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Ökonomische und historische Gründe

Die Abschaffung von „Obamacare“ ist eines der wichtigsten Wahlkampfversprechen von US-Präsident Donald Trump gewesen. So wichtig, dass er nur wenige Stunden nach der Inauguration bereits mit seinem allerersten Präsidialerlass die Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama aufweichte.

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Warum sind die Republikaner derart gegen ein Gesetz, aufgrund dessen heute 20 Millionen US-Bürger mehr krankenversichert sind? Es war als das „gefährlichste Gesetz, das je verabschiedet wurde“ bezeichnet worden, als Mörder von Frauen, Kindern und älteren Menschen. Behörden, die involviert waren, wurden als „Gestapo“ betitelt.

All diese Zuschreibungen für „Obamacare“ kamen von Republikanern, für die das 2010 verabschiedete Bundesgesetz reines Teufelswerk war. Kein einziger Konservativer hatte für die historische Reform gestimmt, die eine allgemeine Krankenversicherungspflicht in den USA einführte, es Versicherungsunternehmen verbot, Menschen mit Vorerkrankungen auszuschließen, es erlaubte, dass junge Leute bis 26 Jahre bei ihren Eltern mitversichert sind, und Niedrigverdienern Zuschüsse für ihre Versicherungsprämien gewährte.

Umverteilung ideologisches Gräuel

Über 60-mal erzwangen die Republikaner Abstimmungen im Kongress, um die ganze Reform oder Teile von „Obamacare“ abzuschaffen, immer erfolglos. Vier Mal riefen sie den Obersten Gerichtshof an. Die Abneigung der Republikaner gegenüber dem „Affordable Care Act“ (ACA), wie das Gesetz offiziell heißt, hat ideologische, wirtschaftliche, aber auch historische Gründe. „Obamacare“ basiert darauf, dass sich gut verdienende US-Bürger eine Krankenversicherung auf dem freien Markt direkt bei einem Anbieter kaufen und dafür höhere Prämien bezahlen.

Damit helfen sie, die Subventionen für jene zu finanzieren, die ihre Krankenversicherung auf den staatlichen Versicherungsbörsen kaufen. Die dadurch entstehende Umverteilung ist ideologisch ein Gräuel für die Partei, die für „small government“ steht, also einen schlanken Staat. Viele Konservative, darunter auch der neue US-Gesundheitsminister Tom Price, sehen Schritte weg vom privaten Erwerb von Krankenversicherungen in Richtung Sozialversicherungsmodell als eine Einmischung des Staates in die private Arzt-Patienten-Beziehung und als eine Beschneidung ihrer Freiheit.

Versicherungen schreiben Millionenverluste

Republikaner führen aber auch ökonomische Gründe ins Treffen. Die Wirtschaftlichkeit der Reform ist insgesamt umstritten. Einerseits ist der Anteil der US-Bürger ohne Krankenversicherung laut National Center for Health Statistics zwischen 2010 und 2016 (bis September) um 7,2 Prozentpunkte auf 8,8 Prozent der Gesamtbevölkerung gesunken. Andererseits schrieben und schreiben die Versicherungen mit „Obamacare“-Programmen Millionenverluste.

Es gibt keine Pflicht für Versicherer teilzunehmen. Wenn sie sich aber dazu entscheiden, sind sie dazu angehalten, günstige Produkte für die staatlichen Versicherungsbörsen zu entwickeln und jeweils ein Jahr dabei zu bleiben. Da von „Obamacare“ vorwiegend ältere, bereits kranke Menschen Gebrauch machten und jüngere, gesunde Menschen lieber die bei Nichtversicherung fällige Strafe bezahlten, stiegen wiederholt Versicherungen mit dem Verweis auf Unrentabilität aus. Andere erhöhten die Prämien - nicht nur für „Obamacare“-Kunden, sondern für alle.

Historische Schlacht

Republikaner sahen ein Marktversagen, das zum Kollaps des Systems führen wird. Versicherungsexperten wiesen darauf hin, dass es sehr wohl Versicherungen gibt, die auch mit „Obamacare“-Polizzen Profite machen. Viele Konservative erachten den ACA aber auch als historische Schlacht im Kampf gegen ein Krankenversicherungsmodell durch den Staat.

Bereits 1945 hatte Harry Truman eine Erweiterung des Sozialversicherungssystems um eine Krankenversicherung für jeden Amerikaner gefordert. Der Demokrat hatte aber nicht mit der Findigkeit der PR-Berater der American Medical Association gerechnet, die den Ausdruck „socialised medicine“ prägten. Die sozialistische Plakette hing Trumans Vorstoß wie ein Stein um den Hals und versenkte die Idee in der stark antikommunistisch geprägten Zeit rasch.

Gesundheitswesen mit Job eng verbunden

Nur ein Jahr später gewährte der republikanisch dominierte Kongress Firmen Steuervergünstigungen, wenn diese ihren Mitarbeitern private Krankenversicherungen als Teil ihrer Vergütung anboten. Die Arbeitnehmer nahmen sie an, seither ist das Gesundheitswesen in den USA eng mit dem Arbeitsplatz verbunden - heute sind gut zwei Drittel der Amerikaner über ihre Arbeitgeber versichert.

Nach Truman versuchten weitere demokratische Präsidenten - Lyndon Johnson, Bill Clinton und Barack Obama - Schritte in Richtung einer stärker durch den Staat geprägten Gesundheitsversorgung. Doch der Widerstand war immer stark, die Plakette „socialised medicine“, mit der auch heute viele Konservative Nachteile wie lange Wartezeiten für medizinische Behandlungen bis hin zu Gerüchten wie die Nichtbehandlung von älteren, schwer kranken Menschen verbinden, klebt bis heute gut.

Da von „Obamacare“ aber auch Kernwählerschichten der Republikaner profitierten, ist die republikanische Partei aktuell vermehrt unter Druck, beliebte Teile von „Obamacare“, die eigentlich ihren Grundprinzipien widersprechen, nicht anzutasten.

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