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Angestellte viermal so produktiv?

Die zwanzig größten europäischen Banken melden einer Untersuchung zufolge einen auffallend großen Anteil ihrer Gewinne in Steueroasen und profitieren so von den dort geltenden extrem niedrigen Steuersätzen. Insgesamt rund ein Viertel ihrer Gewinne (26 Prozent) wollen die 20 größten Banken 2015 in Niedrigsteuerländern wie Luxemburg, Irland und Hongkong gemacht haben.

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Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Opening the Vaults“ der Nichtregierungsorganisation Oxfam bzw. der Teilorganisation Fair Finance Guide International. Laut der Studie nutzen Banken Steueroasen, um die Zahlung ihres fairen Anteils an Steuern zu vermeiden, ihren Kunden Steuerhinterziehung und -umgehung zu ermöglichen sowie Regulierungen und gesetzliche Anforderungen zu umgehen.

Extrem niedrige Besteuerung

So machten die untersuchten Banken laut der Studie insgesamt etwa 25 Mrd. Euro Gewinn vor Steuern in den Steuerparadiesen. Dagegen hätten die Institute dort „nur zwölf Prozent ihrer Erträge erwirtschaftet und sieben Prozent ihres Personals beschäftigt“. Als ein Beispiel wird die britische Bank Barclays genannt: Auf einen in Luxemburg gemeldeten Gewinn in Höhe von 557 Mio. Euro habe die Bank lediglich eine Mio. Euro Steuern gezahlt, was einem Steuersatz von 0,2 Prozent entspreche.

Steuerparadies Österreich

Auch Österreich ist dem Bericht zufolge ein Steuerparadies: Profiteur ist hierzulande etwa die spanische Banco Santander, die über die Tochter Santander Consumer Bank auf dem heimischen Markt tätig ist. Den Umsatz gibt die Bank mit 129 Mio. Euro an, den Gewinn vor Steuern mit 43 Mio. Euro. Der Bericht weist aus, dass die Republik von diesen 43 Mio. keinen Cent an Steuern eingenommen hat. Ebenso keine Steuern zahlt Santander dem Bericht zufolge auf den Bahamas, den Cayman-Inseln, in Australien, Ungarn, Panama und Singapur.

Auch Österreich ist dem Bericht zufolge ein Steuerparadies: Profiteur ist hierzulande etwa die spanische Banco Santander, die über die Tochter Santander Consumer Bank auf dem heimischen Markt tätig ist. Den Umsatz gibt die Bank mit 1,25 Mrd. Euro an, den Gewinn vor Steuern mit 43,1 Mio. Euro. Der Bericht von Oxfam weist aus, dass die Republik von diesen 43 Mio. keinen Cent an Steuern eingenommen hat. Dem widerspricht die Bank in einem Statement gegenüber ORF.at: Im September habe man 10,8 Millionen Euro Körperschaftssteuer an das Finanzamt überwiesen.

Frau am Strand der Cayman Islands

Reuters/Gary Hershorn

Auch die Cayman-Inseln, britisches Überseegebiet, bringen Banken satte Gewinne - ohne Mitarbeiter an Ort und Stelle

Die Tochterunternehmen in den Steueroasen sind im Schnitt den Angaben zufolge doppelt so lukrativ für Banken wie in anderen Ländern. Für 100 Euro Umsatz erwirtschaften die Banken in den Steueroasen 42 Euro Gewinn verglichen mit nur 19 Euro im weltweiten Durchschnitt. Die Angestellten der europäischen Banken in den Steueroasen sind viermal produktiver und generieren im Schnitt 171.000 Euro pro Jahr verglichen mit 45.000 Euro des Durchschnittsangestellten.

Gewinne in Ländern ohne Mitarbeiter

Insgesamt hätten die genannten Banken 628 Mio. Euro Gewinne in Ländern deklariert, in denen sie keinen einzigen Mitarbeiter beschäftigt hätten, heißt es in der Studie weiter. So habe die französische Bank BNP Paribas eigenen Angaben zufolge 134 Mio. Euro Gewinn auf den Cayman-Inseln erzielt - steuerfrei und ohne dort einen einzigen Mitarbeiter zu beschäftigen. Bei anderen Banken wie der Deutschen Bank bestehe etwa ein auffallendes Gefälle zwischen den sich in Steueroasen summierenden Milliardengewinnen und den anderswo deklarierten, kaum nennenswerten Gewinnen.

Die beliebtesten Steueroasen bei den Banken sind Luxemburg und Irland mit fast einem Drittel der Gewinne, die 2015 in Steueroasen verbucht wurden. In Luxemburg wurden Gewinne in Höhe von fast fünf Mrd. Euro erwirtschaftet - mehr als in Großbritannien, Schweden und Deutschland zusammen. In Irland zahlten europäische Banken nur einen effektiven Steuersatz von sechs Prozent, die Hälfte des nationalen Regelsteuersatzes.

Südliche Länder besonders hart getroffen

Steuervermeidung und Steuerhinterziehung, wie von weltweit agierenden Unternehmen und Finanzdienstleistern betrieben, führten dazu, dass Länder um ihre gerechten Steuereinnahmen betrogen werden, so die Studienautoren. Dabei werden die Länder des globalen Südens in der Regel am härtesten getroffen. So wird geschätzt, dass Steuerhinterziehung durch multinationale Unternehmen arme Länder jedes Jahr fast 100 Mrd. Euro kostet, Geld, das für wichtige Investitionen in Bildung, Gesundheit, wirtschaftliche Entwicklung und Infrastruktur fehlt.

Ruf nach strengeren Regeln

Die Ergebnisse basieren auf den neuen Transparenzanforderungen der EU, wonach europäische Banken detailliert über Gewinne und Steuerzahlungen in allen Ländern berichten müssen, in denen sie aktiv sind (Country-by-Country Reporting). Die Regeln sollen verhindern, dass Großbanken in den Bilanzen ihre Gewinne in Niedrigsteuerländern verschieben.

Oxfam forderte die EU-Regierungen auf, ihre Regeln gegen Steuerflucht weiter zu verschärfen. „Diese Regeln müssen nun ausgeweitet werden, um sicherzustellen, dass alle Gesellschaften Finanzberichte für jedes Land vorlegen, in dem sie tätig sind“, forderte Oxfam-Steuerspezialistin Manon Aubry.

Kritik kam auch von der globalisierungsskeptischen NGO ATTAC: Sie verwies gegenüber ORF.at auf eine Aussendung aus dem Vorjahr, in der auf die Effektlosigkeit der damals geplanten EU-Vorschläge gegen Steuervermeidung durch Konzerne hingewiesen wurde. Das im April 2016 von der EU-Kommission vorgestellte „Country-by-Country Reporting“ sei „weitgehend unwirksam“, so ATTAC damals.

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