Verkaufsverbot vor Gericht
Angeheizt von den Abgasskandalen ringt Deutschland - wie viele andere europäische Länder auch - mühsam um den richtigen Umgang mit Dieselfahrzeugen, ein Streit, in dem viele Positionen kaum zu vereinbaren sind. Während Umweltschützer für strikte Fahrverbote plädieren, stellen sich andere vehement gegen ein baldiges Aus für den Dieselmotor.
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Dementsprechend bleibt der in Verruf geratene Dieseltreibstoff ein Zankapfel. Während die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag betonte, immer noch an die Empfehlung für Dieselfahrzeuge als umweltfreundliche Alternative zu glauben, wollen Umweltschützer den Fahrzeugen auf deutschen Straßen so rasch wie möglich den Garaus machen.
Verband: Stickoxidgrenzwerte überschritten
Dafür gehen sie nun in die Offensive: Vor Gericht wollen sie den Verkauf neuer Dieselautos verbieten lassen, sofern diese zu viele Schadstoffe ausstoßen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) beantragte vor dem Verwaltungsgericht der Stadt Schleswig eine einstweilige Anordnung, um den Verkaufsstopp durchzusetzen.
Der Verband begründete das mit einem im realen Fahrbetrieb zu hohen Ausstoß von Stickoxiden, auch bei als sauber klassifizierten Autos. „Tagtäglich werden in Deutschland rund 3.500 neue Euro-6-Dieselautos verkauft, die auf der Straße den gesetzlich vorgeschriebenen Stickoxidgrenzwert teils massiv überschreiten“, sagte BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg am Freitag in Berlin.
Zweite Klage wegen Umrüstung
Für Euro-6-Neufahrzeuge gilt ein gesetzlicher Stickoxidgrenzwert von maximal 80 Milligramm pro gefahrenen Kilometer. Aus Untersuchungen des deutschen Verkehrsministeriums geht jedoch laut BUND hervor, dass dieser Wert im tatsächlichen Betrieb der betreffenden Fahrzeuge der meisten größeren Hersteller teils deutlich überschritten wird. Der Schadstoffausstoß sei eine erhebliche Gesundheitsgefährdung.
Unterdessen reichte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ebenfalls beim Verwaltungsgericht Schleswig eine Klage gegen die nach dem Dieselabgasskandal erlassene Rückrufanordnung für VW-Dieselfahrzeuge ein. Laut dem DUH klagte man, weil auch nach dem Software-Update der für Euro-5-Fahrzeuge zugelassene Stickoxidausstoß weit überschritten werde. Die Updates waren nach dem VW-Abgasskandal vom deutschen Kraftfahrtbundesamt angeordnet worden.
Merkel: Alte Dieselempfehlungen aufrecht
Indes verteidigte Merkel Dieselautos ausdrücklich als umweltfreundlich und betonte, dass alte Empfehlungen für die Antriebsart noch aufrecht seien. „Ich finde es perfide von den Grünen und zum Teil auch den Sozialdemokraten, dass jetzt so getan wird - weil ein Unternehmen sich nicht an die Regeln gehalten hat -, als wäre all das, was wir den Menschen gesagt haben, falsch“, sagte sie bei einer Wahlveranstaltung.
Striktere Regeln
Seit dem VW-Skandal mit manipulierten Abgaswerten ist der Absatz von Dieselfahrzeugen eingebrochen. Dazu gibt es in einigen Städten eine Debatte über Fahrverbote für Dieselautos. In Stuttgart ist ein solches bereits fixiert, in München wurde die Stadt verpflichtet, entsprechende Pläne für ein solches auszuarbeiten. Ebenfalls striktere Regeln gibt es in Paris, London und Brüssel.
„Das ist nicht falsch“, sagte Merkel zu früheren Empfehlungen, dass man Dieselfahrzeuge wegen des geringeren Kohlendioxidausstoßes als umweltfreundliche Alternative kaufen könne. Natürlich werde sich die Automobilproduktion ändern. „Aber für den Klimaschutz ist das Dieselauto heute genauso ein gutes Auto, wie es das gestern und vorgestern war.“
Autohändler machen für Diesel mobil
In Österreich rücken indes die Autohändler zur Verteidigung des Dieselmotors aus. Nach dem Abgasskandal und der Diskussion über sektorale Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Wien fürchten die Autohändler um einen Imageschaden. Sie fordern eine „Rückkehr zu einer von Vernunft und Realitätssinn getragenen Vorgehensweise“. Das angekündigte Ende des Dieselmotors sei „vollkommen fehl am Platz“, so Josef Schirak, Sprecher des Fahrzeugeinzelhandels.
„Angesichts eines derzeitigen Gesamtbestandes von etwa 2,75 Millionen dieselbetriebener Pkws und Kombis in Österreich sowie eines immer stärker werdenden Verkehrsaufkommens durch ausländische Dieselfahrzeuge werden wir noch viele Jahre, ja Jahrzehnte mit dem Dieselmotor leben müssen - auch dann, wenn alternative Antriebe wie der hochgejubelte E-Motor einen rasanten Siegeszug antreten sollten. Wobei davon derzeit nicht auszugehen ist“, so Schirak.
Auch Benziner in der Kritik
Unterdessen zeigt ein aktueller Ökotest des deutschen Automobilclubs ADAC einen „deutlich zu hohen Ausstoß an Feinstaub“ auch bei Benzinern. Bei einem Modell von Opel wurden zudem erstmals erhöhte Stickoxidemissionen festgestellt, was bisher bei Benzinern kein Thema war. Auch die Dieselfahrzeuge schnitten schlecht ab: Von 38 getesteten Diesel-Pkws überzeugten in einer neuen, realitätsnahen Messung tatsächlicher Schadstoffausstöße lediglich zwei Modelle.
„Bedauerlich ist, dass die Hersteller weiterhin viel zu wenig unternehmen, um längst vorhandene Emissionstechnologien für einen effektiven Schutz der Umwelt in ihren Fahrzeugen einzusetzen“, sagte Thomas Burkhardt, Vizepräsident für Technik beim ADAC. Wegen des schwachen Abschneidens vieler Fahrzeuge wisse man kaum noch, welche Autos man den Mitgliedern empfehlen soll, so Reinhard Kolke, der Leiter des Bereichs Tests und Technik beim ADAC, gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“).
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