Disneys abtrünnige Prinzessin
Sympathieträgerin Emma Watson, 26, hat mit ORF.at im Gespräch zum Start von „Die Schöne und das Biest“ über die Kraft feministischer Märchen, Frauenpower und Filmkarriere gesprochen sowie über die Frage, warum sie sich feministisch engagiert.
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Schon in der „Harry Potter“-Serie gab sie die Kluge: Mit der Rolle des bezaubernden Bücherwurms Hermine gelangte Watson früh zu Weltruhm und wurde zum Role Model für Millionen junger Mädchen. Auch im wahren Leben legt die smarte Britin auf Bildung wert. Watson, die in Oxford aufwuchs, verfügt über einen Bachelor-Abschluss in Literaturwissenschaft.
Gertrude Stein was an American novelist, poet, playwright and art collector. She was a leading figure in modernism in...
Posted by Emma Watson on Mittwoch, 8. März 2017
Mit der Karriere geht es für die in Paris Geborene stetig steil bergauf. „Forbes“ reiht sie mit Gagen in Millionenhöhe unter die am besten verdienenden Jungschauspieler. Zudem setzt sich der sympathische Star seit Jahren für Frauenrechte ein. Seit 2014 ist sie UNO-Sonderbotschafterin für Frauen- und Mädchenrechte. Ihre erste UNO-Rede führte zum Kollaps der Website. 2016 gründete sie den feministischen Lesezirkel „My shared shelf“, der schnell 100.000 Leselustige fand.
Märchen gegen das Patriarchat
Im Jänner war sie beim „Women’s March on Washington“ gegen Donald Trump aktiv. Wie ihre Rolle mit ihrem Engagement korrespondiert, erklärt die Frauenrechtlerin so: „Da gibt es viele Querverbindungen. Belle sind Bildung und Bücher wichtig. Ihre persönliche Entwicklung. Und sie schwimmt gegen den Strom der Gemeinschaft, in der sie lebt. Jeder fragt sich: Warum heiratet sie nicht Gaston und lebt glücklich bis ans Ende ihrer Tage, wie es im Märchen so schön heißt? Sie ist nicht die typische Prinzessin, deren einziges Ziel es ist, ihren Märchenprinzen zu ehelichen. Das interessiert sie überhaupt nicht.“
Frauen, die lesen, sind gefährlich
Es gebe viele „Ikonen der modernen Kultur, die sehr zerstörerisch auf die weibliche Integrität wirken“. „Die Schöne und das Biest“ zähle nicht dazu. „Belle war Disneys erste feministische Figur. Sie basierte lose auf Katherine Hepburn, kreiert wurde sie von einer Frau. Linda Woolverton, einer lokalen Feministin. Sie war als Abschied von den typischen Disney-Frauenfiguren gedacht: Disneys abtrünnige Prinzessin. Genau dieses Element wollte ich herausschälen und darauf aufbauen.“ Einiges hätte sie beibehalten, anderes ins Gegenteil verkehrt: mit den teils enormen Brüsten typischer Disneyprinzessinnen könne sie nicht aufwarten, lacht Watson.
Die Botschaften, die sie jungen Mädchen vermitteln wolle, seien vielfältig: „Die Grundbotschaft ist: Du hast Power! Auch wenn deine Umgebung bestimmte Vorstellungen von dir hat, wie du bist oder zu sein hast, musst du sie nicht erfüllen. Du hast immer eine Wahl. Du bist perfekt wie du bist, hast ein Alleinstellungsmerkmal. Du brauchst keinen Mann wie Gaston zur Selbstbestätigung. Dein Schicksal hängt von dir ab. Bleib dir treu. Sei neugierig, sei forschend. Lerne und ermächtige dich selbst, so gut du nur kannst.“
Märchen voll innerer Wahrheiten
Was antwortet sie weniger Wohlmeinenden, die monieren, die Story würde Gewalt gegen Frauen tolerieren? „Ich würde die Geschlechterfrage bei der Grundaussage des Märchens nicht stellen. Es geht um zwei Menschen. Ein Mensch, der tief in das Herz des anderen Menschen blicken kann. Die Botschaft richtet sich dagegen, nur nach Äußerlichkeiten zu urteilen. Es geht um Vorurteile und wie wir sie überwinden.“
Märchen können uns auch für unser modernes Leben viel mitgeben, besonders, wenn wir sie anders interpretieren: „Ich bin ein Fan der Autorin Angela Carter. Sie schrieb tolle feministische Märchen, die sie ganz neu interpretierte. Sie gab ihnen spannende Wendungen, um dem Patriarchalen darin beizukommen. Ich habe es sehr geliebt, sie zu lesen!“
Die geraubte Zukunft
In der Realität empören Watson die hohe Rate unter weiblichen Analphabetinnen ebenso wie die Kinderehe. Phänomene, die ihrer Meinung nach kausal zusammenhängen: „Kinderehe raubt Mädchen ihre Zukunft. Beraubt sie ihrer Möglichkeiten, sich zu bilden, ihre Fähigkeiten zu stärken und sich zu ermächtigen. Es gibt etwa 18 Millionen Mädchen auf der Welt, die nicht zur Schule gehen können. Genau für solche Phänomene ist die Kinderehe verantwortlich.“
Ihren Film finde sie auch deshalb so wichtig, weil er genau bei diesen Themen ansetze: Bildung und Alphabetisierung von Frauen. Wenn Belle im Film etwa kleinen Mädchen das Lesen beibringe. Auch dass Belle sich weigere, Gaston aus Konvention zu heiraten, gäbe ein gutes Beispiel.
Über die eigene Kultur reflektieren
Die Leute fragen sie oft, nun da sie für die UNO arbeite, ob ihr ihre Filmarbeit jetzt nicht lächerlich vorkomme. „Sicher nicht!“, antworte sie dann immer. „Denn so toll es ist, ein Gesetz auf den Weg zu bringen oder zu ändern. Was auf lange Sicht wichtig ist, ist das Bewusstsein der Menschen zu verändern, die Art wie sie denken. Über ihre Kultur, ihre kulturelle Tradition. Filme zeigen den Menschen, wie Dinge aussehen könnten, wenn sie anders sind, es regt ihre Fantasie an. Genau dafür ist ein Märchen perfekt. Es kann zeigen, was dahintersteckt und spricht damit unser Innerstes an. Für mich sind daher beide Engagements gleich wichtig.“
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Posted by Emma Watson on Samstag, 11. März 2017
Insgesamt sei sie mit ihrer Karriere ebenso zufrieden wie mit ihrem Leben: „Eigentlich hatte ich schon mit Hermine eine Rolle, die anderen fürs Leben reicht.“ Dazu komme die Frauenarbeit und nun ihr aktueller Film: „Ich habe solches Glück gehabt, ich fühle mich wahrhaft gesegnet.“
Shitstorm nach Busenblitzer
Ihre Pressereisen für Filme nütze sie gerne, um nachhaltige Mode zu promoten, um den PR-Touren dadurch „mehr Sinnhaftigkeit“ zu verleihen. Mode und Film gingen Hand in Hand: „Ein nachhaltig produziertes Kleid verändert nicht die Welt. Aber ich verfüge über eine große Plattform, um über wichtige Dinge einen Diskurs zu erreichen."
"Die Leute fragen sich vielleicht: Wer hat das Kleid gefertigt, das sie trägt, und wie? Es regt einen Nachdenkprozess an. Ich unterstütze damit junge Selbstständige und Start-ups. Ich kann Designer bekannt machen, die mehr Liebe für ihren Beruf aufbringen als die Etablierten. Und mehr soziales Gewissen. Die vorsichtiger und bedachter mit den Ressourcen umgehen.“ Missionieren wolle sie keineswegs, es mache einfach Spaß.
Auch die Kontroverse, die kürzlich um ein freizügiges „Vanity Fair“-Cover entbrannt ist, hat die clevere Aktivistin für sich entschieden. Eine Journalistin hatte auf Twitter einen Shitstorm initiiert, mit dem Vorwurf des Verrats an den Idealen des Feminismus. Selbst Parade-Feministinnen wie Alice Schwarzer persönlich, die in ihrer „Emma“ ein Machtwort schrieb, ergriffen für Watson Partei. Wenn das nicht einem feministischen HeldInnenorden gleichkommt - was dann?
Links:
Nadja Sarwat, für ORF.at, aus London