfahren nicht. Steigt der Meeresspiegel um 90 Zentimeter - was laut Experten in den nächsten 60 Jahren sehr wahrscheinlich passieren wird -, wird auch Trumps Domizil Mar-a-Lago in Palm Beach unter Wasser stehen.

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