Themenüberblick

Smarte Software in harten Zeiten

Selbstfahrende Autos sind heute das, was Handys Anfang der 1990er Jahre waren: Das „nächste große Ding“, für das alle Entwicklungsabteilungen derzeit Gas geben. Um den Anschluss nicht zu verpassen, hat sich der amerikanische Ford-Konzern jetzt Unterstützung von BlackBerry geholt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Wie das US-Nachrichtenportal Bloomberg kürzlich meldete, übernimmt Ford 400 Mitarbeiter von BlackBerry, um mit ihnen ein Forschungszentrum für Fahrassistenz, Entertainment und autonomes Fahren im kanadischen Ottawa aufzubauen. 375 Millionen US-Dollar (gut 350 Millionen Euro) lässt Ford sich diesen neuen Hightech-Standort kosten: Offensichtlich sieht der Konzern seine Zukunft im smart-vernetzten Fahren. Der Boom-Begriff der Stunde lautet „Konnektivität“.

Konnektivität

Der „Trendbegriff“ Konnektivität leitet sich vom englischen Verb „connect“ her und meint vernetzte Mobilität: Über das Internet der Dinge kommunizieren auch Maschinen miteinander. Autos können zum Beispiel - so wie heute Smartphones - Softwareupdates über das Netz erhalten, ein Modell, das Tesla bereits seit Jahren praktiziert.

Im Wettrennen um das erfolgreichste selbstfahrende Auto und die zugehörigen Netzwerke schart sich das kreative Potenzial derzeit nicht nur im Silicon Valley, sondern auch im kanadischen Ottawa. Im Dezember 2016 besiegelte BlackBerry-Chef John Chen mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau einen Deal für ein Forschungszentrum für selbstfahrende Autos in Ottawa. Öffentliche Gelder erhielt BlackBerry zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Doch die kanadische Regierung steckt große Fördersummen in die traditionelle Autoindustrie, was einen zusätzlichen Anreiz für Ford bedeuten könnte.

Der BlackBerry-Konzern, der auf dem Smartphone-Markt zuletzt den Anschluss verloren hat, konzentriert sich schon seit Jahren auf den Bereich Konnektivität und selbstfahrende Autos. Interessant für Ford ist an den Experten von BlackBerry vor allem deren Erfahrung mit dem Betriebssystem QNX, das Ford bereits im vernetzten Navigationssystem Sync 3 verwendet. Über Sync 3 kann man sein Handy mit dem Auto verbinden und auf Apps wie Spotify zugreifen, theoretisch gibt es aber auch heute schon die Möglichkeit, mit Hilfe von Sync 3 Thermostate und andere Smarthome-Anwendungen vom Auto aus zu steuern.

BlackBerry CEO John Chen

Reuters/Brendan McDermid

BlackBerry-CEO John Chen: Die Handyproduktion ist nach Asien ausgelagert - die Zukunft sieht er in der Konnektivität

Allianz mit Toyota

Unter dem Projektnamen SDL (Smart Device Link) tüftelt Ford schon seit 2013 an einem eigenen System, das verschiedene Apps und Interfaces im Auto standardisieren und bündeln soll: Anfang 2017 schlossen sich andere Hersteller, darunter der weltweit größte Autohersteller Toyota, mit Ford zu einer Entwicklungsallianz, dem SDL-Konsortium, zusammen. Indem die beteiligten Konzerne gemeinsam nach neuen Lösungen suchen, gehen sie einen Mittelweg in jener Frage, die gerade alle Automarken beschäftigt: Soll der Konzern seine eigene, smarte Software entwickeln oder mit großen Anbietern wie Apple kooperieren?

Auch Apple sucht Rat bei BlackBerry

Denn auch Apple tüftelt an Lösungen für selbstfahrende Autos: Zumindest der Projektname „Titan“ klingt selbstbewusst, ansonsten hält man sich über den Status quo bedeckt. Im Herbst 2017 holte sich übrigens auch Apple Verstärkung von BlackBerry - darunter Dan Dodge, den Generaldirektor von QNX - und baute in einem Vorort von Ottawa eine eigene, ein paar Dutzend Ingenieure umfassende Entwicklungsabteilung für Konnektivität auf. Ein ungewöhnlicher Schritt für den Konzern, von dem es gerüchteweise heißt, dass rund tausend Mitarbeiter nahe der Zentrale im kalifornischen Cupertino seit Jahren an einem selbstfahrenden „iCar“ basteln.

Ford F-150

APA/AP/Mark Schiefelbein

Der Ford F-150 Raptor - das Modell mit dem Raubsauriernamen soll demnächst „denken“ können

Während im Smartphone-Sektor das Wettrennen um die Marktführerschaft längst entschieden ist, herrscht im Bereich selbstfahrende Autos und Vernetzung noch Geheimniskrämerei und hektisches Scharren in den Startlöchern. Nicht nur um die zukünftige Marktführerschaft geht es, sondern auch um riesige Datenmengen, die man ungern der Konkurrenz überlassen will.

Das Auto der Zukunft soll eine personalisierte Kommandozentrale sein, die jeder mit seinem persönlichen Profil besteigt. In der Konzeptstudie „Instinct“ stellt sich etwa Peugeot vor, dass ein Auto von der Smartwatch des Fahrers die Information „zehn Kilometer gejoggt, Mensch ist müde“ bekommt und ungefragt eine Verschnaufpause mit sanfter Steuerhilfe gewährt.

Branche euphorisch, Datenschützer skeptisch

Solche kompletten Zustandsdurchleuchtungen durch smarte Maschinen machen Datenschützer skeptisch. In der Branche dagegen steigt die Euphorie. Gemäß einer Studie von Transparency Market Research wird der globale Markt für Konnektivität bis 2019 ein geschätztes Volumen von 131 Milliarden US-Dollar (rund 123 Milliarden Euro) erreichen, mit einer jährlichen Wachstumsrate von 30 Prozent.

Wenige Tage, nachdem Tesla Ford an der Wall Street überholt hatte, gab Ford bekannt, dass es 2018 ein Plug-in-Hybridauto auf den chinesischen Markt bringen will. Innerhalb der nächsten fünf Jahre soll auch ein Elektroauto aus dem Hause Ford auf die chinesischen Straßen rollen. Der Konkurrent Tesla ist in China dagegen bereits gut im Geschäft: 2016 machte der Elektroautopionier schon mehr als 15 Prozent seines Umsatzes in China. Ford muss sich also bemühen, denn China gilt in der E-Autobranche als vielversprechender Wachstumsmarkt - wegen der Luftverschmutzung gewährt die Regierung großzügige Förderungen für E-Mobilität.

Links: