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Alle wollen überleben

In den meisten Science-Fiction-Filmen aus Hollywood werden Zukunftsszenarien von ziemlich ungemütlichen Begegnungen mit Außerirdischen erzählt. „Life“ hingegen spielt in der Gegenwart. Aber auch hier läuft der Kontakt zwischen dem vom Mars stammenden Alien Calvin und der Crew einer internationalen Raumstation keineswegs so ab, wie sich das die Besatzung vorgestellt hat.

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Rory Adams (Ryan Reynolds) klopft nicht nur gerne coole Sprüche, er ist vor allem ein außerordentlicher „Spacewalker“. Mit Leichtigkeit schafft es Adams, die defekte Sonde mit der Marsprobe mit Hilfe eines Greifarms sicher an Bord der Internationalen Raumstation (ISS) zu holen. Die Begeisterung bei der Crew ist enorm, haben sie doch ganze acht Monate darauf gewartet, endlich das vermeintliche, neue Leben von einem anderen Planeten genauer unter die Lupe zu nehmen.

Unter der Aufsicht des querschnittgelähmten Mikrobiologen Hugh Derry (Ariyon Bakare) darf sich das Calvin getaufte Lebewesen in aller Ruhe entfalten. Derry hofft, dass an Calvin irgendwann Stammzellenforschung betrieben werden kann, um Krankheiten auszurotten und Menschen zu heilen - oder vielleicht sogar die Frage nach dem Sinn des Lebens zu beantworten.

Muskel, Auge und Gehirn in einem

Während ein Lösungsansatz für die Sinnfrage anhand eines Außerirdischen vielleicht eine fantasievollere Herangehensweise an einen modernen Science-Fiction-Film hätte sein können, bereitet es Hollywoods Drehbuchautoren und Produzenten vermutlich mehr Freude, den Aliens ein hässliches Gesicht zu verpassen und sie auf blutrünstige Jagd nach Menschenfleisch zu schicken.

Denn Calvin will nicht - wie etwa in Denis Villeneuves „Arrival“ – den Menschen helfen, sondern folgt bloß seinen Instinkten. Das durchsichtige, geflügelte Wesen ist Muskel, Auge und Gehirn in einem und hat nur ein einziges Ziel: zu leben. Die Kreatur sollte biologisch sein und sich rasch an ihre Umgebung anpassen können. Im Interview mit Sony Pictures erklärt der schwedisch-chilenische Regisseur Daniel Espinosa, dass er sich für die Gestaltung von Calvin von einem realen Lebewesen, einem harmlosen Schleimpilz, inspirieren ließ.

Horrorszenario der Gegenwart

Trotz des klassischen Alien-jagt-Astronauten-Szenarios sticht „Life“ durch ein entscheidendes Detail heraus: Es spielt nicht wie die meisten Geschichten dieses Genres in der Zukunft, sondern in der Gegenwart und fängt dort an, wo aktuelle Forschungen aufhören. In seinem Kern knüpft er an die Möglichkeit an, dass es auf dem Mars Leben geben könnte. „Deshalb wäre es absurd gewesen, den Film nicht so realistisch wie möglich zu gestalten“, so Espinosa gegenüber Sony. Sein Ziel war es, den Film so zu gestalten, dass es sich anfühlt, als würde das Gesehene tatsächlich gerade passieren.

In diesem Sinne wären Astronauten heute einem hochintelligenten, jedoch nach primitiven Motiven handelnden Wesen vom Mars oder einem anderen Planeten hilflos ausgeliefert. Würden sie die Erde davor schützen wollen, wären sie mit großer Wahrscheinlichkeit daran gescheitert. Man müsste eine Ellen Ripley sein - die Hauptfigur in Ridley Scotts „Alien“ –, um aggressive Außerirdische töten und bändigen zu können. Oder sich – trotz ihres ziemlich unappetitlichen Aussehens - einfach mit ihnen zu vermehren.

Queen versus queen. #ripley #aliens #queen #xenomorph #official

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Tatsächlich ist „Life“ vom ersten Teil der „Alien“-Reihe inspiriert. Er habe versucht, seinen Figuren wie in seinem Vorbild natürlich wirkende Hintergrundgeschichten zu geben, so Espinosa in einem Interview mit dem Onlinemagazin Den of Geek. Außerdem sprach er mit Scott über die Entwicklung des Außerirdischen und besuchte den bereits verstorbenen Schöpfer des originalen „Aliens“, H. R. Giger, in dessen Schloss in der Schweiz.

Den Figuren Leben einhauchen

Espinosas Versuche jedoch, die Story mit fesselnden Persönlichkeiten aufzuladen, kommen nicht an Scotts Umsetzung heran. Die Geschichten der Charaktere werden zu oberflächlich behandelt und erzählen keine in sich geschlossene Vorgeschichte, die auf spannende Weise die Dynamik der Besatzung beeinflusst.

Szene aus dem Film "Life"

2017 Sony Pictures Releasing GmbH

David Jordan (Jake Gyllenhaal) und die Leiterin der Mission, Miranda North (Rebecca Ferguson), schweben durch die Raumstation

Lediglich die Umstände von Dr. David Jordan (Jake Gyllenhaal) sind interessant. Mit 473 Tagen ist Jordan die bisher am längsten im All lebende Person. Die Zeit auf der Raumstation hat seinen Körper bereits nachhaltig geschädigt, trotzdem hat er kein Bedürfnis, auf die Erde zurückzukehren. Seine Zeit als Arzt während des Krieges in Syrien hat in ihm den Glauben an das Gute im Menschen zunichtegemacht. Jordan flieht vor Grausamkeiten und Mord ins Weltall und wird dort erneut davon heimgesucht.

Ein Alien, der seine Rolle erfüllt

Der Spannungsbogen des Films wird in erster Linie durch seine detailreiche Blutrünstigkeit aufrechterhalten. Dennoch: Bemühungen, dem Film einen realistischen Anstrich zu geben, sind fehlgeschlagen - er reiht sich unterschiedslos in eine Reihe von Science-Fiction-Streifen mit Starbesetzung ein und fällt weder durch seinen schleimigen Alien noch durch besonders ausgearbeitete Charaktere oder eine gewitzte Dramaturgie auf.

Überzeugend hingegen die schauspielerischen Leistungen, und auch das Ende überrascht. Ein Film für Fans des Genres - immerhin kann man sich neben schwebenden Astronauten auch auf eine realitätsgetreu nachgebaute Raumstation freuen und auf einen Alien, der eben tut, was von einem Alien erwartet wird.

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